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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 22.1872

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Lange, Emil: Charakteristik der Hauspforte, [2]
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Auszug aus dem Jahresberichte der Generalversammlung des Kunst-Gewerbe-Vereins am 16. März 1872
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https://doi.org/10.11588/diglit.9047#0012

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entspricht somit die Stellung des römischen ckanitor oder Thor-
wächters vollkommen der unsrer modernen Portiers.

Wohl mag auch bezüglich der den heutigen Portiers eigenen
Corpulenz und Sprachfertigkeit der römische Vorfahre um nichts
hinter seinem Nachkommen zurückgeblieben sein, dagegen ist es nicht
nachgewiesen, daß jener in seinem Sclavengewand mit Schlüssel-
bund und Stock in der Hand in seine Erscheinung und Haltung
auch ebensoviel majestätische Würde und Gemessenheit hineinzulegen
verstund, als es, Dank dem bunten mit Pelz verbrämten Gewand,
dem Flitterwerk und dem betroddelten Stabe, unserem heutigen
Herrschafts- und Hotel-Portier möglich wird; wenigstens läßt sich
kein alter Schriftsteller darüber vernehmen, ob ähnlich dem in
Fritz Reuters Reise nach Belgien so possirlich beschriebenen, für
den König von Portugal in selbsteigener Person gehaltenen Portier
des Hotels zum König von Portugal je einem Thürsclaven des
Alterthums königliche Ehren erzeigt worden seien.

Zur Sicherung des Hauses vor Dieben waren dem römischen
Thürwächter ein oder zwei Hunde beigegeben, welche, falls er ge-
rade abwesend war, die Thorwache übernahmen, ein Schutzmittel,
das mau selbst in Tempeln nicht verschmähte, was seiner Unge-
hörigkeit wegen den Römern manchen Vorwurf zuzog.

Diese besonders von Plinius erwähnten Hunde, der sie „die
treuesten Hilfstruppen, des Soldes wohl Werth" nennt, waren von
kräftiger Gestalt und dabei so unbändig und wild, daß sie von der
Kette befreit, sich mit Gier auf jeden Fremden warfen.

Ohne Zweifel ist auch der Natur dieser Hunde der in der
Fabel so gefeierte Oerbsrus, der dreiköpfige Hüter der Höllenpforte
nachgebildet.

Jndeß fehlte doch nur wenig, daß in Folge Mangels an
Wachsamkeit der zum Schutze des Capitols verwendeten Hunde die
römische Beste erobert worden wäre, hätten nicht die heiligen Gänse
an Stelle jener rechtzeitig Alarm geschlagen.

Ein in Pompeji an der Thürschwelle des Hauses des tragi-
schen Dichters aufgefundenes — gegenwärtig im kgl. Museum zu
Neapel befindliches Mosaik stellt einen an der Kette liegenden Hund
dar, eben im Begriffe, sich auf die eintretende Person zu werfen;
darüber die Inschrift: „Cave canem“ „Hüte Dich vor dem Hunde",
was sprüchwörtlich bei den Römern gebraucht wurde.

Die Verwendung der Hunde zum Schutz der Hausthüre ist
heutzutage, wenigstens nach Art der altrömischen Wache in den
Häusern der Stadt nicht mehr beliebt, obgleich ein solch' energisches
Zurückweisen dem Ruhe liebenden Hausbewohner manchmal sehr
zu Statten käme. Vielleicht ließe sich im Gebrauch des „Cave
canem“, das in Ermangelung eines Hundes einfach an die Rö-
mische Thüre geschrieben wurde, eine, wenn auch nicht der Form
so doch dem Sinne nach entfernte Aehnlichkeit mit der an unfern
Hausthüren jetzt üblichen Aufschrift: „Mitglied der freiwilligen

Arnienpflege" Nachweisen.

Auszug

aus dem Jahresberichte der Generalversammlung des Kunstge-
iverbe-Uereins am 16. Mär; 1872.

In Gegenwart von 52 Mitgliedern wurde vom Vereins-Vor-
stände Hrn. Professor Kn oll die Sitzung eröffnet, worauf die für
den Verein wichtigsten Momente des abgelaufenen Jahres der Ver-
sammlung kundgegeben wurden. Das Gesammtbild der entwickelten
Thätigkeit des Vereins in allen Zweigen seiner Wirksamkeit gibt
den erfreulichsten Hoffnungen Raum.

