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Zeitschrift

des

Kunst-Gewerbe-Vereins.

Zwanzigster Jahrgang.

München._ m 9 # 8. 1870.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Knnstbeilagen. Die Bereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. ZmBuch-
Handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. —• 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. StändigeJnserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Wirkerei und Gobelins.

Vortrag von Prof. Kuhn, Conservator des bayr. Nationalmuseums.

(Schluß.)

Nachdem die Manufactur mehrfach ihren Platz gewechselt hatte,
— so war man von der Trinite zu dein Jesuitenprofeßhause, von
da in das Palais des Tournelles, von da an die Place royale, ja selbst
in den Louvre übergesiedelt — wurde die flandrische Manufactur
unter Ludwig XIII. (1630) in das Haus der Familie Gobelins,
welche schon seit dem 15. Jahrhundert hier saß, verlegt, wo sie
heutzutage noch ist. Später entstanden noch Etablisseinents in der
Savonnerie, Beauvais u. a. O.

Ich muß hier bemerken, daß die Savonnerie schon unter
Heinrich IV. durch Johann Sortier oder Pierre Dupont zu Chaillot
1604 gegründet wurde, aber nur zur Fabrikation von Fußteppichen
und Meubelstoffen ä la fagon de Ferse et Turquie diente. Ihre
Benennung bekam sie von einer Seifensiederei, in welcher man ein
Lokal für diese Manufaktur eingerichtet hatte.

Für diese Wirkereien sah man von Darstellungen historischer
und landschaftlicher Art ab und begnügte sich blos mit dem Ein-
websel von Blumen, Vögeln, Wild und andern Ornamenten. Seit
1825 wurde die Savonnerie mit der Gobelinmanufactur vereinigt.
Ihre Producte sind wahre Prachtexemplare und werden wegen der
Feinheit und Dichtheit des Gewebes und der Gleichmäßigkeit der
Schur theuerer gezahlt als die Originalerzeugnisse Persiens und der
Türkei. Manches Stück über 150,000 Franken. An einem Tep-
piche von 12 Quadratmeter Umfang arbeiten 7—8 Weber 7—8
Jahre.

Die Scheerungsfäden stehen auch hier wie bei den Gobelins
senkrecht, aber während der Gobelinweber den Carton hinter sich
hat und auf der verkehrten Seite arbeitet, hat der Fußteppichweber
die Musterzeichnung über sich und sitzt an der rechten Seite.
Der Teppicharbeiter wirkt sowie der Sammtweber Nadeln mit hin-
ein, die von der Dicke eines Strohhalmes und an einem Ende flach
und scharf sind. Zieht er sie heraus, so schneiden sie die Fäden
des Einschlags auf und machen Plüsch, der dann mit einer
Scheere gleich geschoren wird. Abgesehen von der Schwierigkeit,
den rauhen Plüsch so fein zu arbeiten wie in den glatten Gobelins,
besteht noch eine weitere Schwierigkeit darin, daß der Arbeiter nicht
eher sieht, was er gemacht hat, bis es ausgeschnitten ist. Solange
die Nadeln darin und die Maschen geschlossen sind, kann er niemals
bestimmt sehen, was die Stelle, wo er arbeitet, im ausgeschnittenen
Plüsch zeigen wird. Er richtet sich nur ähnlich wie der Bildhauer
nach kleinen Vierecken, welche die einander durchschneidenden punc-
tirten Linien bilden, womit er die Originalzeichnung überzieht, bevor
er an die Arbeit geht. Diese Punctirten Linien sind in der aus
bunten Fäden bestehenden Scheerung durch entsprechende Weißfäden
"»gegeben, mittelst welcher es möglich wird, die Flächenmasse jedes
Viereckchens der Modellzeitung nachzukopiren.

Zur Zeit der Uebersiedlung der flandrischen Teppichmanufaktur
in die „Gobelins" bestanden in Paris allein 4 solcher Etablisseinents,
nemlich jenes der Gobelins, das des „Fauburg Saint Germain",
dann ein solches in den Tuilerien und noch eines im Louvre.

Im I. 1662 vereinigte Ludwig XIV. auf den Antrag seines
Ministers Colbert sämmtliche in Paris zerstreut gewesene Arbeiter,
welche für den König beschäftigt waren, in den „Gobelins". Man
nannte das Etablissement jetzt: „Königliche Manufactur der
Kron-Meubel" und gesellte den Stickern, Teppich- und Kunst-
webern auch noch die Goldschmiede, Kunstschreiner, Graveure, Stein-
schneider, Gießer und Färber bei.

Der erste Hofmaler des Königs, Lebrun, wurde Director,
und außer ihm fertigten noch der Schlachtenmaler vanderMeulen,
die Blumenmaler Monn oh er und Fönten ah, der Thiermaler
Boels, die Ornamentenmaler Anguier und Francart die nö-
thigcn Cartons.

Ich verfolge nun die Geschichte der Gobelinsmanufactur in
Paris nicht weiter, um die erfreuliche Thatsache zu constatiren, daß
dieser Kunstindustriezweig neben zahlreichen andern Arten in Deutsch-
land, auch in unserm engern Vaterlande, Bayern,, eifrige Pflege
fand, obwohl wir diese Thatsache bei keinem Autor angeführt sehen,
welcher über diese und ähnliche Industriezweige geschrieben hat.

Ich habe schon oben erwähnt, wie auch unsere deutschen,
bayerischen Klöster dieser Kunstindustrie nicht fremd waren und habe
mich sogar speciell auf eine sehr schöne Weberei mit dem Mono-
gramme der Klosterfrau aus einem fränkischen Kloster beziehen
können.

Das B. Nationalmuscum besitzt noch eine ziemliche Anzahl
solcher kleiner Teppiche, welche wahrscheinlich als Antependien ge-
dient haben und da sie aus den verschiedenen Provinzen unseres
Vaterlandes stammen, so sind wir auch zu dem Schlüsse der all-
seitigen Fabrikation vollkommen berechtigt, um so mehr, als eine
bestimmte Fabrik in dieser Zeit nicht bekannt ist.

Allerdings bricht im 16. Jahrhundert, wie überhaupt gegen
die Kirche, so auch gegen das Klosterleben der Sturm der Refor-
mation herein und wir stnden bei der total veränderten Le-
bens- und kirchlichen Anschauung der neuen Aera, daß auch
das Interesse für speciell kirchliche Zwecke mehr und mehr schwin-
det. Es ist somit natürlich, daß wir hier auf einen sehr bemerk-
baren Stillstand in der Verfertigung von Wirkereien jetzt stoßen;
zumal sich auch noch die Straminstickerei für kirchliche Utensilien
und Gewänder einbürgert, wenigstens mehr vordrängt,*) und mit
dem 17. Jahrhundert werden Handarbeiten zu Vorhängen, Teppiche
für kirchliche Zwecke noch seltener.

*) Nach liturgischen Vorschriften war diese Arbeit verboten: „Panna-
holoserica et subserica non est lana facta“, alfo seidene und halb-
seidene Gewänder durften vom Priester am Altar benützt werden.
Nur die Franziskaner hatten die besondere Jndulgenz, kirchliche
Gewänder aus Wolle zu tragen.
 
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