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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 20.1870

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Kuhn, ...: Wirkerei und Gobelins, [3]
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W. H. Riehl über die Kunststadt München
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9147#0040
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sehr erfreulichen Aufschwünge begriffen ist. Ihre neuesten Fabrikate
sind wirklich Bilder, so daß dieselben bei der großen Welt-Jndustrie-
Ausstellung des Jahres 1867 unter allen derartigen Geweben mit
Recht den ersten Rang einnahmen. Vor allem glänzte dort die
Ausführung der himmlischen und irdischen Liebe nach Titian; in
dieser Copie des Oelgemäldes war mit wunderbarer Wahl der
Farben ein hoher Reichthum an Kraft und Farben entwickelt neben
einer ungemeinen Zartheit der Töne in den Gestalten. Freilich
entsteht hier die Frage, ob es denn wirklich auch Aufgabe der
Wirkerei ist, mit dem Oelgemälde zu concurriren? Ich glaube
schon deshalb nicht, weil ja doch der Zweck der Gobelins zunächst
Wanddekoration ist und ihr hervorragender Bortheil darin besteht,
für gewisse feierliche Momente und festliche Gelegenheiten den zu
Gebote stehenden Raum in ein Prachtlocal zu verwandeln. Schon mit
Rücksichtnahme auf diese beiden Puncte muß man seine Ansicht da-
hin aussprechen, daß solche Gewebe, die als Copie weit theuerer
als die Originale zu stehen kommen, in ihrer Eigenschaft einer
Wanddekoration der heutigen Wohnung nicht mehr angemessen sei
und wegen der zu hohen Herstellungskosten keinen Boden im Volke
fassen können, sondern immer eine Luxusindustrie bleiben, die ohne
bedeutende Staatsunterstützung sich nicht halten kann, wie es bei
der Gobelinmanufactur München sich wiederholt zeigte.

W. H. Niehl über die Kunststadt München.

Dem vortrefflichen Vortrag, welchen Hr. Professor Riehl in
unserem Verein über die deutschen Kunststädte hielt und welcher
in der Beilage der Allgemeinen Zeitung (Nr 159 und 160) ab-
gedruckt wurde, entnehmen wir folgende Stelle über München:

München liegt im Vorlande der Alpen, und die Münchener
Landschaftsmalerei verdankt der Gunst dieser Lage ihre besten Cha-
rakterzüge. München liegt an der Straße nach Italien, und die
Münchener Sculptnr des sechzehnten Jahrhunderts, wie die Cor-
nelianische Malerschule des neunzehnten beweisen, wie entscheidend
der Zug dieses Weges geworden ist. Das oberbayerische Gebirgs-
volk übt naiv und von altersher mehr Kunst in Malerei und Schnitzerei,
Volksgesang und Volkstheater als irgend ein anderer deutscher
Stamm. Wer diese volksthümliche Kunst in ihrer hundertfachen
Verästelung eingehend verfolgt, dem däucht zuletzt das Entstehen
einer Kunststadt auf solchem Boden fast eine ethnographische Noth-
wendigkeit.

Es ist ganz falsch die überragende Kunstpflege in München
erst von König Ludwig I. zu datiren. Sie geht vielmehr auf
Herzog Albrecht Y. im 16. Jahrhundert zurück. Die Sammlungen
und Bauten dieses Fürsten und seiner nächsten Nachfolger gaben
der Kunststadt ihre ältere Physiognomie. Die Erzbildnerei und
das Kunsthandwerk wurden hier in jenen Zeiten geradezu epoche-
machend, und als Hefner-Alteneck unlängst den Ruhm der orna-
mentalen Plastik der deutschen Renaissance gegen die einseitigen
Ansprüche der Franzosen rettete, nahm er seine besten Beweise aus
der vergessenen Schatzkammer jenes alten Münchener Künstgewer-
bes. Auf Grund dieser Thatsachen zählt München zu den ältesten
deutschen Kunststädten moderner Art. Augsburg und Nürnberg —
damals noch tveit kunstmächtiger als München — gaben zu der-
selben Zeit des 16. Jahrhunderts noch das vollendete Bild mittel-
alterlicher Kunststädte, wo München bereits den Typus der modernen
Kunststadt zeigte.

