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Aber die Prachtliebe, welche im 16. Jahrhunderte an den
Höfen der Fürsten erwacht war, bildete einen mehr als entsprechen-
den Ersatz. Wir haben schon oben der fürstlichen Liebhabereien
des Papstes Leo X., des Königs Franz I. von Frankreich gedacht,
ebenso ging es am spanischen und kaiserlichen Hofe. Unser Herzog
Wilhelm IV. hatte vom Papste die herrlichen Arrazzi im Stiegen-
hause unseres Nationalmuseums und jene aus der Apostelgeschichte
in den 3 ersten Sälen der Renaissanceabtheilung zum Geschenke j
erhalten. Sein Vetter, der kunst- und prachtliebende Pfalzgraf
Otto Heinrich von Neuburg, der im Jahre 1521 mit „Bonaventura
von Breitenbach, Philipp Vlaet von Dieburg, Wilhelm Georg von
Leonrot, Ber von Hirnheim, Engelhart von Hirschhorn Ritter,
Georg von Wending Ritter, Leinhart von Neuneck Ritter, und
Georg Graf zu zweien Bruck Herr zu Bitsch" eine Pilgerfahrt
nach Jerusalem unternommen, ließ später vom Maler Mathias
Gerung von Nördlin gen eine Zusammenstellung der hl. Stätten
entwerfen und nach diesem Carton eine große Hautelißtapete mit
der Unterschrift: „Der durchleuehtig hochgcborne Fürst und
her Ott hainrich pfalcgraf bei rein herezog in nidern und
obern bairn zöge überm mer gein jerusalem zum heiligen grab
im Jar nach der gebürt Christi 1521“, in der Stadt Lauingen
wirken.

Es scheint, daß der Pfalzgraf Ottheinrich selbst diese Fabrik
gründete; leider fehlen genauere Nachrichten über diese in Lauingen
bestandene Fabrik, welche sehr schöne Arbeiten für das pfalzgräfliche
Schloß zu Neuburg a/Donau lieferte. Eben daher stammen auch
die 3 schönen genealogischen Teppiche, welche nebst dem obigen im
4. Saale der Renaissaneeabtheilung hängen (leider daß der vierte
dieser genealogischen Teppiche in Privatbesitz übergegangen). Ma-
thias Gerung fertigte auch zu diesen Tapeten die Cärtons. Die
Teppiche sind nach den auf ihnen vorkommenden Jahreszahlen von
1540—1547 gemacht und tragen in der Bordüre den verschlun-
genen Namenszug Ottheinrichs und seiner Gemahlin Susanna 088
auf der einen Langseite, ans der andern die Anfangsbuchstaben
seines Wahlspruchs MDZ „Mit der Zeit".

Ottheinrich, der ein die Kunst und Wissenschaft liebender
Fürst war, wie im Nationalmuseum das Epitaph von Peter Bischer,
der große Kessel in Neuburg, von Sebald Hirder in Neubnrg, und
die dortigen Bronzestatuetten, sowie die Mehrung der Heidelberger
Bibliothek, welche er zur ersten europäischen Büchersammlnng machte,
beweisen, starb 1559 und scheint mit seinem Tode die Lauinger
Fabrik auch ihr Ende erreicht zu haben.

Durch die seit mehreren Jahren in Gang gekommenen Forsch-
ungen auf dem archäologischen Gebiete stellt sich immer mehr her-
aus, wie unsere bayerischen Fürsten sich auf das Lebendigste und
mit Aufwand von sehr bedeutenden Mitteln an der Förderung und
Pflege der Kunst und Kunstindustrie, sowie des Kunstgewerbes be-
thätigt haben.

Ich übergehe den prachtliebenden Herzog Albrecht V., der
wegen der sehr bedeutenden Summen für diese fürstliche Liebhaberei
allerdings mit seinen Ständen beständig in Hader lag, und seinen
Sohn Wilhelm V., da sich für diese Herrscher auf einem andern
Gebiete später Gelegenheit hiezu bieten wird, und wende mich zu
dem großen Kurfürsten Maximilian I., weil er es war, der in
München eine Hautelissewirkerei errichtete.

Wir wissen, daß Herzog Maximilian I. kurz nach seinem Re-
gierungsantritte schon im I. 1598 den Bau einer neuen Residenz
neben der durch Brand beschädigten Albertinischen Beste in Angriff
nahm. Es ist dieses der Flügel, welcher die Hofkapelle und den
Grottenhof einschließt und bis zum Königsbaue sich erstreckt. Im
Jahre 1603 war der Bau fertig und sämmtliche Gemächer sollten
als Wandzier flandrische Tapeten erhalten. Er schickte deshalb
1603 den Hofcontrolor Caspar Fraißlich nach den Niederlan-
den, um solche Tapeten zu kaufen. Fraißlich brachte 2 große Ta-
peten, „die Geschichte des Herkules und die des Cadmus"
mit; jene in 8 Stücken zu 699 Brabanter Ellen ä 3 '/4 Philipps-

Thaler, diese in 498 Brabanter Ellen ä 4 Philippsthaler. Dazu
gehörten noch Boscaglia oder Laubwerk in 632 Ellen ä 1 ’/4 Thaler
und 2 gute Batzen. Eine zweite Folge aus dem Mythus des
Herkules wurde von Johann van der Goes in Venedig an-
gekauft, 441 Ellen groß um 1433'/, Thaler.

