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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Meisterwerke der Bildniskunst: Sonderausstellung im Kaiser-Friedrich-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0086

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Kunst zu überblicken und ihre Idee an sich dar-
zustellen.

Leider fehlt es den Berliner Museen, so ausge-
dehnt die Baulichkeiten sind, für solche Sonder-
veranstaltungen, die aus den reichen Sammlungen
wechselnd kleine Privatgalerien von Meisterwerken
herausziehen sollen, an geeigneten Ausstellungs-
räumen. Das ist auch einer der Geniestreiche der
Museumsarchitekten. Darum wurde die erste Aus-
stellung in dem RafFael -Teppichsaal eingerichtet,
wobei in den Kauf genommen werden muß, daß
die großen dekorativen Teppiche die auf dem mit
Stoff bespannten Paneel gut gehängten Bilder stark
bagatellisieren. Man wird sich wohl nach einem
helleren und auch bequemer am Wege liegenden
Raum umsehen müssen. Vielleicht ist einer der
schönen Säle im Antiquarium — wo Bilder vor
vierzig Jahren so gut aussahen — frei zu machen.
Die Antike beansprucht jetzt so viel Raum, daß
sie gern etwas zusammenrücken mag.

In der Folge wird es unvermeidlich sein, daß
Meisterwerke des neunzehnten Jahrhunderts mit
ausgestellt werden. Schon in dieser Bildnisausstellung
wäre es lehrreich gewesen, neben dem antiken
Knabenkopf ein Werk Schadows zu sehen, neben
der herrlichen Zeichnung Holbeins eine der besten
Bildniszeichnungen von Menzel, zwischen den
Bildnissen von Chardin und Goya ein Bild von
Manet, etwa das „Treibhaus" — das ja eigentlich
ein Doppelbildnis ist —, Leibis Mädchenkopf der
Nationalgalerie neben Rogier van der Weyden usw.
Das Moderne würde sich in einigen Fällen viel-
leicht nicht halten; es wäre aber wichtig, einmal
mit Augen zu sehen, warum und wieso es sich
nicht hält. Der Wunsch zu einer solchen Voll-
ständigkeit scheint vorhanden zu sein. Es mußte
wohl Abstand genommen werden, weil eine zwi-
schen den Museen und der Nationalgalerie be-
stehende Unstimmigkeit jede Zusammenarbeit un-
erfreulich macht.

*

Die erste Ausstellung enthält einundzwanzig
malerische Bildnisdarstellungen und zehn Skulptu-
ren. Diese Beschränkung in der Zahl ist etwas
streng; sie ist wohl von der Eigenart des Raumes
diktiert. Es werden mehrere Gruppen von je drei
Bildnissen gezeigt. Eine Hauptgruppe bilden Frans
Halsens „Tyman Oosdorp", Tizians Selbstbildnis
und Rembrandts„Hendrickje Stoffels". Uberraschend

tritt die Größe der Form in dem ganz auf Grau
gestellten Bildnis von Frans Hals hervor. Sie er-
drückt fast das Bild von Tizian und erweist sich
sogar Rembrandt überlegen. In einer anderen
Gruppe — Meister von Flemalle, Jean Fouquet,
Rogier van der Weyden — dominiert dieser Letzte
mit dem in ewiger Jugend atmenden Bildnis einer
jungen Frau sosehr, daß die beiden andern Meister-
werke daneben etwas schulmäßig erscheinen. Dem
Heutigen ist es unvorstellbar, wie soviel Formen-
größe mit einer solchen Genauigkeit Hand in
Hand gehen kann. Noch bedeutender—im Mensch-
lichen wie im Formalen — ist dann aber eine da-
nebenhängende ZeichnungHolbeins. In einer Gruppe
deutscher Bildnisse — Holbein, Cranach, Dürer —
streitet Holbeins Männerbildnis mit Dürers Jacob
Muffel, über Cranachs, hier etwas banal wirken-
des Frauenbildnis hinweg, um den Preis. Das
klassisch Überlegene Holbeins steht einem geist-
reich Bewegten bei Dürer gegenüber, das — auf
höherer Ebene — fast einen Menzelzug hat. Über-
raschend gegenwärtig wirken zwei ägyptische
Mumienbildnisse; sie sind wie von gestern — auch
der Erhaltung nach. In der Gruppe Giorgione,
Domenico Veneziano und Lorenzo di Credi, wirkt
Credi unmittelbar durch Zeichnung und Ausdruck,
Giorgione durch schöne Malerei; Venezianos all-
zuplastische Grisaille erscheint, bei aller Bedeutung,
etwas kurios: die Stilform tyrannisiert hier das
Künstlerische. Etwas dünn, mehr fein als stark
wirken Goya und Chardin, die das achtzehnte
Jahrhundert vertreten.

Unter den Plastiken hat der koptische Kaiser-
kopf eine von innen gestaltete, noch heute spontan
anmutende Monumentalität. Rassig, siegend durch
forcierte Bestimmtheit, wirkt auch in diesem Ver-
band Settignanos „Prinzessin". Antonio Tomagninis
Männerkopt weist schon auf Virtuosenunarten
späterer Jahrhunderte. Unter den ägyptischen Bild-
nissen wäre eine Porträtbüste aus Amarna auf-
schlußreich gewesen.

*

Diese Sonderausstellung ist durchaus einheitlich.
Dennoch erweckt sie die Vermutung, daß nicht
ein einziger gewählt hat. Solche Ausstellungen
sollten aber ganz persönlich gemacht werden. Denn
hier ist einmal im Persönlichen das Sachliche ent-
halten. Wie überall dort, wo Kunstgefühl ent-
scheidet.

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