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12. und 13. Jahrhundert Sitte geworden, sich nach orientalischer
Sitte auf Teppiche zu setzen, reiche Teppiche zu Kriegs- und Jagd-
zeiten zu verwenden, bei feierlichem Empfange die Wände mit
Teppichen zu zieren.

Wolfram von Eschenbach (f 1275) spricht in seinem Parcival
vielfach von Zeltlachen, V 230 in der Gralburg von den „bilder-
hellen Teppichen" an den Wänden, von den Teppichen, die am
Bett und auf den Meubeln lagen re.; ja selbst auf den Pferde-
decken der turnirenden Ritter gewahrte man heroische Geschichten,
wie ja auch an den Tribünen, auf denen die Frauen und Jung-
frauen bei Turnieren saßen, solche reiche gestickte und gewirkte Tep-
piche herabhingen.

Zum Beweise dessen erinnere ich hier an den ausgezeichneten
Teppich von Bayeux, für die Cathedrale daselbst, welcher, ein Werk
der Königin Mathilde, der Gemahlin Wilhelms des Eroberers,
(1066—1087) die Eroberung Englands durch die Normannen
darstellte und in 72 Gruppen die Geschichte der Unterjochung der
Angelsachsen entrollte. Allerdings hat die neuere Forschung heraus-
gestellt, daß der 19 Zoll hohe und 212 Fuß lange Teppich nur
Stickerei (opus plumarium) ist und wenn auch die Zeichnung der Fi-
guren und Thiere dem Charakter der damaligen Miniaturen ähnelt,
so haben wir doch auf dieser braunen Leinwandfläche, welche mit
Wolle gestickt ist, und heute noch in den Ueberresten eine Helle Far-
benfrische ausweist, einen seltenen Beweis nicht blos der Ausdauer
und Geschicklichkeit, sondern des lebendigen Kunstsinnes einer fürstlichen
Dame und ihrer Genossincn, die an dem Werke mithalfen.

Aehnlich ist der Teppich des hl. Martin aus dem 13. Jahr-
hundert, welcher in 12 Medaillons, die durch Rosetten, geometrische
Figuren und Blätterwerk unterbrochen sind, das Leben des Heiligen
vorführt und sich im Louvre befindet. (Nr. 1117 des Katal. von Laborde.)

Uebrigens haben wir auch Beweise, daß schon im 13. Jahrh.
freilich nur vereinzelt, neben der Weberei des glatten, einfachen
rotyen Tuches auch die Teppichwirkerei geübt wurde, in einem
Bruchstücke eines Teppichs des Germanischen Museums G. Nr. 28
aus der St. Elisabetkirche zu Marburg, zu dem die hl. Elisabeth
selbst die Wolle gesponnen haben soll und der die Geschichte des
verlornen Sohnes darstellt.

Authentische Nachrichten über das Bestehen von Teppich-
webereien finden wir in einem Handbuch der Gewebe, welches
Etienne Boiliaue, Prevot der Kaufmannschaft von Paris von
1258—1268 führte und in dem er 2 Arten von Teppichfabrikation
unterscheidet, nämlich die s. g. saracenische*) und dann die ein-
heimische — „tapiciers de tapis saracenois et celles, de ta-
piciers de tapis nostrez.“

Die ersteren Produkte waren die ausgezeichneten, luxuriös aus-
gbstattet und sehr theuer und nur in Kirchen und in den Palästen
des höchsten Adels verwendet — die letzteren mehr einfacher Na-
tur, nur gemustert, ohne figürliche Darstellungen.

Erst im Jahre 1302 wird in einem Gewerbhandbuche der
tapis8erie de baute lisse ausdrücklich Erwähnung gethan.

Ich glaube hier den geeigneten Ort gefunden zu haben, um
die Begriffe baute lisse und basse lisse und die Art der Technik
anzugeben.

Wir haben uns irrthümlich angewöhnt, diese Wirkereien ohne Unter-
schied mit dem Namen Gob elin s zu bezeichnen. Dieser Name Gobe-
lins ist der Familienname eines Färbers aus Rheims, welcher i. 1.1450
an dem Bache Bievre (am südöstlichen Ende von Paris) eine Woll-
färberei errichtete, in welche später die in Paris bestehende Teppich-
fabrik unter Ludwig XIII. im Jahre 1630 verlegt wurde. Und
so ging der Name auf das Produkt selbst über.

Um also in der Bezeichnung dieses Fabrikats richtig zu gehen,
müssen wir festhalten, daß man diese Art der gewirkten Teppiche
in Frankreich und zwar im 13. Jahrhundert „Laraeius" später „baute
lisse" und „basse lisse," oder auch, wie es unter Heinrich IV.

*) Waren Teppiche mit Personen. Cf. Cat. d Gob. p. 37.

aufkam, „ä la faeon de Flandre“ und erst im 17. Jahrhundert
„Gobelins" nannte.

