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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1878

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Sepp, ...: Ursprung der Glas-Malerei, [6, 7]
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Reines weißes Glas kommt erst im XIII. bis XIV. Jahrhundert vor; es gelang zuerst veneti-
anifchen Meistern, auf der Insel Murano dasselbe herzustellen, vor Beginn des zweiten
Jahrtausends ist von bunten Glassenstern, 6« varietate colorum, die Rede, ja allmälig sogar
von übermalen, aber pin§ere heißt nicht gleich mit Schmelzsarben malen und diese einbrennen.

Der Dichter j?rudentius (ff 413) schildert in seinen Martfrhymnen die mit mehr-
farbigen Scheiben gefüllten Bogenfenster der j?aulskirche in Rom, die eine Flur
von Frühlingsblumen enthielten. ?llso ist vielleicht schon so früh die Glasmalerkunst erfunden?
von Farben standen roth, blau und gelb zu Gebote, auch grüne Glasscheiben werden zu
verstehen gegeben: wie kommt dann die Geschichte dazu, den Mönchen von Tegernsee die
Ehre der Erfindung zuzuschreiben? Mir antworten: qui bene distinguit, bene docet. „Man
muß sich auf den Unterschied verstehen, um das Richtige vorzutragen."

Buntes Glas zu erzeugen ist weniger schwierig als metallfreies, grünes ergibt sich von
selbst. Ursprünglich waren die Lichtöffnungen und Luftzüge in der L)öhe der Basiliken so
klein wie möglich und mit durchlöcherten Marmorplatten oder mit Teppichen geschlossen,
die oft der Sturmwind während des Gottesdienstes in Zug und Flug setzte. In Italien
benützte man frühe Fraueneis oder sog. Marienglas, auch wohl durchscheinenden Alabaster
zu Scheiben; in San Miniato bei Florenz war dies noch im Jahre 1200 der Fall. Erst
wurden durch unregelmäßige, wulstige, gegossene Glasscheiben von grünlich schillernder Färbung,
später durch verschieden gefärbte größere Gläser von runder oder achteckiger Form, die wie
Bienenzellen zusammengesetzt waren, die Fenfterlucken geschlossen.

Am frühesten finden wir die Dome in Ravenna und den wunderbau der Sophien-
kirche in Konstantinopel eingeglast. j?aulus Silentiarius spricht um 534 vom Licht der
goldhaarigen Aurora, welches durch die Fensterbögen der chagia Sophia dringe. Alsbald
verwandten die kunstliebenden Araber auch Buntglas in den Moscheen. Die schönste Glas-
mosaik zeigt die Einfassung der Kibla in der Gmmaiadenmoschee zu Tordova; die el Aksa
in Jerusalem, der erstgebaute, großartige Tempel des Islam, sowie mehrere dieser Haupt-
gebäude in Stambul sind wenigstens theilweise nach alter weise mit farbigem Kristallglas
versehen. Solches haben die Muhammedaner wie die venetianer wohl Anfangs von Trrus,
der Erfinderin des Glases, bezogen, ohne daß wir darum gleich die Glasmalerei von ihnen
herzuschreiben brauchen. Nach Europa gelangen noch heute prächtige emaillirte Glasgesässe
oder Glasampeln in Farbenschmelz, Werke sarazenischer Kunst.

Der vielgewanderte Dichter venantius Fortunatus theilt mit, daß der Frankenköniq
Thildebert bereits im VI. Jahrhundert eine Kirche in j?aris mit Glas ausstattete, so daß
die wände davon wie im Morgenroth schimmerten. Bischof wilsred verschrieb derlei Fenster
um 670 nach vork. Erst im Jahre 800, bei der Kaiserkrönung Karl's des Großen, empfing
die Basilika St. j?eter in Rom ihren Glasschmuck. Der römische Abt Anastasius, der Sinaite,
berichtet im Leben Leo III-, dieser j?apst habe noch 816 zu St. Johann im Lateran die
Fenster der Absis, d. h. im chalbrund des j?resbsteriums, mit Glas von verschiedenen
Farben schließen lassen, der übrige Theil der Fenster war, wie in St. s?eter, mit Gspsspat
zugemacht. Ebenso verlieh 856 Benedikt III. der Kirche Alaria in Trastevere die ersten
Fenster mit musivischer Malerei (ars musivaria) in bunten Farben. Die mosaikartige
Zusammensetzung verschiedener Muster ergab eben das Farbenspiel.

Ludwig der Deutsche gründete 855 den Frauenmünster in Zürich, wo seine Töchter
Lfildegarde und Bertha die ersten Abtissinen waren; die Dotation fiel so reich aus, daß
Karl der Kahle 878 erklärte, feine Nichte Bertha regiere mit königlicher Gewalt. Der Mönch
Ratpertus von St. Gallen schildert dem gelehrten Mitbruder Notker die Einweihung
(871 oder 876?) in einem Gedicht, worin es heißt: „Bertha malte die flachen Fenster
 
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