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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 22.1872

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Miller, Fritz von: Der Erzguß und seine Bearbeitung
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Speisegitter in der Scuola di 8. Eocco in Venedig zeigt die wunder-
bare Vielseitigkeit, deren durch eine solche richtig angewandte Cise-
lirung das Erz in seiner Erscheinung fähig ist. Wie früher Italien
und Deutschland, so war es nunmehr Frankreich, das in erster
Reihe den Erzguß pflegte und neben den werthvollen Vorbildern in
Paris und Versailles Spuren jener glanzvollen Technik sich erhielt,
selbst als zu Beginn dieses Jahrhunderts die Kunst, in Erz zu
gießen, abermals in fast gänzliche Vergessenheit gekommen war.

Das rege Schaffen und Streben in allen Zweigen der Kunst,
das den Anfang einer neuen Periode kennzeichnete, das Bedürfniß
eines für unser nordisches Klima mehr als der Marmor sich eignen-
den Materials und die Theilnahme kunstsinniger Fürsten ließ end-
lich auch in Deutschland nach den fast verlorenen Ueberlieferungen suchen,
und unterstützt von den Fortschritten der Wissenschaft, übertrafen
die Leistungen der neu gewonnenen Kunst bald selbst die kühnsten
Unternehmungen vergangener Jahrhunderte. Und dennoch — es
hat sich keine Erzplastik daraus entwickelt — keine solche in dem
ausgesprochenen Sinn, von jener Feinheit und Vollendung, wie wir
sie an älteren Arbeiten bewundern. — Die Schuld wird dem Gießer
zugeschoben und vielseitig behauptet, die frühere Art des Formens
über Wachs habe es ermöglicht, die Arbeiten im Rohguß aufzustellen,
während die Ciselirung heute der Arbeit des Bildners den Hauch
der Vollendung nehme, sie leblos mache. — Die Ciselirung wird

damit lediglich als eine Folge des vermeintlich nicht mehr auf der

Höhe früherer Vollkommenheit stehenden Gusses, als ein nothwen-
diges Uebel, weniger begründet in der Natur des Materials, denn
in der Mangelhaftigkeit der Arbeit angesehen. Das Falsche dieser
Anschauung ist unter Fachleuten wenigstens ganz allgemein bekannt.
Rohguß oder Ciselirung ist längst keine Frage der größeren oder

geringeren Technik mehr •— es ist eine Frage des Princips und

theilweise wohl auch des Preises. Benevenuto Cellini sagt in seinem
Werke über den Erzguß: „Jedes Erz, wenn es gegossen ist, muß
mit Hammer und Grabstichel nachgearbeitet werden, wie es die
wundersamen Alten gethan und auch die Neuen. Ich meine die-
jenigen, welche in Erz zu arbeiten verstanden."

Die herrlichen Brunnen von Augsburg, München in dem pracht-
voll malachitartigen Grün, sie sind gefeilt und zum Theil sogar
blank geschliffen. Peter Bischer nettirte seine Arbeiten, und sind
ausnahmsweise Theile seines Sebaldus-Grabes im Rohguß aufgestellt,
so möchte die Thatsache, daß Peter Bischer diese Arbeit nach dem
Gewichte bezahlt bekommen und, um seine Rechnung zu finden ge-
zwungen war, die Figürchen fast massiv zu gießen, eher dafür
sprechen, daß der Kostenpunkt dabei in erster Reihe entscheidend
war. Aus dem Gesagten dürfte aber auch hervorgehen, daß einer
dem Materiale angemessenen Ueberarbeitung des Metalles ihre volle
Berechtigung schon zugestanden wurde zu einer Zeit, in welcher, wie
die Arbeiten ein und desselben Meisters beweisen, es ebenso gut
möglich war, das Werk des Bildners einfach nur in ein dauerhafteres
Material zn übertragen, wie dies etwa für Gyps mittelst einer
verlornen Form geschieht. Dasselbe ist auch noch heute der Fall, und
vollkommen falsch ist es, die gegenwärtig abweichende Technik des
Erzgusses und der Ciselirung einer Unkenntniß der früheren Ver-
sahrungsarten zuschreiben zu wollen. Die Wachsformerei wurde
im Gegentheil zuerst geübt, als die Kunst, Statuen in Erz zu
gießen, in Deutschland wieder Eingang fand. —

So einfach und trefflich die Methode auf den ersten Blick er-
scheint, konnte sie dennoch den veränderten Bedürfnissen unserer
Zeit nicht mehr genügen. Durch die Einwirkung der Hitze auf die
den Kern aufrecht erhaltenden Eisen, durch das Verbrennen des
Wachses in den tief gelegenen Theilen der Form, durch die Ent-
wicklung störender Gase rc. war das Gelingen ein höchst unsicheres
und die Wiederholung des Gusses, zu welchem das Wachsmodell
ganz neu wieder hergestellt werden mußte, eine ganz gewöhnliche
Erscheinung. Durfte Ghiberti sein Leben ausfüllen mit der Arbeit
seiner Thore, so galt es jetzt nicht allein gut, sondern auch schnell
und billig zu arbeiten. Die Arbeitstheilung war selbst bis in die

