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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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6. Heft
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Ueber alte Altarbauten
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Die Malereien des Kreuzganges zu Brixen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0091
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Nr. 18

Ueber alte Altarbnuteu. — Die Malereien des Kreuzganges zu Briren.

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fallen, in die das prachwnlle romanische Retabel eingefügt murde, das
bis dahin dcn Altar am Eingange zum Chore bekrönte nnd seit 1810
im Besitze Wallraf's, resp. des städtischen Museums sich befindet. Die
Rückwand des Altartisches erhöht sich um ungeführ ^ Meter durch
ein steinernes Netabel, welches nach vorn mit els Blendbögen ge«
schmückt ist, die durch Säulchen getrenut und von Ziergiebeln über-
ragt sind. Auch in ihnen hat sich die polychrome Ausstattung er-
halten, in den Feldern blau und roth abwechselnd. An dieses Retabel
stößt hinten auf gleicher Höhe uud in derselben Profilleiste die große
steinerne Platte an, die auf vier Säulen ruhend die drei hölzernen
Schreine trägt, welche die drei großen metallischen Reliquienbehälter
mit den Gebeinen der hl. Ursula, des hl. Etherius und des hl.
Hippolytus aufnehmen sollten. Durch eine mit schwerer Kette ver-
schließbare Fallthüre konnten diese von hinten hineingeschoben und
von vorn durch vergitterte Thüren der öffentlichen Verehrung zu-
gänglich gemacht werden. Jm Uebrigen sind diese Schreine rings
mit Holz umkleidet, auf den beiden Langseiten in der Form von je
fünf durch gekuppelte Säulen getragene Blendbögen, deren Zwickel
vier Maßwerkrosetten schmücken, ein höchst charakteristischer Beitrag
zur Holzmöbelbehandlung dieser frühen Zeit. Denn die ganze Aus-
stattung wie des Steinaltares so der Holzschreine bemegt sich im früh-
gothischen Formenkreise und genau im Stile des Chores selbst, der
1287 vollendet wurde. Nur der mittlere Schrein, der die beiden ihn
flankirenden Genossen an Breite und Höhe etwas übertrifft, trägt in
den ihn verzierenden Nundbogenfriesen und Eisenbändern deutliche
Merkmale früheren, noch bis in die romanische Periode zurückreichen-
den Ursprunges. Daß Bänder wie Friese sich jetzt im Jnneren der
beiden Seitenschreine befinden, ist der beste Beweis, daß diese erst
später dem ursprünglich einzigen romanischen Mittelschreine angegliedert

wnrden. Dieser wird sich, wahrscheinlich das ältere Hippolptus-
Reliquiar umfassend, aus der älteren Altar-Anlage allein erhalten
haben; denn diese kleinen Eigenthümlichkeitcn ausgenommen, ist die
frtthgothische Anlage eine dnrchaus einheitliche. Zu ihr haben ohne
Zweifel auch vier Säulen gehört, die, wie in St. Severin, den Altar
umstanden, um ihn mit Vorhängen zu umgeben. Alle Abbildungen,
die von solchen Reliquien-Altären, namentlich in Frankreich, sich er-
halten haben, stimmen in Bezug auf diese Anordnung ttberein.

Bei einer Restauration merden anch hier nach Entfernnng aller
ihm l642 aufgenöthigten Zopfumhüllungen zunüchst diese vier Säulen
mit den entsprechenden Engelfiguren anzuordnen und durch Vorhänge
zu verbinden sein. Auf die Altarplatte, die eine Tiefe von ungeführ
l Meter hat, ist dann ebenfalls, und zmar in der Breite des Mittel-
schreines, das Tabernakel zu stellcn, welches bis zur Höhc des Retabels
hinaufzuführen ist, um den jenes bekrönenden Expositionsbaldachin
wiederum aufs genaueste den Maßen des Mittelschreines sich anpassen
zu lassen. Seine weitere Ausbildung wird durch die gothischen Stil-
formen wesentlich erleichtert, und nichts hindert, ihn bis in das wiedcr
zu öffnende Mittelfenster des Chores hinauf zu führen. Die Möglich-
keit aber, an der Hinterwand des Expositionsbehälters Flügelthüren
anzubringen, mürde sowvhl gestatten, diesen ganz zu schließen, als
auch in Ilebereinstimmung mit der liturgischen Bestimmung bei Aus-
setzung des hochwürdigsten Gutes die beiden Seitenschreine mit ihren
Reliquien zu verdecken. Daß diefe Flügel entsprechend auszustatten
wären, vcrsteht sich von selbst, und zwar durch Oelmalerei, wenn der
Baldachin in Holz ausgeführt würde, durch Emailbilder, wenn er aus
Kupfer hergestellt wcrden sollte. Die von ihnen, resp. von den Schreinen
nicht in Anspruch genommenen Theile des Retabels wären namentlich
zur Aufstellung der Leuchter zu benutzen. Für eigentliche Leuchter-

bänke, welche erst die Renaissanceperiode in den Altarbau hinein-
geschmuggelt hat, hat der mittelalterliche Altar überhaupt keine Stätte. R
Seinen in müßigcn Dimensionen gehaltenen Leuchtern bietet der Altar-
tisch und, wenn sie nicht zu hoch in der Anlage, die Rückwand den
besten Aufstellungsraum.

