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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 20.1870

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Lichtenstein, ...: Ueber die erfinderische Thätigkeit des Kunsthandwerkers: Vortrag
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Kuhn, ...: Zwei Majolikageschirre: aus dem bayerischen National-Museum
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Chronik des Vereins
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9147#0008
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Ziel ins Auge fassen, und wenn wir diejenigen Anregungsmittel
zum künstlerischen Schaffen nicht verschmähen, welche aus unserer
Zeit geschöpft sind, dann wird dieses herrliche Ziel auch sicher er-
reicht werden.

Zwei Majolikageschirre

aus dem bayerischen National-Museum.

Von Professor Kuhn,

Conservator des bayer. Nationalmuseums.

Majoliken sind Tafeln oder Geschirre aus gebranntem Thon,
glasirt und mit eingeschmelzten Farben bemalt. Bekanntlich ist die
Erfindung der opaken Zinnglasur als Ueberzug der Terra cotta-
Masse schon sehr alt, da wir durch die von Layard in Niniveh
und von Botta in Khorsabad gemachten Ausgrabungen die Gewiß-
heit erhalten haben, daß bereits die Assyrier und Babylonier das-
selbe zum Uebergießen ihrer Wandflächen anwandten. Diese Technik
erhielt sich im Oriente, kam durch die Mauren nach Spanien, mit
den Sarazenen nach Sicilien; von Spanien aus fand sie den Weg
nach der Insel Majorca, welche, wie wir aus Dante wissen, auch
Majolika hieß. So bekam dieser ganze Industriezweig von dieser
Insel den Namen, obwohl er auch anderwärts schon vor dieser Zeit,
so z. B. in Italien schon vor 1300 geübt wurde. Vom Jahre
1450 an finden sich künstlerisch verzierte Geschirre, wie z. B. Ge-
fäße, deren Glasur in verschiedenen Farben spielt, nach Art der
Perlmutter. Auch die Erfindung, durch eine Auflösung der Blei-
glätte den Schein der Vergoldung zu geben, wurde um diese Zeit
gemacht, was sich an vielen Schüsseln und Schalen aus dieser
Periode, namentlich in den Sammlungen von Paris, Florenz,
Berlin zeigt, bei deren Verzierung mit Brustbildern, Arabesken
u. s. w. diese Art der Vergoldung häufig gebraucht wird.

Es ist sicher anzunehmen, daß diese Art der Technik meist
durch die Familie della Robbia in Aufnahme kam und sich nach
und nach weiter verbreitete. Denn wir haben zahlreiche Beweise,
daß sehr sorgfältig ausgesuchte Töpferwaaren auch aus Werkstätten
in andern Theilen Italiens und selbst in Deutschland hervor-
gingen, wiewohl feststeht, daß die kunstreich gemalten Prachtgeschirre
fast ausschließlich nur in dem engen Bezirk des Herzogthums Ur-
bino und zwar in Urbino, Castel Durante, Gubbio, Pesaro und
Faenza verfertigt wurden.

Daß die Blüthe dieses Kunstindustriezweiges in den benannten
Städten lediglich durch die Kunstliebe der Fürsten und deren
Unterstützungen bedingt war, zeigt der Umstand, daß die ganze
Industrie ins Abnehmen kam und endlich ganz aufhörte, als die
Fürsten niit ihren Subventionen aufhörten.

Doch ich habe hier keine Geschichte der Majolikaindustrie zu
schreiben und werde später dieses Thema weiter führen, nur be-
merken will ich noch, daß die Prachtexemplare derselben in die
erste Hälfte des 16. Jahrhunderts fallen, sowie daß man nicht
blos Geschirre von flachen Formen in diesen Fabriken machte, son-
dern auch Prachtvasen und unter andern auch in Flaschenform;
selbst kleinere Werke der Plastik fertigte man aus Majolika, z. B.
Gruppen von Menschen und Thieren zu Springbrunnen in Gärten
oder zu Tafelaufsätzen, reich verzierte Schreibzeuge, auch einzelne
Früchte, Fische, Vögel und andere Thiere in natürlichen Farben
glasirt.

Später entstanden noch Fabriken in Forli, Bologna, Ravenna,
Ferrara, Corfu, Antwerpen, wohin namentlich Arbeiter aus Ur- j
bino ausgewandert waren.

Gehen wir nun zu unsern abgebildeten Gegenständen über.

