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barin einen Maßstab, daß sich die Kosten für einen großen Teppich
auf 10—12,000 fl. berechnen.

dieser Excursion wenden wir uns wieder zum geschicht-
lichen Gebiete zurück.

Wir haben guten Grund anzunehmen, daß Ende des 13. und
nn 14. Jahrhunderte, wiewohl Arras dort und auch fernerhin die
Lrößte Rolle spielte, weshalb denn auch alle kostbaren Wirkereien
° we Unterschied aus den Ort der Provenienz bei den Italienern
dutzutage noch den Namen „Arrazzi" führen, nicht blos Flandern
un Burgund die einzigen Manufacturen dieser Art hatten, sondern
eaß auch im übrigen Deutschland, vorzugsweise in Klöstern
W4>' -M, wu-d°«.

2liich Florenz und Venedig treten um diese Zeit in den
■ c wnipf ein — ihre häufigen, ja steten Berührungen mit dem
rtent mochten hier maßgebend geworden sein — und lieferten statt
aareniu Wolle, Canevas oder Leinen, sogar in Seide und Gold.

Welcher Luxus überhaupt schon im 14.Jahrhundert mit diesen
gewirkten Teppichen, deren schönste Exemplare unstreitig Arras lie-
j^e; getrieben wurde, zeigt uns ein auf der kaiserl. Bibliothek in
-Paris erhaltenes Inventar des Königs Carl V. (1364 —1380)
l’Dtn 21. Januar 1379, welches eine Unzahl von diesen Teppichen
unb zwar der verschiedensten Sujets der heiligen und profanen
beschichte entnommen, aufführt; es befanden sich darunter auch
»Englische" und war für diese ein eigener Saal bestimmt —• ein
pichen, auf welch' hoher Stufe der Reputation sich dieses Land
Erhielt. Es ist zu beklagen, daß wir nicht auch ähnliche Berzeich-
^usse von Kirchen, Abteien u. s. >v. haben, welche so reich an dieser
lrt der Arbeit waren. Daß aber diese Hautelissen schon damals
u», einen sehr hohen Preis erkauft wurden, sehen wir wieder aus
ufschreibungen, welche uns noch erhalten sind.

So erhielt der Teppichwirker Amaury de Goire 1348 vom
Herzog der Normandie und Guyenne für einen Wollenteppich mit
E>u alten und neuen Testamente 492 Livres 3 Sous und 9 Deniers;
1369 erhielt der Wechsler Hugo BarthÄemy für eine Hautelisse, „die
oahrt nach dem hl. Gral", 900 Francs in Gold, für die
»Geschichte des Theseus" zahlte CarlV. 1200 Livres — ge-
l0lB ungeheure Summen für die damalige Zeit.

Ich habe schon oben angedeutet, daß um diese Zeit auch in
Deutschland diese Kunst, freilich nur sporadisch, geübt wurde; mög-
uh, daß Nachforschungen in unseren Archiven noch weitere Anhalts-
punkte geben, wiewohl wir schon aus dem Grunde weit schlimmer
°3 ^ie Franzosen in diesem Punkte daran sind, als bei uns die
Deformation und später die Säcularisation in einzelnen Ländern
>e Klosterarchive theils völlig zerstörten, theils nur werthlose
euchstücke der früheren Cnlturthätigkeit auf uns überkommen ließen.

Wir haben aber außerdem hinreichende Anhaltspunkte, daß
ganz besonders thätig auf diesem GebieteKlosterfrauen sich zeigten
>nid die Bewohnerinen der freiweltlichen Stifter, in denen sich
ganze Schulen für Kunststickereien und Webereien bildeten. Die
1 lllen Klosterzellen waren vorzugsweise die Stätten, aus welchen
"r vielfache Schmuck der Altäre und Gotteshäuser überhaupt her-
porgiug. Ornamente des Altares, Paramente, Antependien, Bela,
gEoße Teppiche, Ueberzüge zu Knie- und Sitz-Bänken, (s. g. Rück-
acfen, scamnalia) gestickte oder gewirkte Kissen (pulvinaria, cus-
■^i) Polster zum Knieen oder zum Auflegen auf die Scdilien
ahrend der feierlichen Messe, u. s. w. bildeten die erwünschten
Egenstände für diesen regen Knnstfleiß, der sich nach und nach
^ er llanz Deutschland ausbreitete. Als besonders reich au solchen
dcu ^^^Eugnissen werden die Pfarr-, Stifts- und Abteikirchen in
K^^'^^'chen Kurfürstenthümern, den einzelnen Bischofsstädten, den
6Eschild" Sachsen und Thüringen, hier namentlich Gandersheim

bei dürfen jedoch ganz sicher annehmen, daß es ebenso auch
ljchen „ . ^ar; denn wenn sich auch zur Zeit namentlich im nörd-
die meist östlichen Deutschland am Rhein und an der Mosel noch
' EN Ueberreste hievon vorfindcu, iveshalb man obigen Schluß