Aus den vorstehenden Beschreibungen und Erörterungen ergibt
sich, wie leicht und verhältnißmäßig wohlfeil für diese beiden merk-
würdigen Altarbauten die korrekte Herstellung ist, welche die ursprüng-
liche Anlage mit gewissenhaftester und pünktlichster Sorgfalt zu er-
halten, den neupn Bedürfnisseu Rechnung zu tragen hat. Daß beiden
Anforderungen hier in so ausgiebigem Maße entsprochen werden kann,
ist als ein besonderes Glück zu betrachten. So kommt zu dem einen
Glücke der Erhaltung das andere der Herstellbarkeit hinzu. Daß auch
diesem Glücke die richtige Benutzung nicht fehle, wird hoffentlich mit
aller Bestimmtheit erwartet werden dürfen.

Nachdem abcr diesen Erwartungen entsprochen sein wird, dürfte
es sich als ganz zweifellos herausstcllen, daß für den Dom-Hochaltar,
für den ja längst ein neuer Aufsatz in Aussicht genommen ist, die
Anlagen von St. Severin nnd St. Ursula geradezu als mustergiltig
zu betrachten sind. Obwohl der Dreikönigen-Schrein der Sitte seiner
Ursprungszeit, mit dem Hochaltare verbunden zu werden, nicht gefolgt
ist, sondern gleich nach der Einweihung des Chores 1322 in der stets
der Gottesmutter geweihten äußersten Kapelle seinen Platz erhalten
und bis zum Jahre 1864 behauptet hat, so dürfte doch seine Ver-
bindung mit dem Hochaltare seiner Würde und Bedeutung am besten
entsprcchen. Für diesen würde zugleich ein zu mäßiger Höhe hinauf-
geführter Hinterbau, der den herrlichen Durchblick in die Muttergottes-
kapelle frei ließe, in Verbindung mit den wieder herzustellenden vier
Broncesäulen den allerbesten Abschluß bilden.

Bevor wir in der Beschreibung derselben weiterfahren, dürfte
es den meisten Lesern erwünscht sein, daß einige allgemeine Be-
merkungen vorausgehen, um gleich einen allgemeinen Ueberblick über
den ganzen merkwürdigen Cpclus zu gewinnen.

Der Kreuzgang am Dome zu Brixen bildet ein regelmäßiges
Viereck und lag ursprünglich mitten in den verschiedenen Btünster-
gebäuden. Die runden Bögen, durch welche das Licht vom Hofraume
einfällt, werden durch je zwei Paare Säulchen, welche hinter einander
D stehen, belebt; sie zeigen bereits klar ausgesprochene Nebergangs-

N formen am Kapitäl und an der Basis. Der Gang hatte einst flache

Oberdecke, erhielt aber bereits am Schlusse des 14. Jahrhunderts
ein Rippengewölbe in Kreuzesform. An den Wänden und an den

Gewölbekappen ist der ganze Kreuzgang reich bemalt. Die meisten
Bilder gchören dem 15. Jahrhunderte an, einige reichen auch in das
14. zurück, mie die beigefttgten Jahreszahlen beweisen. Jene auf der
nördlichen Seite dienten zunächst zur Verzierung des dort noch jetzt
erhaltenen aber vermauerten Seitenportals im Krenzschiffe der alten
Kathedrale, die anderen aber als Grabdenkmale für Priester, welche
im Kreuzgange ihre Ruhestättc fanden. Wegen dieser zufälligen Ent-
stehungsweise haben diese Wand- und Gewölbe-Gemälde keinen be-
stimmten Plan und engeren Zusammenhang; sie wurden ja, hie und
da selbst in einer und derselben Arkade, zu verschiedenen Zeiten und
von verschiedenen Meistern nach dem Wunsche und der besonderen
Angabe der Wohlthüter hergestellt. Jedoch gibt es darunter einige

Gruppen, welche für sich ein zusammenhüngendes Ganzes bilden.
Das sind jene Gemülde, welche sich auf das Leben, Leiden und die
Verherrlichung Jesu und seiner göttlichen Mutter beziehen. Bei diesen
entdecken wir auch einen anderen merkwürdigen Moment der religiösen
Kunst, nämlich die biblischen Parallelbilder, wie fie die tiefe
Mystik des Mittelalters und besonders die sog. kidlia. panparnin
aus dem alten und neuen Bunde als Vorbild und Erfüllung
einander gegenüber und zusammen gestellt hat. Es sind Gegenstände,
Personen und Handlungen, wie sie in ihrer Wechselbeziehung als
Schatten und Körper, Vorbild und Wirklichkeit im Plane Gottes
lagen, als göttliche Wahrheit geoffenbart, von den Aposteln und den
heiligep Vätern und Lehrern der Kirche gelehrt und von der Tra-
 
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