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Ebenso bekannt dürfte sein, daß in der späteren Zeit der
griechischen Culturentwicklung über Stühle und Sessel, sowie über
bas Klinon, namentlich in den Wohnungen der Vornehmen, theils
gemusterte, theils künstlich gewirkte Teppiche gebreitet wurden, wie
bas schon bei den Homerischen Helden der Fall war.

So Odyssee I, 130, wo Telemach die Göttin Pallas Athene
bütet, Gastsrenndschaft bei ihm zu genießen.

»Sie dann führt' er zum Thron, und setzt sie, breitend ein Polster,
Schön und kunstreich gewirkt; und ein Schemel stützt ihr die Füße.
Nächst ihr stellt er sich selber den schöngebildeten Sessel."

Und Odyssee VIT, 95, wo uns der Glanz der Wohnung des
Alkinoos beschrieben wird.

"^cssel entlang an der Wand auch reihten sie hiehin und dorthin,

hinein von der Schwelle des Saals und Teppiche ringsum,
8cin und kunstreich gewirkt, bedeckten sie, Werke der Weiber."

In Italien waren es Bie• kunstfertigen Etrusker, bei
benen neben den übrigen Gewerben auch die Weberei eine be-
brütende Stelle einnahm, die anfangs namentlich das Weben der
Eewänder zu den Beschäftigungen der Frauen gehörte (und selbst
bie Königinnen schämten sich dieser Arbeit nicht), später aber sicher
von Handwerkern geübt wurde. So haben wir aus Plinius (V III, 195)
die Nachricht, daß die Römer ihre Prachtkleider, namentlich die
Toga praetexta und auch die goldgestickten und buntgewirkten Ge-
wänder von Etrurien bezogen.

Nach der Unterwerfung asiatischer Länder trägt sich auch der
Lnrus an Teppichen nach Rom über und wir wissen aus Cicero (in
Verrem IV 12. 27. 28.) von welcher Pracht die Teppiche waren,
Welche der König Attalus von Pergamum (138—133) dem römischen
Volke vermacht und die Berres an sich gebracht hatte, wie er sagte,
um 6500 Sestertien, während sic nach der Behauptung Cicero's um
200,000 Sestertien verkauft werden konnten.

Diese Teppiche (aulaea) waren mit Gold durchwirkt, wie wir
aus Plinius wissen, der geradezu behauptet, daß Attalus die Kunst in
Asien erfunden habe, Gold den Geweben der Kleider beizuwirken.

Plinius irrt sich hier augenscheinlich, wenn er die Erfindung
dieser Technik der Wirkerei mit Goldfäden dem Könige Attalus zu-
schreibt, da diese Kunst in Kleinasien schon in uralter Zeit blühte;
aber es ging damals, wie es sich später auch zeigte, daß eine Tech-
nik Jahrhunderte lang nicht mehr geübt wurde, und später erst
wieder in Aufnahme kam.

llebrigcns ist die obenangezogenc Stelle des Plinius zu in-
teressant, als daß wir sie hier nicht geben sollten, zumal wir dar-
aus die Anschauung der Alten über die verschiedene Technik kennen
lernen. „Prachtkleider (trabeae) mit der Nadel zn fertigen, erfanden die
Phrygier, weshalb man sie auch phrygischc nennt. In dieselbe
Gold einzuwirken erfand der König Attalus, weshalb man diese
Attalische heißt. Bunte Farben der Zeichnung einzuweben, machte
vorzüglich Babylon so berühmt, weshalb man diese Art die baby-
lonische heißt. Mit sehr vielen Einschlagfäden*) Gewebe herzu-
stellen, welche polymita (mit Damastmustern) heißen, wandte zuerst
Alexandria an, gewürfelte Muster zu fertigen, (soutmlis ckivickoro)
brachte Gallien in Aufnahme."

Es möchte nun kaum zn bezweifeln sein, daß die Technik,
wollene und seidene Stoffe mit Goldfäden zu durchwirken, später
in Rom, freilich wie wir schon oben nach dem festgehaltenen Prin-
Zipe, die hervorragendsten Handwerker und Künstler der unterjochten
Staaten in die Metropole zu ziehen, angedeutet haben, durch fremde
Arbeiter ausgeübt worden ist. Denn es ist constatirt, daß zu
Zeiten des Imperators Augustus gewirkte Teppiche die Wände,
bche und Ruhebetten der Prunkgemächer der üppig gewordenen
Gmer schmückten, deren Vorliebe für diese Prachtstoffe sich derart
Rx^rte, daß unter dem oströmischen Kaiser Theodosius (379—395)
iwsgen Römer Teppiche arbeiteten.

'üenthümlich erscheint um diese Zeit, daß man nach dem

toobur*'6der Kette sich auf verschiedene Weise öffnen können,
w die verschiedenen Muster im Zeuge entstehen.