Kunst eingedrungen, der Bildner fand nicht mehr die Zeit, lange
Jahre auf die Uebung der Technik des Erzguffes zu verwenden.
Die Bedingungen zu einem großen, geschäftlichen Betrieb verlangten
Erfahrungen und Einrichtungen, wie der Künstler für einige wenige
Arbeiten sie sich nicht schaffen konnte. Es wurde dadurch, was
früher in einer Hand vereinigt lag, getheilt und die Gießerei und
Ciselirung zu einem selbstständigen, mehr technischen Zweig der
Kunst. Betrachtete der Bildner früher seine Arbeit erst in Erz für
vollendet und bildete das Repariren des für die Form ausgeführten
Wachsmodelles, das Formen und die Ausführung des Gusses selbst
eine unausgesetzte Kette seiner Thätigkeit, so war es jetzt Aufgabe
des Gießers, ohne Zuthat und Aenderung das schon im Modell
vollendete Werk in Erz zu übertragen. Es führte dies zu der heute
fast allgemein gewordenen Stück-Formerei.

Dieselbe erfordert bedeutend größere technische Gewandtheit, als
die frühere Methode; sie erspart jedoch dafür dem Gießer die Noth-
wendigkeit einer nochmaligen Ueberarbeitung des Wachsausgusses,
also des Modelles selbst, die früher dem Zufall überlassene Form
konnte nun bis zum Augenblicke des Gießens gesehen und etwa sich
zeigenden Fehlern abgeholfen, die Dicke des Metalles überdieß genau
bestimmt werden.

Bei verminderten Kosten war damit die Sicherheit des Gelingens
eine bedeutend größere, die unveränderte Wiedergabe des Modelles
erst ganz zur Möglichkeit geworden.

Es wird nach All' dem der Grund zu den Angriffen, wie sie so
häufig den Erzgnß treffen, wohl anders wo, als in dem Stand
der heutigen Technik desselben zu suchen sein.

Der Verfolg jener Arbeiten der Antike wie der Renaissance
zeigt klar, wie beidemale durch den anfänglich niederen Stand der
Technik des Gießens der Künstler gezwungen war, den Eigenschaften
des Materials Rechnung zu tragen, sein Werk mit den Bedingungen
der Ausführung in Einklang zu setzen. —

Kunst und Technik waren zusammen groß gewachsen und hatten
sich dadurch organisch zu einem bestimmten, das innere Wesen auch
uach außen hin klar aussprechenden Zweig der Kunst entwickelt.
Anders war es, als in diesem Jahrhundert der Erzguß zu neuer
Blüthe kam. Thorwaldsen und Canova und mit ihnen die ganze
Schule der neueren Plastiker hatten an den bewunderten Marmor-
werken der Antike sich gebildet, es war eine fertige, in der Aus-
führung wesentlich für Marmor berechnete Kunst, welcher diesmal
der Gießer sich wohl oder übel fügen mußte.

Voll Mißtrauens glaubte man dem Gusse jede Eigenart und
künstlerische Bedeutung absprechen zu dürfen — ließ sich ja doch
das geduldige Material in jede Form zwingen — wozu da noch
besondere Rücksichtnahme? War im Thon oder Gyps die Arbeit
gut und fertig, so mußte sie, wenn anders der Guß rein und scharf,
es nothwendig auch im Metalle sein. — So urtheilte man! — Soll
der Erzguß nichts Anderes bieten, als einen Ersatz etwa für ein
gebranntes Thvnmodell, so entspricht dieser Aufgabe der broncirte
Rohguß vollkommen, er giebt mit voller Schärfe alle Einzelnheiten
des Modelles wieder. — Anders aber ist es, wenn das Erz als
solches erscheinen, in der größeren Freiheit und Bewegtheit der
Formen die Natur des Materials sich aussprechen, der dem Metalle
eigene feurige Glanz, die Fähigkeit, an der Luft zu oxidiren, zur
Geltung kommen, wenn mit einem Wort das Werk zum Erzwerk
werden soll. — Es wird auf all dies der Künstler schon im Mo-
delle Rücksicht nehmen müssen. Was fertig schien in Thon oder
Gyps, die ganze Behandlung, die nothwendig war, dem todten
Material Leben und malerische Wirkung zu geben, wird sonst im
Erzguß den Eindruck des Unfertigen, Skizzenhaften machen.— Un-
ebenheiten, die im Modelle fast verschwanden, wirken erst störend
in dem am Metall schärfer sich begrenzenden Licht und Schatten,
die Schattirungen mit Kratzeisen und Modellirholz werden unver-
ständlich und auf den Flächen, die bestimmt und klar erschienen,
machen falsche Lichter die Formen unklar und verschwommen. All
die besonderen Eigenschaften des Metalles, geeignet bei richtigem
 
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