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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 22.1872

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Miller, Fritz von: Der Erzguß und seine Bearbeitung
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Zeitschrift

des

Kunst-Geiverbe-Vereins.

Zweiundzwanzigstcr Jahrgang.

München.

JW~ Mi 4' B2

1872.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr, der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. =- 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St and ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Der Erzguß und seine Bearbeitung.

Von Fritz Miller,

Professor an der Kunstgewerbeschule.

Unter all den verschiedenen Formen, unter welchen das rege,
künstlerische Schaffen und Streben unserer Zeit sich offenbart, ist
kaum ein Zweig der Kunst, der, wie die Erzplastik, nach langer
Vergessenheit zu neuem Leben geweckt, eine gleich rasche Entwicklung
und früher kaum geahnte Bedeutung gefunden hätte. Wenn wir
heute fast keine größere Stadt mehr finden, die nicht ihr erzenes
Denkmal aufzuweisen hätte, wenn im Colosse der Bavaria, dem
Luther-Denkmal, dem Monumente Friedrich des Großen in Berlin,
der Victoria auf dem Siegesthor zu München, oder den in Feuer
vergoldeten Ahnenstatuen im Thronsaal daselbst u. a. m., wir lauter
Aufgaben gelöst sehen, die kurze Zeit vorher noch für unmöglich
gehalten wurden und dazu bedenken, daß vor noch etwa 50 Jahren
das von einigen Goldschmieden sorgfältig bewahrte Geheimniß,
kleine Gegenstände hohl zu gießen, der einzige Rest jener einst in
Deutschland so blühenden Kunst in Erz zu gieße« war, so muß
jener rasche Aufschwung, der Umfang, in dem sich in so kurzer
Zeit die Erzplastik aufs Neue bei uns eingebürgert, ein sprechen-
des Zeugniß dafür geben, daß dieselbe einen fruchtbaren Boden
gefunden und technisch, wie künstlerisch ihrem alten Ruf gewachsen
ist. Es muß daher um so befremdlicher erscheinen, daß es trotz-
dem kaum einen Kunstzweig gibt, über den so viele falsche An-
schauungen verbreitet und Vorurtheile unter Laien und Künstlern
gang und gäbe sind, wie gerade über den Erzguß. Vielfach besteht
die Ansicht, als bildeten die Leistungen der Erzgießer vergangener
Jahrhunderte noch unerreichte und erst zu lösende Probleme in tech-
nischer Beziehung; die Art des Formens, die Behandlung des
Gußes selbst, ob Rohguß oder Ciselirung, ja selbst die Farbe und
Oxidirung der Bronce sind Gegenstand oftmaliger Erörterungen
unter Künstlern und Kunstgelchrten, und nicht selten wird vermeint-
licher Unkenntniß zur Last gelegt, was in den Verhältnissen der
Zeit und des Materials seine tiefere Begründung hat.

Der Verfasser dieser Mittheiluugen hatte in einem früheren
Artikel Gelegenheit sich in Kürze über den letzteren Punkt, die
Oxidirung der Bronce auszusprechen, vielleicht dürfte ein Blick auf
die zahlreichen Erzwerke vergangener Jahrhunderte, an denen
Deutschland, besonders aber Italien so reich ist, dazu beitragen,
auch manche der übrigen Punkte aufzuklären und zu zeigen, welchen
Einfluß die technischen Bedingungen des Materials auf Form und
äußere künstlerische Vollendung jener Arbeiten geübt, und welchen
Einfluß veränderte Verhältnisse heute wieder auf einen Kunstzweig
üben, der mehr, als jeder andere in engstem Zusammenhänge steht
mit den Umwälzungen und Fortschritten unserer Zeit auf industriellem
und rein technischem Gebiete.

Es kann dabei natürlich nicht Aufgabe sein, eine Geschichte
des Erzgußes seit seinen ersten Anfängen geben zu wollen.

Für die Kunst war seine Bedeutung nur eine negative, solange
das Verfahren in sich deckende Schaalen aus porösem Stein oder
gebrannten Thon zu gießen jede Wiedergabe größerer Höhen und
Tiefen unmöglich machte. Mit dem Fortschreiten der Kunst erst
mußten auch Mittel und Wege gefunden werden, den steigenden An-
forderungen durch den Erzguß zu genügen und so bildete sich jene
Art des Formens, die unter dem Namen Wachsformerei bekannt,
mit nur geringen Aenderungen bis zu Anfang dieses Jahrhunderts
für Statuenguß allein gekannt, vereinzelt in einigen Gießereien
Italiens sich noch heute erhalten hat. Das Wesentliche des Ver-
fahrens bestand darin, daß der Künstler über einen festen, die
allgemeinen Umrisse des gewollten Gegenstandes gebenden Körper
oder Kern, Wachs auftrug, und in diesem erst sein Werk weiter
ausführte und vollendete. Zum Guße wurde das so ausgeführte
Kunstwerk umgeben mit einer Schaale oder Form aus feuerbestän-
diger Erde und durch Erhitzen sodann die Wachsschichte ausge-
schmolzen, dadurch also zwischen Schaale und Kern ein hohler, zur
Aufnahme des Metalls bestimmter Rauni gebildet, mit andern
Worten: das Wachsmodell wurde zerstört um an dessen Stelle das
flüssige Erz zu gießen. In seinen Grundzügen weist auf dieses
Verfahren schon ein im Privatbesitze in Berlin sich befindendes
ägyptisches Figürchen hin. Unähnlich nur allen später» Arbeiten
war an demselben der innere Kern aus Holz gebildet, dessen ver-
kohlte Reste noch alle Höhen und Tiefen der erzenen Hülle füllen.
Zumeist bestand wohl jener innere Kern aus Lehm und Erde.

Die Wölfin im Senatoren-Palaste zu Rom, jenes älteste mir
bekannte Gußwerk der Etrusker, bekundet eine bereits ziemlich aus-
gebildete Technik in dieser Art des Formens. Das ähnliche Ver-
fahren läßt sich leicht an den meisten uns erhaltenen Erzwerken
erkennen und Nachweisen, besonders deutlich an jenem herrlichen
Pferde des capitoliuischen Museums, das als Kunstwerk unerreicht
auch im Guße eine höhere Technik zeigt, als selbst die späteren
Werke der Renaissance.

Waren mit dem Verfahren des Formens über Wachs auch die
Haupthindernisse, die sich der Wiedergabe runder Formen entgegen-
stellten, gehoben, so blieben die praktischen Schwierigkeiten bei frei-
stehenden Falten, Gewändern oder Haaren dennoch der Art, daß
der Künstler es gerathen fand, solche Theile aus Blech oder Draht
gebogen dem gegossenen Hauptkörper anzusetzen. Eine Ueberarbeitung
der gegossenen Theile, um dieselben in Uebereinstimmung zu bringen
mit dem gehämmerten Bleche, war damit selbstverständlich. Hatte
das Treiben in Blech zur theilweisen Bekleidurg von Statuen aus
Elfenbein und Holz schon früher künstlerische Verwendung gefunden,
so waren für eine ähnliche Verbindung des Bleches mit dem ge-
gossenen Erz doch andere, rein Praktische Gründe maßgebend —
die damit gegebene Nothweudigkeit aber des Schaffens und Vollcn-
dens im Metalle selbst führte, fast unbewußt, zu jener freien
naturalistischen Behandlung, die den antiken Broncewerken ihr ganz
eigenthümlich charakteristisches Gepräge gibt. Schließen wir ja
 
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