Nicht auf neuen Boden gründete darum König Ludwig I. sein
neues München: er knüpfte mit seiner epocheniachenden Künstpflege

an niemals ganz erstorbene örtliche Traditionen. Die allgemeine
Lage war anders geworden als im 16. Jahrhundert, sie war gün-
stiger für den künstlerischen Beruf der Stadt. München wurde die
Hauptstadt eines Mittelstaates, welcher die idealen Interessen der
Kunst und Wissenschaft Pflegen muß, weil er nicht auf eigene
Faust große Politik treiben kann und doch durch einen selbständigen
Beruf sich legitimiren will. Die Stadt war eine Kunststadt bevor
sie den Anlauf zur Großstadt nahm, die Kunstepoche König
Ludwigs I. ging auch dem modernen Aufblühen der Industrie und
des Gewerbes voran. Zur nachfolgenden Pflege des Kunsthand-
werkes bot dann aber München wiederum ein Material, wie es sich
in der Welt nicht zum zweitenmal findet. Ich meine das National-
museum König Maximilians II. Nur in der Hauptstadt Bayerns
konnte eine solche Sammlung binnen weniger Jahre geschaffen
werden, weil nur hier die Erbschaft des alten kunstsinnigen Hofes,
der größten mittelalterlichen Kunstgewerbestädte Oberdeutschlands
und dann so vieler reichen Klöster und Kirchen zusammengeflossen
war, und vor Zerstreuung und Zerstörung sicher im Verborgenen
ruhte.

Das alles erklärt den natürlichen und nothwendigen Berus
Münchens zur Kunststadt.

Und dennoch begreife ich, daß auch der feinere Beobachter
manchmal irre werden kann an diesem Beruf. Er vermißt einiges,
was sich in zwei Sätzen andeuten läßt.

Der Münchener Kunsthandel war bis gegen die neueste Zeit
unbedeutend; er stand weit unter dem Niveau der idealen künst-
lerischen Geltung des Ortes. Nun hat der Vertrieb von Kunst-
werken nach außen gegenwärtig allerdings eine bessere Organisation
und einen tüchtigen Aufschwung genommen. Der Absatz in der
Stadt aber blieb doch geringfügig. Dieß drückt vorab auf das
Knnstgewerbe, und neben den vielen öffentlichen Monumentalbauten
stört der Mangel knnstgeschmückter Privatbauten das Gesammtbild
der Kunststadt, und erweckt bei dem Fremden den Verdacht, als
seien auch jene öffentlichen Kunstlverke vielmehr officielle, auf aller-
höchsten Befehl entstanden und nicht aus dem inneren Bedürfnisse
des Ortes erwachsen. Wir wünschen, daß diesem Mißverhältniß
ans dem einzig ausgiebigem Wege, durch die Einwanderung recht
vieler Millionäre, abgeholfen werde.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Heft 7. Blatt 1. Wandbrunnen aus Stein und Bronze von F.
Widnmann.

Blatt 2. Fenstervorhang von Mecklenburg.

Auf grünem Grunde liegen hellgelbe Kreise mit dunkelgelben
Ornamenten. Die Kreisfüllungen sind dunkelgelb mit grünem Or-
nament. Kleine hellgelbe Kreise mit schwarzen Punkten verbinden
die großen Kreise. Auf dem grünen Grunde liegt rothbraunes
Ornament.. Die Einfassungsborduren sind hellgelb mit schwarzem
Zackenornamente und dunkelbraun mit gelben Punkten. Die breite
untere Bordüre ist gelb mit grünen Blättern und schwarzem Zacken-
ornamente; die Randborduren daselbst gelb und tief dunkelbraun,
die Franzen goldgelb mit schwarzer oder brauner Zeichnung. Die
die Falten andeutenden Linien sind dunkelbraun.

Heft 8. Blatt 1. Stockgriffe aus Elfenbein von F. Widnmann.

Blatt 2. Bücherschrank, entworfen von Ad. Seder, in Eichenholz
ausgeführt für die außerordentliche Verloosung im Jahre 1869
von Hummel in München.

Äiedigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsansschusses von Vr. Lichtenstein. — Kgl. Hosbuchdruckerei von Or. C. Wolf & Sohn.
 
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