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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 22.1872

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Schmädel, Josef von: Ueber den Einfluß der exakten Wissenschaften und der Technik auf die stylistische Entwicklung der schönen Künste, [1]: Vortrag, gehalten im Polytechnischen Verein zu München am 2. Januar 1872
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Schreibmaier, Josef: Mittheilungen über Goldschnitte an Büchern
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https://doi.org/10.11588/diglit.9047#0020

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so viel Kunst wie Beharrlichkeit und Kraft ihre Aufgabe: „Die
Herstellung der Unumschränktheit des Thrones", und Letzterer feierte
den Triumph der Vollendung dieses Werkes, indem er sterbend in
die Hände des jungen Ludwig UV. ein Reich legte, in dem der-
selbe Herr, allein Herr war, dem Alles gehorchte. Doch ich will
mich corrigiren und sagen: Alles scheinbar gehorchte; denn seine
späteren Regierungs- wie Lebensjahre bewiesen, in welchen Händen
er stets gewesen war und wer ihn, den Despoten pur sxcöllencs,
im Joche hatte.

Die feste Begründung des Absolutismus in Frankreich, dem
damals mächtigsten Staate, hatte die Befestigung dieses Systems
in ganz Europa zur Folge und damit die Großziehung des Kasten-
geistes, der Engherzigkeit und Speichelleckerei, welche die Berderb-
niß des gesellschaftlichen Zustandes allmälig besonders in den höchsten
und niedersten Kreisen bis zur Heillosigkeit steigerten. Wohl suchten
einzelne Fürsten den Druck von sich zu wälzen, mit dem die in-
direkte Herrschaft der Kirche auf ihnen lastete, aber so fest hatte
dieses System Wurzel gefaßt, daß selbst die unumschränkteste von
Weisheit gelenkte legitime Gewalt nichts oder nur wenig dagegen
vermochte, wofür Joseph II. von Oesterreich das lebhafteste Bei-
spiel sein dürfte.

Mag es Wunder nehmen, daß diese Epoche auch in der Kunst
ihren charakteristischen Ausdruck fand! Eitelkeit, Gefallsucht und
Pracht, die Sucht nach pompösem Scheine drängten dieser Styl-
epoche ihre Formen auf. Zu keiner Zeit waren die schönen Künste
so durchweg gleichartig in ihrer Ausdrucksweise, wie in dieser.
Nehmen Sie die Architektur, die Bildnerei, die Malerei, die Poesie,
die Tonkunst, überall derselbe Absolutismus, dieselbe Sucht nach
Effekt, dieselbe Verirrung in Schnörkel und Bombast, überall die-
selbe Unwahrheit und Unnatur, überall derselbe Servilismus für
das Hergebrachte und Schablonenhafte, überall der „Zopf".

Ich erinnere daran, daß ich hier von dem Culminatiouspunkte
des Zopfes spreche, der in die Jahre 1750—60 fällt.

(Schluß folgt.)

Mitteilungen über Goldschnitte an Büchern.

Von Schrcibmaicr.

Nachdem wir im Hefte z und 4 des- vorigen Jahrganges
unserer Zelts )rift einige Mittheilungen über Marmorschnitte an
Büchern gebracht haben, dürfte eine ergänzende Mitthcilung über
Ursprung, Herstellung und Vervollkommnung des Goldschnittes bei
Hinausgabe des Blattes Nr. 1 in diesem Hefte unseren geehrten
Lesern willkommen sein.

Seach Erfindung der Buchdrnckerkunst mußte selbstverständ-
lich auch die Buchbinderei in ganz andere Formen gebracht wer-
den, hatte man es früher nur mit geschriebenen Folianten und
Quartanten in schwerfälligen Einbänden mit Brettern, Schwcins-
haut und Pergamentüberzügen zu thun, so verlangte die Verviel-
fältigung des gedruckten Wortes, welches sich jetzt auch in kleinerem
Formate ausbreitete, eine einfachere und bequemere Hülle, um den
neueren Bedürfnissen entsprechen zu können. Betrachten wir die
noch erhaltenen Bücher aus jener Zeit, so finden wir zwar, daß
sich die althergebrachten Einbände noch bis zum Anfänge des
16. Jahrhunderts erhielten; erst von dieser Zeit an kamen aus
französischen Landen Bände mit anderen Stoffen überkleidet vor,
welche zur Umwälzung des Gewerbes nicht wenig werden bei-
getragen haben. Das Pergament und die Schweinshaut mußten
einem feinen geschmeidigen Kalbsleder, nicht nur in schwarzer, später
auch in rother Farbe den Platz räumen; selbst die chagrinirte
Fischhaut, welche äußerst dauerhaft und zugleich dünn war, diente
zum Lieblingseinbande. Nicht minder war man aber auch darauf
bedacht, das neue Material durch Verzierungen, namentlich durch
Metallbeschläge zu heben. In jene Zeit nun, bald nach Einführung