Es folgt die Mittheilung über die im abgelaufenen Jahre
dem 'Vereine zu Theil gewordenen Subventionen und Zuschüsse,
wobei in allererster Reihe die Gabe Sr. Maj. des Königs Ludwig II.
des erhabenen Protektors des Vereins, mit 100 Thlr. zur Auf-
munterung für Cvncurrenzentwürse dankbarst zu betonen ist; ferner
erhielt der Verein einen Zuschuß von fl. 3000. seitens des kgl.
Staatsministeriums des Handels und der öffentlichen Arbeiten,

welchen dasselbe in dankbarst anzuerkennender Fürsorge für die
Hebung der Kunstindustrie bewilligte, fl. 171. 15 kr. als erstmalig
fälligen Zinsgenuß aus dem von Sr. Maj. König Ludwig II., be-
hufs Errichtung einer Jndustriehalle bewilligten Kapitale von
fl. 10,000., welcher Zinsgenuß dem Vereine seitens des k. Staats-
ministeriums des Innern zugewendet wurde, sowie die Subvention
von fl. 150. aus Gemeindemitteln, welche vom löblichen Magistrate
Münchens schon seit mehreren Jahren dem Vereine zur Belebung
der Bestrebungen desselben bewilligt wurde; durch diese Zuschüsse
sowie die Jahresbeiträge der Mitglieder, deren Gesammtziffer aus
dem Rechnungsauszug ersichtlich ist, wurde der Verein in den Stand
gesetzt, im abgelaufenen Jahre seinen Aufgaben in nachhaltigster
Weise gerecht zu werden. Wir erachten es als sachdienlich die vom
Vereine angestrebten Zwecke hier in Kürze zusammenzufassen:

a) Erweiterung und Fortführung der Vereins-Zeitschrift, deren
Kunstbeilagen in jüngster Zeit bedeutend vermehrt wurden.
Den Bedürfnissen des Kunstgewerbes im weitesten Umfang
Rechnung tragend, wurde der künstlerischen Ausstattung durch
Beigabe gediegener Farbendrucke eine Sorgfalt zugewendet,
wodurch die Vereins-Zeitschrift jede Concurrenz in würdigster
Weise zu bestehen vermag.

b) Hebung und Erhaltung der permanenten Ausstellung, in der
vom Vereine im abgelaufenen Jahre neu errichteten Künst-
gewerbehalle.

c) Die Weiterentwickelung der vom Vereine ins Leben gerufenen
Abendschule für Gesellen und Lehrlinge, deren fleißiger
Besuch sowie die günstigen Erfolge des zweckmäßig gelei-
teten Unterrichts zu der erfreulichsten Erwartung berechtigen.

ä) Unterhaltung der Vereins-Ateliers, deren anerkannt artistische
Kräfte verpflichtet sind, alle an den Verein gelangten Auf-
träge für kunstgewerbliche Zwecke, Zeichnungen und Ent-
würfe, gegen mäßiges Honorar auszuführen.

Im Atelier des Kunstgewerbe-Vereins wurden von den Architekten
I. v. Schmädel und A. Seder seit dem 15. November 1871 bis
zum 1. März 1872 für 28 Auftraggeber 72 Blatt Zeichnungen
gefertigt, so daß auf je iy2 Tage (Sonn- und Feiertage incl.)
1 Blatt Zeichnung trifft.

Sämmtliche Arbeiten, welche in den Vereins-Ateliers seit
1. November 1871 durch die Herrn Seder und v. Schmädel ab-
geliefert wurden, repräsentireu ausgeführt einen Werth von ca.
fl. 67,000. Dermalen sind in Arbeit begriffen: die vollständige
decorative Ausstattung eines Speisezimmers und eines Salons beide
in Renaissance, sowie noch andere Gegenstände.

Die Abendschule, welche unter Leitung des Herrn Architekten
Seder steht, wurde von 62 Schülern besucht; darunter befinden sich
20 Bildhauer, 14 Schreiner, 13 Maler, 3 Steinmetzen, 2 Silber-
arbeiter, 1 Gürtler, 1 Photograph, 1 Vergolder, 1 Thermometer-
macher, 1 Schäffler, 2 Gärtner, 3 andere Kunstschüler. 17 Schü-
ler besuchten schon im Winter 1870/71 die Abendschule.

Den finanziellen Bestand anlangend, worüber in der General-
Versammlung eingehender Bericht erstattet wurde, sehen wir uns
veranlaßt, nachstehende werthvolle Notizen aus dem vom Finanz-
Ausschusse nach beendigter Prüfung der Jahresrechnung abgefaß-
ten und in der Generalversammlung bekanntgegebenen Protokoll,
unserem Jahresberichte beizuschlicßen.

§. 1. Allgemeines.

Die Vercinsrechnung schließt mit einem Aktivrest von fl. 1452.

27Vz kr. und einem Passivrest von fl. 1230. 40 kr., so daß dem-
nach ein Aktivrest von fl. 221. 47 kr. verbleibt.

Es ist dieses Resultat ein um so erfreulicheres, als im Ver-

laufe des abgeschlossenen Etatsjahres der Verein sowohl durch die
Gründung der Kunstgewerbehalle, als auch durch die Vervoll-
kommnung der Vereins-Zeitschrift und die neue Organisation der
Vereins-Ateliers zu bedeutenden Mehrausgaben gezwungen worden ist.

Allerdings inüssen hiebei die vorerwähnten dem Vereine zu
Theil gewordenen Subventionen in Betracht gezogen werden. Ver-
 
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