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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1878

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Pecht, Friedrich: Kunstindustrielle Ergebnisse der Pariser Weltausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6904#0085

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-*• 85 -e-

Probuftion zusammen die ungeheure Summe von 540 Millionen ausmacht, bildet die Pressung
jetzt ein Lsauptmittel, um den Reiz zu erhöhen. Dasselbe wirkt hier um so fruchtbarer, als
bei der großen Reflexionsfähigkeit, besonders der Seidenstoffe, ein unendlich feines Farbenspiel
dadurch erzeugt wird, da das Dessin bald matt bald glänzend erscheint, je nachdem das Licht
darauffällt. Nicht minder wird die Ueberspinnung mit Gold- und Silberfäden für Erzeugung
des Flimmerns angewendet, und bei den Stoffen, aber auch bei Bronzen und Email gebraucht.
So geht das ganze Streben jetzt dahin, diese vortheile voll auszunützen, was denn auch im
größten Maßstab geschieht, so daß selbst alle anderen Stoffe dadurch jenes großen Reizes
fähig gemacht werden, der in der Brechung aller Farben bis auf jenes Minimum liegt, wo
sie nur noch das Spiel der Schatten und Lichter beleben, die Lokalfarbe aber, die man ohnehin
möglichst abdämpft, nur an einzelnen Stellen erkennbar und dadurch um so pikanter wird.
Selbst den Stoffen, die sonst keines großen Glanzes fähig sind, wie Wolle, Eattun, Leinen,
Jute, wird durch das Aufpreffen von gewässerten Dessins, Moirirungen, Mischung mit
Metall- und Seidenfäden u. dgl. ein Lüstre gegeben, daß sie oft von Seide kaum zu unter-
scheiden sind, immer aber das gedruckte oder gewobene Dessin eine unendlich feiner und reicher
gebrochene Farbenwirkung erhält, mit anderen Worten viel vornehmer aussieht. Dies diftin-
guirte Aussehen zu erlangen, ist denn auch das beständige und sehr wohl berechnete Ziel der
französischen Industrie, welches sie noch öfter erreichen würde, wenn sie nicht so häusig allzu
kokett und allzu süß erschiene, was beides ächter Vornehmheit widerspricht.

weil aber die französische Runstinduftrie in der Ausnützung all' dieser coloristischen
vortheile so große Fortschritte gemacht, die unsrige nach dieser Seite hin unleugbar weit
hinter sich zurückgelassen hat, kann man es unmöglich bedauern, daß wir nicht ausgestellt
— es hätte das höchstens unser Zurückbleiben konstatirt. Um so nothwendiger wäre es aber
für unsere Industriellen und Kunsthandwerker gewesen, selber nach Paris zu gehen, um sich
mit diesen vortheilen, die doch verhältnißmäßig leicht zu erreichen sind, auch besser bekannt
zu machen und sich vor Allein Rechenschaft darüber geben zu lernen, wie und mit welchen
Mitteln Dergleichen erreicht wird; denn was man nicht versteht, kann man auch uicht benützen.

Die besseren Deutschen haben in ihrem strengen Stilgefühl, in ihrer reicheren Phan-
tasie und humoristischen Betrachtung einen großen vortheil von den Franzosen voraus, aber
doch nur in dem Falle, wenn sie nicht ewig blos versuche machen, sondern fest bei ihrer
gerade in München mit vollkommen gesundem Instinkt wieder ausgegriffenen deutschen Re-
naissance bleiben oder doch anknüpsen, die ja eben das Ergebniß dieser Eigenschaften bei
unseren Vätern war. Durch Grazie werden wir die Franzosen schwer schlagen, wohl aber
könnten wir sie an Ersindung und besonders an Charakter übertreffen. Das kann man aber
nur, wenn man selber eine feste Ueberzeugung hat und nicht dilettantisch in allen möglichen
Stxlarten herumtappt, sondern die aus unserem Boden erwachsene auf's höchste ausbildet.
Freilich darf inan unter ihrem Titel sich nicht jede Willkürlichkeit und Rohheit erlauben
wollen. Daß es unserer Arbeit jetzt nur gar zu oft an der präcision und dem seinen Studium
der französischen fehlt, kann und soll nicht geläugnet werden.

(Schluß folgt.)
 
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