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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 22.1872

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Lange, Emil: Charakteristik der Hauspforte, [2]
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6

Aehnlich verlangt auch Juvenal von seinem Freunde, dem so-
eben ein Kind geboren:

„Bekränze festlich die Pforten,

Denn Vater bist Du geworden!"

Wo dagegen derartiger symbolischer Schmuck nicht mehr ge-
nügte, den Vorübergehenden oder Eintretenden von Vorgängen
innerhalb der Behausung in Kenntniß zu setzen, insbesondere, wenn
es galt, den Eintretenden über Zweck und Bestimmung des Bau-
werkes nicht in Zweifel zu lassen, ihm die Gesinnungen des Haus-
herrn von vornherein anzuvertrauen, da treten dann die Sinn-
sprüche, Moralsätze und Begrüßungsverse auf, bald in laconischer
Kürze, bald in blumenreicher Rede dem vorliegenden Gedanken
Ausdruck verleihend.

So las man über der Tempelpforte zu Delphi den bekannten
Moralspruch: „Erkenne Dich selbst". So trug die Thüre des
von Plato gegründeten Gymnasiums in Athen die von Plato selbst
herrührende Inschrift:

„Trete Keiner ein, der nicht in Geometrie bewandert."

Ohne Zweifel ließen diese Verse Dante jene furchtbaren Zei-
len niederschreiben, die er über dem Thor der Hölle •—- am Anfang
des dritten Gesanges seiner göttlichen Comödie stehen läßt:

„Durch mich geht man in die Stadt des Schmerzes,

Durch mich geht man in den ewigen Jammer,

Durch mich geht man zum verlornen Geschlechts,

Entsaget der Hoffnung, die Ihr eintretet."

Im grellen Gegensatz hiezu steht jenes gastfreundliche Wort,
das der Römer als ersten Gruß dem eintretenden Freunde und
Verwandten gleich einer günstigen Vorbedeutung für die Herzlich-
keit des Empfangs an der Pforte entgegen brachte:

„Salve“: „sei gegrüßt", „seiwillkommen", fehlte fast in keinem
römischen Hause, wie es uns die zahlreichen Beispiele in Pompeji
mit Sicherheit annehmen lassen. Bald findet es sich einfach auf
die Mauer geschrieben, bald ist es in Mosaik auf der Thürschwelle
oder als vertiefte Inschrift auf dem anstoßenden Pflaster des Vor-
raumes zu lesen.

In ebenso bündiger Form sind uns nur wenige Begrüßungs-
worte als gebräuchliche Ueberschriften der Pforte bekannt.

Das herzliche „Grüß Gott" an manchen Häusern Thürin-
gens, das freundliche „Willkommen", das bei festlichen Anläs-
sen über die Hauspforte geschrieben wird, und das ermunternde
„Glück ans" an den Einfahrten zu Bergwerken sind wohl die
bekanntesten darunter.

Dagegen treffen wir allenthalben aus alter und neuer Zeit,
im Dorfe wie in der Stadt die Sitte, den Gruß stn Form einer
wohlmeinenden Sentenz dem Eintretenden darzubringen, ähnlich,
wie es die beiden bekannten Verse aussprechen:

„Gott segne dieses Haus
Und die da gehen ein und aus"
und

„Wer hier mein lieber Gast will sein,

Laß Sorgen weg, tret' freudig ein."

Oder es wird der Gruß mehr in Form einer Aufforderung zum
Hereinkommen ausgesprochen, meist noch in Verbindung eines Nach-
satzes, der in naiver Weise dem Eintretenden zur Orientirung über
sein Verhalten im Hause dienen soll.

Besonders bieten die Pforten zu Schenken und Wirthshäusern
eine Fülle von derartigen meist originellen Aufschriften. So lesen
wir an einer oberbayerischen Schenke:

„Sei gegrüßt mein lieber Gast,

Doch nur, wenn Du auch was hast."

In anderer Fassung heißt es dann:

„Wer heunt kommt, zahlt glei,

Wer morgen kommt ist zechfrei."