Der Herzog bestellte sich in den Niederlanden noch andere Ta-
peten, so die Geschichte des Hannibal (imBayerischen Museum)
in 7 Stücken, die Elle zu 5 Thaler, die Mythen der Diana
und des Eudymion nach Rubens 8 Stück, ä Elle 8 fl. 40 kr.,
dann der Venus und Adonis nach Nicolaus de Bruyn in 8
Stücken ä Elle 5‘/s Thaler, und andere mehr, die ich später in
einem eigenen Vortrage berühren werde.

Jakob Fraißlich brachte auf seiner Rückreise nach den Nieder-
landen auch 3 Tapetenwirker mit, da er glaubte, man käme billiger
dazu, in München eine eigene Fabrik zu errichten, indem es an den
nöthigen Künstlerkräften für Cartons nicht fehle. Der Herzog ging
auf den Vorschlag ein und noch im Jahre 1603 erhielten die be-
rufenen Werkmeister Delibet, Kannenthal und Dietrich
Wontcrs den Auftrag, Stühle anzuschaffen.

1604 kam Hans van der Biest, der des Webens und des
Färbens der Wolle und Seide vollkommen kundig sein wollte. Aber
er war nur ein Schuster und machte viele mißlungene Versuche.
Er erhielt als Tapezierermeister 600 fl. und andere Emolumente.

Delibet, Kannenthal und Wouters intriguirten gegen ihn; van
der Biest verschrieb neue Arbeiter aus den Niederlanden und nun
ging dieArbeit lustig von Statten. Peter Candid machte die
Cartons. Die erste große Arbeit war die Darstellung aus der
Ottonischen Geschichte, doppelt in Seide nnd Gold. Im Jahre
1606 wurden wiederholte Jntriguen von Delibet abgeschlagen.

Dem Herzog ging indeß die Arbeit immer noch zu langsam
vorwärts, aber van der Biest wußte ihn für die Sache dadurch
warm zu erhalten, daß er ihm vorrechnete, wie die Elle Wirkerei
loco München doch nur auf 31 fl. 49 kr. zu stehen komme, während
man in Brüssel 50—60 fl. dafür gebe. Biest drang mit seiner
Ansicht durch und wiederholt wurden frische Arbeiter aus den Nie-
derlanden verschrieben, so daß Ende des Jahres 1608 neunzehn
Gesellen und ein Lehrjunge in der Manufaetur arbeiteten.

Trotzdem war die Ungeduld des Herzogs nicht zu befriedigen
und ein entlassener Arbeiter Namens Hermann Rabe erregte 1610
einen neuen Sturm gegen den Tapezierermeister, welchen derselbe
doch schlau abzuschlagen verstand und von seinem fürstlichen Herrn
nur den Auftrag erhielt, schönere und frischere Farben für die Ge-
sichter der Personen zu wählen. Im I. 1611 erhielt van der
Biest in Hans van der Bosch einen Mitmeister und wurde selbst
später entlassen, allein kurz darauf wieder angestellt; es wurde ihm
jedoch bedeutet, „nicht mehr hineinzumalen". Dadurch haben wir
einen Beleg, daß man auch damals in der Praxis zu dem schon
weit früher gebrauchten Mittel griff, die Lebhaftigkeit der Töne
bei einer minder gut gefärbten Wolle oder Seide durch den Pinsel
zu ersetzen.

Indeß genügte diese rührige Thütigkeit dem Herzog Maximi-
lian I. noch nicht und wir besitzen Nachweise, daß im Jahre 1614
Marcus Co maus in Paris, derselbe, welchen König Heinrich III.
aus Flandern für die Fabrik in der Trinite hatte kommen lassen,
eine Bestellung auf Tapeten im Werthe von 1629 fl. vom Herzog
erhielt, da seine vorgelegten Muster den vollsten Beifall des Fürsten
fanden. Mit dem Jahre 1615 waren die Hauteliffen in der Fabrik
München vollendet, die Gesellen erhielten nach und nach ihren Ab-
schied und mit dem Jahre 1616 wurde die Manufaetur geschlossen,
jedoch dem Biest und Bosch noch Aufträge für 12 Tapeten gege-
ben, welche in Brabant gewirkt werden sollten. Der Grund hiefür
scheint in dem Umstande gelegen zu sein, daß man mit der so sehr
privilegirten und subventionirten Pariser Fabrik nicht länger mehr
concurriren konnte. Daß aber die Münchener Fabrik blühend war,
beweisen die 37 Arbeiter, welche sie beschäftigte, und daß ihre Er-
zeugnisse mit den besten in den ausländischen Manufacturen wett-
 
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