zu machen beliebt, so dürfen wir nicht vergessen, daß gerade in
Bayern in sämmtlichen Klöstern eine ungemein rege Künstthätigkeit
auf allen Gebieten herrschte, (Beleg hiezu bietet ein Teppich aus dem
(15. Jahrh.) mit dem Bilde der Nonne als Weberin aus dem
Kloster S. Clarain Bamberg und andere Antependien in der gothi-
schen Abtheilung des bahr. Nationalmuseums) und daß Bayern gerade
unter jene Länder zählt, welche in kunstarchäologischer Hinsicht am
meisten ausgeplündert wurden, zu einer Zeit, wo man derlei Sachcn
bei uns als altes Gerümpel und völlig werthlos zu betrachten ge-
wohnt war.

Gerade wir in Bayern sind so glücklich, mehrere solcher Kunst-
webereien noch aus dem 14. Jahrhundert in unserem Nationalmuseum
zu besitzen, welche uns um so merkwürdiger sind, als sie auch bayerisches
Produkt sind, gerade so wie der schöne Teppich auf dem Rathhause
in Regensburg mit seinen reizenden Minnedarstellungen uns einen
Beweis der kunstreichen Thätigkeit der Frauen aus edlen Ge-
schlechtern darbietet.

Wie wir uns durch eigene Auschauung überzeugen können,
so finden wir bei den uns erhaltenen Ueberresten der Knnftweberei
in Mittel- und Süddeutschland die Composition wie das coloristische
Element sehr einfach; wir müssen ja auch die Künstler sowohl zu
dem Carton meist nach Miniaturen, wie zur Ausführung in Kloster-
zellen suchen und wissen ja aus der Geschichte der Malerei, wie
um diese Zeit bei uns dieselbe noch in der Kindheit lag, sodann
dürfen wir nicht vergessen, daß gerade bei diesen Tapeten die Färb-
ung der Wolle eine Hauptrolle spielt, und daß schon 400 Jahre
darüber hinweggegangen sind.

Einen bedeutenden Fortschritt macht die Hautelisse - Weberei
gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts; man wird mehr dekorativ,
entwickelt einen feineren Farbensinn, hält besonders auf Abtönung
und Harmonie der Farbe, es ringt sich überhaupt das künstlerische
Element durch, da jetzt die bedeutendsten Meister, wie Memling,
van Eyk, später Rafael und seine Schüler, auch unser Dürer die
Cartons zu den Teppichen machen, und in diesen Industriezweig
die Kunst cinbürgern.

So waren bereits gegen die Mitte des 15. Jyhrhunderts die
Teppiche von Tours, Arras, Rheims und Mecheln sehr berühmt und
die gewirkten Tapisserien von Arras und Rheims sogar den kost-
baren derartigen Wirkereien von Smyrna (tapeta Smyrnensia,
und transmarina) gleichgestellt.

Am burgundischen und französischen Hofe war man besonders
reich an diesen Erzeugnissen und es dienen die von der Ungunst
der Zeit verschonten einzelnen Exemplare dieser farbenreichen Tep-
piche, welche theils die Schlösser und Burgen der Fürsten schmückten,
theils als Fuß- und Wandteppiche den Glanz und die Würde des
Gottesdienstes an hohen Feiertagen in den Kirchen erhöhten, als
hinreichende Belege, welchen Aufschwung in technischer und ästhetischer
Hinsicht die Teppichwirkerei beim Ausgange des Mittelalters ange-
nommenhat. Wie sehr das coloristische Element durchgeschlagen hatte,
beweist der Umstand, daß man an einigen Orten die schon fertigen
Wirkereien noch mit Farbe abtonte, Schatten und Licht verstärkte,
wie .wir auch an einem Teppich des Nationalmuseums mit der alle-
gorischen Darstellung des von der Lust versuchten Menschen im letz-
ten Saale der Gothik deutlich Nachweisen können.

Mit der Renaissance erreichte die Hautelissenmanufactur sowohl
in Frankreich als in den industriellen Niederlanden, Antwerpen,
Brüssel, Doornick, Enghien, Oudenarde, namentlich in Arras ihren
Höhepunkt. Die flandrischen und burgundischen Webereien zeichnen
sich namentlich durch Zartheit der Zeichnungen, Freiheit der Aus-
führung, prachtvolles und harmonisches Colorit aus, so daß wir
schon dadurch hinreichende Anhaltspunkte für den Ursprung solcher
Webereien haben.

Hier in Arras ließ der kunstsinnige Leo X. (1515) die welt-
berühmten Teppiche nach den Cartons von Rafael weben, von deren
Duplikat auch das bayerische Nationalmuseum welche — es sind die
aus der Schöpfungsgeschichte im Stiegenhause — besitzt.
 
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