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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 20.1870

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Miller, Friedrich: Email auf Metall: und dessen Anwendung im modernen Kunsthandwerk
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Etwas über Kunstschreiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.9147#0049
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dem Unschönen zu unterscheiden, und so lange etwa die bunte
Lack- oder Mastix-Farbe in seinen Augen denselben Werth wie das
Jahrhunderte überdauernde Email hat. Ich kann gerade darum
auch nicht schließen, ohne ans einen Schatz hinzuweisen, der leider
unbenützt hinter eisernen Thüren liegt, der besser ausgenützt gewiß
seine reichen Zinsen tragen könnte. — Ich meine jenen Schatz an
wunderbaren Gefäßen und Emailen der bayerischen Schatzkammer
und der reichen Kapelle in München, davon meines Wissens kaum
eine der vielgerühmten Sammlungen in Florenz, London und Paris
Trefflicheres besitzt.

In französischen Werken müssen wir die Arbeiten erst studiren, die,
Dank dem Kunstsinn bayerischer Fürsten, unsere Vorfahren geschaffen.

Möchte doch auch auf sie das hohe königliche Wort:

„Meinem Volk zu Ehr und Vorbild"
seine Anwendung finden, und mit dem Bewußtsein dessen, was
unsere Vorfahren geleistet, die Lust erwachen, es ihnen gleich zu
thun in Kunst und Ausnützung der eigenen Kraft.

Etwas für Kunstschreiner.

Als ein viel billigerer und praktischerer Ersatz für die früher
vielfach angewendeten Holzeinlagen werden in letzter Zeit vielfach
in das Holz vertiefte (gravirte) Ornamente angewendet, welche den
Bortheil° haben, daß dieselben auf hnassiven Hölzern angewendet
werden können und nicht wie die Einlagen fonrnirt zu werden 1
brauchen. Dieselben sind am Geeignetsten zum Verzieren von Füll-
ungen an Thüren, Schiebladen, an Rückwänden von Buffets; sie
sind überhaupt an glatten Flächen, an welchen man erhabene Bild-
hauerarbeit ersparen will, anwendbar. Die Zeichnung dazu wird
am Besten in der Weise gemacht, daß eine bestimmte geradlinige
Form sich in der Mitte der Ornaments befindet, von wo sich die
Stengel und Blätter in feineren Linien ausbreiten.

Die einfachste Ausführung derselben geschieht mit dem Gaisfuß
und eignet sich am Besten zum Vergolden der Gravirungen; schöner
ist es jedoch, die Conturen ganz senkrecht in das Holz zu vertiefen
und dann die Ornamente ganz flach zu modelliren; freilich muß
man bei der Zeichnung von vornherein auf die Ausführung bedacht
sein. Sobald die Gravirung fertig ist, wird das Ornament mit
einer beliebigen Lackfarbe (meistens schwarz) ausgefaßt, sodann die
Oberfläche wieder abgezogen, um die reine Contur der Ornamente
wieder herzustcllen.

Am Besten eignet sich diese Manier zum Verzieren von Möbeln
aus mattem Naturnußholz mit schwarzen Leisten, die einfachere
Gravirung mit dem Gaisfuß jedoch besser zu Möbeln in schwarz-
gebeiztem, polirteni oder auch mattirtem Holze mit Goldlinien.
Hofschreiner Anton Pössenbacher wendet diese Manier seit 4 Jahren
mit bestem Erfolge an.

Wir bringen im Interesse der ans Frankreich ausgewiesenen
deutschen Arbeiter und im Interesse der Arbeitgeber sowohl einen
von München als einen von Berlin ausgehenden Aufruf zur Un-
terstützung jener Arbeiter.

1. Aufruf.

Die französische Regierung hat durch die Vertreibung der
Deutschen aus ihren Grenzen in einer an längst vergangene Jahr-
hunderte erinnernden Härte das internationale Rechtsbewußtsein
Europas schwer verletzt.

Diese — eines auf seine civilisatorische Mission pochenden
Volkes so ganz und gar unwürdige— Aeußerung moderner Staats-
weisheit trifft selbstverständlich schwer die vielen Arbeiter und Un-
ternehmer deutscher Abstammung in Frankreich und damit gerade
jenen Theil der gewerblichen und industriellen Bevölkerung, dessen
geistiger Ueberlegenheit, dessen eisernem Fleiße parallel mit der
dem Deutschen eigenen Geschicklichkeit Frankreich seit Jahren seine
Superiorität in einer Menge von Erzeugnissen auf dem Welt-
märkte mit verdankt.