Die Bezeichnung baute lisse und basse lisse ist von der
Verschiedenheit des Webestuhles hergeuommen, auf welchem gewebt
wird.

Bei den „hochschäftigen Tapeten, baute lisse" steht die Kette
(ebaine) senkrecht und die beiden Holzcylinder, über welche dieselbe
gespannt ist, befinden sich am obern und untern Ende der vertikalen
Stützbalken des Webstuhles; bei „tiefschäftigen, basse lisse" liegt sie
wie bei den gewöhnlichen Weberarbeiten wage recht. Die letztern
sind minder kostspielig, aber auch minder schön. Die Fäden der
Scheerung (Kette) stehen bei der baute lisse Weberei senkrecht neben-
einander und sind aus weißer Wolle, der Einschlag von gefärbter.
Hinter diesen Fäden sitzt der Arbeiter und hat eine Menge finger-
dicker Hölzchen, die etwa 6" lang sind und einerseits spitz zulaufen.
Auf diese sind die Wollfäden gewickelt, welche zum Einschläge
dienen. Sie sind von allen Farben und Schattirungen, die so nah
aufeinander folgen, daß nur ein geübtes Auge sie unterscheiden kann.
Etwa in der Mitte der Scheerung läuft der Kamm horizontal.
Dieser besteht aus ziemlich starken Bindfäden, in welchen der Ar-
beiter mit den Fingern der Linken spielt, an ihnen die Fäden aus
der Reihe ziehend, zwischen welchen er sein Spülchen durchziehen will.

Diese aus der Ebene der Scheerung gezogenen Fäden bilden
den s. g. Sprung der Weber. Dann steckt der Arbeiter seine
Spüle mit der Rechten durch und schlägt den Faden mit der Spitze
des Spulhölzchens bei.

Vom Gemälde, welches auf der Tapete gewirkt werden soll, nimmt
der Arbeiter vorher auf Pauspapier stückweis den Umriß. Diese
durchgepauste Zeichnung befestigt er vor der weißen Scheerung, um
sie in schwarzer Kreide aus die Fäden überzntragen. Er zieht
Faden auf Faden vor und streicht mit der Kreide, die in breiten
Stücken geschnitten und vorn ausgekehlt ist, über die Stellen, wo
die Umrißlinien auf dem Papier hergehen, rund um den Faden
herum, der an diesen Stellen einen feinen schwarzen Ring erhält.
So kommen die Umrisse des Gemäldes völlig gleich aus beiden
Seiten der Scheerung zu stehen, was dem Arbeiter sein Geschäft
sehr erleichtert. Bei der Arbeit liegt das Gemälde, wovon er die
Umrisse auf seiner Scheerung hat, wagrecht hinter ihm, und die
kleine Stelle, die er bearbeitet, ist ihm zur Seite. Weil er täglich
nur etwa 6 Quadratzoll fertig macht und die kopirte Stelle fort-
während ansieht, so entgeht ihm natürlich keilt von dem Maler
noch so leise angedeuteter Zug. Selbstverständlich können, da der
baute lisse-Weber nur auf einer kleinen Stelle arbeitet, zwei und
drei zugleich, freilich nur an verschiedenen Stellen derselben Tapete
beschäftigt sein.

Den Einschlag schlägt der Weber mit der Spitze der Spule
und nachher mit einem elfenbeinernen Kamme noch fester bei.
Wegen des beständigen Wechsels der Farben im Gemälde ist es
selten, daß der Raum, wo er arbeitet, mehr denn 6 oder 8 Fäden
der Scheerung einnimmt. Sobald die Farbe wechselt, bricht er den
Faden ab und sucht unter den andern Farbenspulen, die er in
einem Korbe neben sich hat, eine neue, der betreffenden Bildfarbe
entsprechend zum Weiterlvirken. Vieljährige Hebung macht, daß er
aus dem reichen Vorrathe von Farbenabstufungen gleich die rechte
Schattirnng herausfindet, und damit auch eben den rechten Platz
ausfüllt, so daß er nur selten das Gemachte wieder auszulösen und
zu verbessern braucht. Man webt fast einzig und allein aus Wolle
nur zu den Lichtpartieen wird Seide genommen, früher nahm
man hiezu Goldfäden.*)

Meine Herren! So viel über die Technik der baute lisse Ta-
peten. Wir ersehen daraus, wie mühsam die Arbeit ist und erklären
uns, wie zu einein großen Teppich drei noch so fleißige Ar-
beiter sechs und mehr Jahre brauchen können, haben aber auch

*) 1379—1395 im Inventar Karl Y. Teppiche aus Arras in der
Picardie selbst von einem Emir bestellt. (Catal. pag. 37.) Im
Jahre 1389 kommen schon golddurchwirkte Arrazzi vor. (pag. 27.)
 
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