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Zeitschrift

des

Kunst - Ge

werbe-

Zwanzigster Jahrgang.

Vereins.

München. m1 « «. 1870.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Bereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. =s 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr —• 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St änd ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Ueber italienische Majoliken.

Bon Prof. Kuhn,

Conservator des Nationalmuseums.

Um mein in den ersten Nummern des XX. Jahrganges dieser
Zeitschrift gegebenes Versprechen zu lösen, versuche ich im Nach-
stehenden einige geschichtliche Thatsachen und nähere Anhaltspunkte
über diesen wichtigen Kunstindustriezweig des 16. Jahrhunderts um
so mehr zu geben, als derselbe in der Gegenwart durch die H.H.
Ferlini in Bologna, Cinori in Doccia, Joseph Devers in Paris
und die berühmte englische Fabrik Minton wieder in bedeutende
Aufnahme zu kommen scheint.

Daß man das Wesen der Majolikafabrikation schon sehr frühe
kannte, habe ich bereits früher angedeutet, indem die Anwendung
der opaken Zinnglasur zum Ueberziehen der Wandflächen schon den
alten Assyriern und Babyloniern bekannt war, ivie dies die Aus-
grabungen in Nimroud und Khorsabad bezeugen.

Zu uns kam diese Erfindung wahrscheinlich zuerst durch die
Vermittlung der Mauren in Spanien, welche diese den orientalischen
Völkern gemeinsame Tradition nach Europa verpflanzten und selbst
als sie schon längst unterjocht waren, noch bis zu Anfang des 17.
Jahrhunderts fortfuhren, ihre goldschillernde, blumenreiche, wappen-
gezierte Töpferwaare, meistens große Schüsseln zu fabriciren.

Ein Hauptsitz dieser industriellen Thätigkeit ivar die größte
Insel der Balearen Majorka — in leichter Aussprache Majolika
— woher dieser ganze Industriezweig seinen Namen erhielt. Man
verstand aber, wie >vir durch Cipriauo Picolpasso wissen, der um
1550 in Pesaro lebte und ein Manuscript über Majolikafabrikation
hintcrließ, in der frühern Zeit unter Majoliken vorzugsweise Ge-
schirre, deren Färbung einen metallischen Reflex zeigte; erst später,
als das orientalische Porcellan durch die mehr erschlossenen Handels-
Wege in weitere Aufnahme kam, erhielt das Wort die jetzige Be-
deutung und man versteht darunter die italienischen mit eingcschmelz-
ten Farben bemalten Töpferwaaren des 15. bis 17. Jahrhunderts
im Gegensatz zu jenem Porcellan.

Majorka bildete also nicht nur den Hauptfabrikationsort dieser
Industrie, sondern auch den Hauptstapelplatz für den Export, der
sich namentlich nach Italien hinwandte.

Ein großartiger Zufluß dieser feinern Geschirre kam aber nach
Oberitalien, als die Pisaner im Jahre 1115 diese Insel eroberten
und plünderten; daher rührt auch der Majolikenschmuck an den
Kirchen von San Sisto, Sant' Apollonia und San Martina zu Pisa,
welche, wie uns Lazari in seiner Beschreibung des Museo Correr
zu Venedig mittheilt, als Siegestrophäen über die Niederlage des
arabischen Königs von Majorka hier prunkten. Ueberhaupt war es
im 11. und 12. Jahrhundert in Italien Sitte geworden, die Giebel-
felder der Kirchthürme, die Friese derselben, die Wände der Kirchen
mit verschiedenfarbig gemalten Platten und Becken, die glasirt waren,
(Majoliken) zu verzieren, wie wir dieses von der Abtei von Pom-

posa, den Kirchen San Francesco zu Bologna, Santa Maria zu
Bologna, der Domkirche und St. Augustin zu Pesaro, und nament-
lich von den verschiedenen Kirchen zu Pavia wissen.

Diese Platten oder Becken sind sämmtlich von mittlerer Größe
und zeigen auf weißem Grunde Arabesken von dunkelgelber Farbe,
seltener kommen Vögel, Kreuze, verschlungene Bänder und Sterne
vor; nur wenige haben einen braunen oder blauen Grund und dann
sind sie meist einfarbig, obwohl auch einige Zierungen von Bän-
dern und Sternen tragen und dadurch freilich an Werth bedeutend
gewinnen.

Man sieht also hier ganz deutlich die Bezugsquelle, da an
diesen Platten die Muster auf den Stuckwänden und Getäfeln der
maurischen Gebäude, nemlich mit Blunicn und Arabesken durch-
wirktes Flechtwerk, den Grundton bilden und diese Dekoration wurde
auch daun festgehalten, als bei Eroberung Majorka's durch die ver-
triebenen oder in Gefangenschaft gerathenen Arbeiter in Italien selbst
ähnliche Töpferwerkstätten entstanden waren, welche die überkom-
mene Technik fortpflanzten.

Es ist gewiß anzunehmen, daß der hervorragendste Meister
auf diesem kunstindustriellen Gebiete Luccadella Robbia die
Traditionen dieser spanisch-maurischen Töpfer kannte; aber, wenn
wir auch dem bisher zäh festgehalteuen Jrrthume, als sei er der
Erfinder dieser Thonwaare nicht beipflichten können, so entziehen
wir dem Ruhme dieses großen Meisters nichts, da er anknüpfend
an die bestehende Technik die wirkliche emaillirte Fayence — terra
invetriata — nach der technisch genauen Definition dieser Waare
in Italien herstellte, von den bisherigen Grundsätzen der Behand-
lung und der Dekoration nichts annahm, sondern seine eigenen Wege
ging, und sich vom Orient emancipirend seine Erfindung durchaus
neu und im Plastischen Sinne verwerthete.

Lucca della Robbia, geb. um 1400, gest. 1482 in Florenz
lernte die Goldschmiedeknnst beim berühmten Meister Lionardo di
Ser Giovanni und ging kaum 15 Jahre alt mit andern jungen
Künstlern nach Rimini, um bei den Werken, ivelche Sigismondo
di Pantolfo Molatesta, Herr von Rimini, ausführen ließ, beschäf-
tigt zu werden, da er sich nach der Sitte der damaligen Zeit nicht
blos mit seinem speciellen Fache abgab, sondern auch mit der Sculp-
tur beschäftigt hatte, überhaupt sich allseitig ausbildete. Hier fertigte
er an dem Grabmale der Familie Sigismondo's einige Reliefs, die
ihn vortheilhaft bekannt machten. Seine talentvollen Arbeiten erregten
die Aufmerksamkeit des Vorstehers am Baue der Domkirche S. Maria del
fiore zu Florenz, und man übertrug ihm fünf kleine Reliefs an dem nach
Giotto's Zeichnung erbauten Glockenthurm der Kirche, ebenso auf
den Rath des Herrn Vieri de Medici die Verzierung einer neuen
Orgel, die über der Thüre der Sacristei aufgestellt wurde.

Besonders zeichnete er sich hier durch seinen Sängerchor aus.
Nun wurde er auch mit der Anfertigung der Broncethüren der Sa-
cristei beauftragt, deren Ausführung seinen Ruhm befestigte. Zeit,
 
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