Vorgänge der Alten, wie wir aus Herodot von den Umwohnern
des kaspischen Meeres wissen und wie auch durch Philostratus be-
stätigt wird, ja wie wir bezüglich der Christen selbst von Clemens
von Alexandrien erfahren, ich sage, eigenthümlich erscheint, daß
um diese Zeit der Gebrauch der älteren Zeit, nemlich gewirkte
Stoffe, auf denen sich Thiere, Landschaften, Blumen befinden, selbst
als Kleidungsstücke zu tragen, wieder aufkam, natürlich theilweise
mit verändertem und spezifisch christlichen Inhalte.

So klagt der Bischof Amasius von Amasia im 4. Jahrhun-
hundert über die Verkehrtheit seiner Zeit und geißelt namentlich
die Thorheit, welche an die Kunst jener Wirkerei so unsinnige
Summen verschleudert, die mittelst Kette und Einschlag die Malerei
nachahme. „Wenn die Leute, sagt er, in solche gewirkte Stoffe ge-
kleidet, in den Straßen erscheinen, so betrachtet sie der Vorüber-
gehende wie wandelnde Bilder und die Kinder zeigen mit den
Fingern auf sie. Wir sehen da Löwen, Panther, Felsen, Wal-
dungen und Jäger. Die Frommen tragen auf ihren Gewändern
Christus, seine Schüler und die Darstellung seiner Wunder. Da sieht
man die Hochzeit von Kanaan und die Wasserkrüge, deren Inhalt in
Wein verwandelt ist, dort, wie der 30jährige Kranke sein Bett
nimmt, oder Magdalena die Sünderin zu den Füßen Jesu, die
Auferweckung des Lazarus u. s. w."

Nach diesem geschichtlichen Rückblicke gestatten Sie mir, den
gewonnenen Inhalt in einigen Sätzen kurz zusammenzufaffen.

1) Die Grundbedingung für die Stickerei und Weberei bildeten
färbige Malereien auf Geweben.

2) Die Kunstweberei entwickelte sich naturgemäß aus der Stickerei,
obwohl die gewöhnlichen Gewebe zu den ältesten Erzeugnissen des
menschlichen Gewerbfleißes gehören.

3) Ebenso steht fest, daß selbst in späterer Zeit noch die Stickerei
der Kunstweberei sehr häufig zur Seite stand, und jener nament-
lich die Ausführung der unbedeckten Körpertheile, des Gesichtes, des
Halses, der Hände zufiel.*)

In den alten Schriften, welche über Stickerei und Weberei
handeln, begegnen wir deshalb einem doppelten Ausdrucke, um Pro-
dukte dieser Art zu bezeichnen. Sie nennen das eine opus plumarli,
plumetmn, auch opus acu pictum, opus Phrygicum, das andere
opus artificis; jenes die eigentliche Stickerei, dieses die Kunstweberei.
Oesters werden aber auch diese Ausdrücke vermischt gebraucht. Das
opus plumarii ist Stickerei mit Plattstich in Wolle und Seide.
Warum man diese Arbeit opus plumarii nannte, mag daher ge-
kommen sein, daß man in frühester Zeit als erste Zierraten die
Vogelfedern benutzte, oder Zierraten, welche wie diese geformt wa-
ren, wie man ja auch Panzerschuppen in dieser Form piumae
nannte; ebenso wissen wir, wie Weiß in seiner Kostümkunde uns
mittheilt, daß die auf einer oder auf beiden Seiten wollartig auf-
gelockertcn Teppichbehänge, namentlich in der Zeit des gesteigerten
Luxus dicht mit den zartesten Federn besetzt waren. Die Nach-
ahmung dieser im Stickwerk mag diesem ganzen Industriezweige
den Namen gegeben haben. Uebrigens ist es in Indien und China
heutzutage noch Sitte, verschiedenartige Federn auf das Zeug aufzunähen.

4) Es ist unwidersprechbar, daß in der vorchristlichen Zeit
mit Ausnahme weniger Länder und da auch früher die Kunst-
weberei vorzugsweise in den Händen der Frauen lag; endlich

*) Ein schlagendes Beispiel hiefür und zugleich den Beweis, daß sich
diese doppelte Technik selbst noch spät erhalten hat, bildet ein Teppich
aus dem 15. Jahrhundert im Germanischen Museum (G. 107) mit
der Darstellung des Heilandes, auf dem von beiden Seiten her
Schiffe mit geschwellten Segeln Heilige zuführen. Hier sind die
in der Wollenweberei so schwierig zu behandelnden Köpfe gar nicht
eingewebt, sondern die ganze Scene besteht aus Figuren ohne Köpfe.
Diese Köpfe sind erst nachträglich aus feiner Leinwand ausgeschnitten
und mit dem zartesten Gefühl von einem Künstler gezeichnet, auf-
geklebt und aufgenäht. Man hat also hier sehr wohl gefühlt, daß
die Weberei in so kleinem Maßstabe den freien künstlerischen Aus-
druck nicht geben könne, wie die Malerei und hat schon bei Her-
stellung des Gewebes auf deren Mitwirkung gerechnet. Auch die
Stickerei mußte einzelne wenige Theile herausheben. 0t. Katalog
d. germ. Mus.
 
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