Wir haben hier ein reizendes Salzfaß aus der Fabrik j
Urbino. Die höchst elegante Form desselben zeigt, daß es einen
Theil zu einem größer» Tafelaufsätze bildete. Es ist schiffartig,
der Vorder- und Hintertheil wird durch Widderköpfe gebildet, auf j
welchem nackte Knaben reiten, große Muscheln für Gewürze in den j

Händen haltend. Die mäßig vertiefte ovale Schale in der Mitte,
mit dem Wappen des früheren Besitzers und eigentlichen Bestellers

geschmückt, ist zur Aufnahme des Salzes bestimmt und wird durch
je ein Maskaron an den Längenseiten als eine Art Handhabe
glücklich mit dem sich ausweitenden Bauche des schiffartigen Ge-
fäßes verbunden. Die nothwendig dadurch entstandene Kehlung
zieren 4 Fische auf dunkelgrünem Grunde. In den vier kleinen
Seitenfeldern der Bauchung, welche mit Voluten umrahmt und da-
durch getrennt wird, sehen wir auf demselben dunkelgrünen Grunde
gleichfalls vier eilig dahinschwebende und Tuch und Schalen auf
ihren Händen tragende Genien. Das Ganze ist vielfarbig und
namentlich der figürliche Theil mit einer gewissen Bravour und
flott hingemalt, und jedenfalls besser ausgeführt, als die plastischen
Knabenfiguren mit den Muscheln, wiewohl die Anordnung des
ganzen Gefäßes den Töpfer als einen tüchtig geschulten Meister
in seinem Fache zeigt.

Das andere Stück ist ein kleiner Teller mit einem 2" breiten
Rande, ziemlich vertieft. Der Rand hat einen tiefblauen Grund,
auf welchem sich farbige Arabesken, Blattwerk, Füllhörner mit
Früchten u. s. w. befinden. Lichtblau, weiß, grün und braun
bilden hier die Farbentöne, welche in ihrer Abwechslung in eine
prächtige harmonische Stimmung gebracht sind. In der Tiefung
sehen wir in einer etwas sehr flüchtig gehaltenen Landschaft einen
geflügelten Amor mit Pfeil sitzend, flott gezeichnet.

Die Rückseite zeigt einfache, sich doppelt nach unten absetzende
blaue Blattstreifen auf weißem Grunde, den braune Striche und
Punkte ausfüllen. Als Marke der Fabrik zeigt sich ein Dreizack,
rechts davon ein kleiner Kreis, beide in blauem Contur. Diese
italienische Fabrik ist unbekannt. Eine ähnliche Marke, nur die
drei Zacken mehr rundlich, und den Stiel etwas seitwärts gebogen,
hat die Fabrik Urbino und werden die mit letzterer Marke bezeich-
neten Gegenstände dem Maestro Giorgio zugeschrieben.

Chronik des Vereins.

Es wurde im vergangenen Hefte schon erwähnt, daß sich hie-
sige Gelehrte und Künstler erboten, für die Mitglieder des Kunst-
gewerbevereins in diesem Winter Vorlesungen zu halten. Folgende
Herren haben bisher ihre Vorträge gehalten: Am 30. Nov. Hr.
Professor I)r. Max Haushofer: lieber die Verschiedenheiten im Er-
folge menschlicher Arbeit. Am 14. Dez. Hr. Baubeamte Degen:
Ueber Geschichte der Stylentwicklung. Am 28. Dez. Hr. Professor
Ernst Fischer: Ueber die Bedeutsamkeit der geometrischen Formen
und des geometrischen Zeichnens im Kunstgewerbe. Am 11. Jan. 1870:
Hr. Dr. Lichtenstein: Ueber die erfinderische Thätigkeit des Kunst-
handwerkers. Am 25. Januar Hr. Dr. Ernst Förster: Ueber
italienische Kunst und Künstler.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Heft I. Blatt 1. Ein Straußenei als Trinkgefäß von Franz Seitz.
Blatt 2. Entwurf von 2 Mustern für ein Schachtischplättchen
mit eingelegter Arbeit für Elfenbein und Ebenholz von Adolph
Seder. Das oben befindliche Ornament ist in Weiß und
Schwarz gedacht, das seitwärts befindliche in Ebenholz und in
roth gebeizten und weißem Elfenbein ; das Schachbrett in weiß
und roth. Das Schraffirte ist roth, das Schattirte ist gravirt
und schwarz eingelassen.

Der Durchmesser — dem Radius der wirklichen Größe.

Heft 1l. Blatt 1. Entwürfe für Holzschnitzarbeiten von F. Barth.
Diese Gegenstände sind aus hartem Holz zu schnitzen; bei dem
Teller ist zu bemerken, daß der Rand desselben erst zu Poli-
ren und der Grund der Ornamente herauszuheben ist. Die
spachtelförmige Klinge des Buttermessers kann so, wie es auf
der Zeichnung zu sehen ist, profilirt werden, wodurch beim
Ueberstreichen des Brodes mit Butter dieses schuppenartig ver-
ziert werden kann. Die dritte Vorlage ist ein Zündhölzchen-
behälter.

Blatt 2. Majoliken aus dem Nationalmuseum. Beschreibung
siehe oben.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von Dr. Lichten st ein. — Kgl. Hosbuchdruckerci von Dr. C. Wolf & Sohn.
 
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