dieses Lederüberzuges, welcher von den Deutschen den Namen
Franzband erhielt und von denselben eben so schön und dauerhaft
als von den Erfindern gefertigt wurde, fällt auch die Erfindung
des Goldschnittes. Was früher nur gefärbt und marmorirt wurde,
wußte man nun auf die sinnigste Art mit dem edelsten Metalle zu
schmücken. Wie viele Mühe mag es wohl unseren Voreltern ge-
kostet haben, dieses Gold, welches gewiß noch nicht bis zu der
fabelhaften Dünne gebracht war, in welcher es unsere Zeitgenossen
zu fabriziren verstehen, auf den Buchschnitt zu kleben, ohne daß
die Blätter des Buches beisammen hängen blieben; gibt es doch
heutzutage unter den Bielen, welche schöne und gute Goldschnitte
machen wollen, nur Wenige, die ihn in seiner ganzen Vollkommen-
heit zu produziren verstehen. Eine Darlegung des umständlichen
Verfahrens wird dies erklärlich machen.

Der zu vergoldende Schnitt wird mit sogenannten Spalten
(schmalen Brettchen von hartem Holze, welche auf einer Seite
etwas stärker sind) so fest als möglich zusammengepreßt, hierauf
mit einem scharfen Instrumente, welches mit den Ziehklingen des
Schreiners große Aehnlichkeit hat, geschabt, bis der Schnitt eine
Glätte wie Glas erhält, dann zur Sicherheit, daß keine unreinen
Theilchen im Papiere Zurückbleiben, mit verdünntem Scheidewasser
gebeizt, mit Papierspänen trocken und wieder glatt gerieben und
schließlich mit einem fein geschliffenen Agat (Glättzahn) genannt)
polirt. Ist diese mühevolle Prozedur beendigt, so erhält derselbe
eine röthlichbraune Farbe, damit die dünnen und löcherigen Stellen
des Goldes kein Weiß durchblicken lassen; zu dieser Art Glasur
kann nur feinster Polus verwendet werden und bedarf solcher einer
äußerst sicheren Anwendung; derselbe soll nämlich gut halten, weil
er nach dem Abtrocknen tüchtig mit feinen Bürsten präparirt wird,
um die vorherige Glätte wieder zu erlangen, soll aber auch nicht
zu viel Klebestoff haben, um das Zusammenkleben der Blätter zu
vermeiden; dann wieder sind Bindemittel auf den Schnitt zu
bringen, um die Haltbarkeit des Goldes selbst zu erreichen; man
bedient sich hiezu eines gehörig verdünnten Eiweißes, bestreicht den
Schnitt und legt das Gold mittelst verschiedener Vorrichtungen auf
die Flüssigkeit, welches sodann allmälig antrocknet. Hierauf ist dem
jetzt nur matten Goldschnitt mit dem Glättzahn der Glanz oder
die Politur zu geben, eine Arbeit, bei der sich jede geringste Un-
kenntniß des vorgehenden Verfahrens straft, da alle gemachten
Fehler jetzt erst zu Tage treten.

Obwohl anzunehmen wäre, man habe mit solchem Goldschnitt
einem Buche den schönsten Schmuck gegeben, so begnügte sich der
nie rastende Geist der Industrie doch wieder nicht mit dieser Zierde,
und versuchte schon im vorigen und am Anfänge des gegenwärtigen
Jahrhunderts mit dem Golde wieder Farbe in Anwendung zu
bringen und den Schnitt auch mit künstlerischem Geschmacke aus-
zustatten. Man gab nämlich dem Schnitt eine schiefe Richtung
nach vorwärts und rückwärts, so wie man das Buch oft zum Durch-
blättern in die Hand nimmt, und malte so auf die feinen Seiten-
ründer der Blätter Landschaften, Arabesken, selbst Figuren, meist
aber Gegenstände, welche kaum einen entfernten Bezug auf den
Inhalt des Buches hatten. War die Malerei fertig, so brachte
man das Buch in seine natürliche Lage und machte den Goldschnitt
darauf. Es zeigte sich also im geschlossenen Zustande der Gold-
schnitt, blätterte man in schiefer Richtung, so wurde man die
Malerei gewahr, welche nun das Ansehen hatte, als wäre sie mit
einem leichten Schleier bedeckt. Eine ähnliche, zwar nur vermeint-
liche Verschönerung dieser Art finden wir sogar noch heute an ganz
feinen französischen und belgischen Büchern; dieselben sind statt ge-
malt vorher marmorirt; man hat also bei dem Umdrücken des
Buches einen Marmorschnitt vor sich, was wir aber doch für eine
geschmacklose Spielerei halten möchten. Außer dieser hat sich noch
eine andere Art Verzierung eine Zeit lang Geltung verschafft,
nämlich die Ciselirung der Schnitte. Anfänglich drückte man mit
einfachen Ringen, Halbkreisen, Punkten in fortlaufenden Reihen
teppichartige Muster auf die Schnitte, welche Methode sich allmälig
 
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