Eine Variante hiezu lesen wir an einer Weinkneipe im Salz-
burgischen:

„Herein wer Bares zahlt,

Hier leidet man kein Noth
Jedoch wenn dieses fehlt,

Mein Freund, so helf' Dir Gott."

Den unangenehmen Nachsatz entbehrend, zugleich voll poeti-
scher Weihe und richtigem Bezug auf die Situation ist ein über
dem Thorweg des Schlosses Löbenberg bei Meran aufgemalter
Vers, der den müden nach Stärkung lechzenden Wanderer mit
Hoffnung und Freude erfüllt.

Derselbe lautet:

„Tritt ein mein Gast und gönne Dir Ruh
Mein Haus bietet Dach und Stuhl dazu
Auch Küch' und Keller sind nicht versperrt
Für Trunk und Imbiß, Wenns einer begehrt;

Jst's auch kein Wirthshaus, keine Täfern,

Was es vermag, das gibt es gern;

Freundlich gegeben, freundlich genommen,

Ist noch Jedem hier wohl bekommen."

Im grellsten Gegensatz zu der Form, unter welcher der Haus-
bewohner Gruß und Einladung an den Vorübergehenden richtet,
steht jene, unter welcher er entweder den Eintritt verwehrt oder
strenge Mahnungen an den Eintretenden mittelst Aufschrift über
der Pforte ergehen läßt. Während dort seine Sprache poetischen
Klang ja meist Reimgestalt zeigt, tritt er uns hier in herber und
abstoßender Prosa entgegen.

So lesen wir bald: „Verbotener Eingang", bald „Den Frem-
den ist der Eintritt nicht gestattet" oder kurzweg: „Abonnirt."

Ließe sich doch auch hier manch' passender Reim finden, der
das Unangenehme einer solchen Botschaft dem Betreffenden in we-
niger herber Form vorführte:

Anstatt z. B. zu schreiben: „Hier ist das Betteln verboten"
ließe sich viel gefälliger sagen:

„Lieber Bettler hör mich an,

Verschon dieß Haus, pump andre an!"
in welch' biederer ächte Nächstenliebe verrathenden Form ja be-
kanntlich auch der heilige Florian um Schutz vor Feuersnoth an-
gegangen wird.

Hat sich ja doch auch eine mildthätige Seele gefunden, welche
den österreichischen ooäex posnalis von der trockensten Prosa in die
reizvolle Gestalt eines poetischen Ergusses umzuwandeln übernahm
und sich dadurch nicht nur den Dank aller Richter, sondern auch
den aller Spitzbuben und Strolche sicherte.

Anklänge solcher Criminalpoesie finden sich an der Hauspforte
nur ganz vereinzelt vor. So lesen wir über der Thüre eines
Rothenburger Hauses folgenden originellen Vers, dessen Dichter
sich jedenfalls damit alle Neugierigen und Unthätigen von der
häuslichen Schwelle verscheuchen wollte, indem er schrieb:

„Was stehst Du hier und gaffst?

Wär besser, daß Du schaffst,

Anstatt hier ohn' Nichts zu stehn,

Könntest Du wohl weiter gehn!"

Wo indeß Mahnung, Bitte und Verbot, selbst in Prosa-
form vorgetragen, nicht mehr im Stande sind, den Verkehr an der
Hauspforte zu regeln und das Hausgesetz ausrecht zu erhalten, da
entsteht das würdige Geschlecht der Thürhüter oder Portiers, das
mit der Natur der Hauspforte zu eng verwachsen ist, als daß seine
nähere Erwähnung bei der Charakteristik der Hauspforte umgangen
werden dürfte.

Bei den Römern und Griechen war die Aussicht der Haus-
pforte stets einem Sclaven übertragen, welcher zu diesem Behufe
neben der Pforte seine Wohnung resp. Zelle erhielt.

Außer dem Thürdienst hatte er auch die Lampen des Hauses
zu versehen, Oel aufzugießen, insbesondere aber das heilige Feuer
und die vor den verschiedenen Götterbildern brennenden Lampen
gewissenhaft zu unterhalten.

Mit Ausnahme dieses Nebendienstes und der Sclavenexistenz
 
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