Wir erkennen und begrüßen in diesen Tausenden von deutschen
Flüchtlingen, wie sie jetzt täglich die schweizerischen und belgischen
Lande durcheilen, nicht nur die stammverwandten Brüder, welche
Anspruch ans unsere Theilnahme in Wort und That haben, nein,
wir erblicken in ihnen auch ganz besonders die Männer, deren in-
dustrielle Qualifikation eine Gewähr für die Gründung neuer Ge-
werbszweige, für die Verbesserung mancher bestehenden bilden wird,
mit einem Worte, Männer, deren Rückkehr nach Deutschland viel-
leicht mit einer neueren Periode der deutschen Industrie identificirt
werden kann. Jede Förderung der Niederlassung dieser Stammes-
genossen, die nun dem undankbaren Lande, das augenblicklich in
dem argen Wirrniß seiner Lage die Wirkungen der getroffenen un-
huinanen Maßregel nicht ermißt, den Rücken kehren, ist also nicht
bloß ein gebotener Act nationaler Wohlthätigkeit, sie ist zugleich
eine kulturhistorisch nationale That, deren Früchte, wenn auch nicht
wir, so doch wenigstens unsere Nachkommen zu ernten vermögen.
Die Weltgeschichte ist freigebig mit Beispielen solcher segensreicher,
nationaler Dislocationen; in Jedermanns Erinnerung stehen aber
wohl die Jndustrieplätze Hanau, Pforzheim, Friedrichsdorf, Moabit,
Erlangen re. und viele andere als die sprechenden Folgen einer
ähnlichen Ausweisungs-Decretur Ludwigs XIV.

Von diesen Erwägungen geleitet, glaubten die Unterzeichneten
auch zur praktischen Verwirklichung einer vom Standpunkte der
Humanität lute der Volkswirthschaft aus nationalen Idee beitragen
und dieses damit auf's Wirksamste und zugleich für die schutzbc-
dürftigen Landsleute auf das Entsprechendste bethätigen zu sollen,
daß sie sich entschlossen, ein Central-Nachfrage-Bureau dahier
zu errichten, welches es sich zur ausschließlichen Aufgabe setzen
wird, die Nachfrage nach Arbeitskräften und das Angebot solcher
zu vermitteln und selbstständigen Unternehmern die wünschens-
werthen Winke für Erleichterung der Niederlassung zu geben.

Zur Erreichung dieses Zweckes ist ein Verkehr mit allen Ge-
meinden Bayerns, welche das vorläufige Reiseziel der Vertriebenen
sind, wie andererseits mit den bayerischen Consuln und Agenten
der Länder, durch welche die Flüchtlinge zu passiren Pflegen, in
Aussicht genommen, um möglichst bald zur Kenntniß der Namen,
persönlichen Verhältnisse, Geschnftsbranchen re. der Zurückkehrenden
zu gelangen. Diese Listen wird das Comits sodann vervielfältigen
und an sämmtliche bayerische Organe für Handel und Gewerbe,
die sich ohne Zweifel gründenden Subcomitäs, sowie, was die un-
selbstständigen Arbeiter anbclangt, an jene Industriellen und son-
stigen Unternehmer vertheilen, die bei dem Bureau sich zur An-
nahnie und Verwerthung von Arbeitskräften bereit erklären. Schon
jetzt können wir zu unserer Freude constatiren, daß ein hiesiger
bedeutender Industrieller sich sofort zur Uebernahme einer der bis-
her durchschnittlich von ihm beschäftigten Arbeiter entsprechenden
j gleichen Zghl von Auswanderern erboten hat.

Wir können nur hoffen und wünschen, daß sich diesem Bei-
spiele recht Viele anschließcn und zu diesem Behnfe an das Central-
Comitü (Secretariat der Handels- und Gewerbekammer dahier)
wenden möchten, um so die Verwirklichung der oben gedachten Idee
zu ermöglichen.

München den 29. August 1870.

C. Billin g, Vorsitzender, I. W. B ölst er, für den allgemeinen Ge-
werbeverein; I. Löffler, Fr. X. Heissinger, für den Arbeiter-
Bildungsverein; K. Uhl, für den evangelischen Handwerkerverein;
J.M. Ger deissen, I. C. Weidert, I. Landgraf, Secretär;
für die Handels- und Gewerbekammer für Oberbayern; I. Schmid,
für den katholischen Gesellenverein; O. Schmalix, geheimer Mi-
nisterial-Secretär; Prof. M. Miller, H. Oehlmann, für den
Kunst-Gewerbe-Verein; I. G. Landes, für den landwirthschaft-
lichcn Verein; E. Kester, I. Stroblberger, für den poly-
technischen Verein; C. Hörner, I)r. Adler, für den volkswirth-
schaftlichen Verein.
 
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