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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 3
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0113

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seiner immer wieder gern gesehenen „laufenden Katze' und
der verstorbene Ernst Wenck mit barock bewegten Ton-
skizzen für Kirchenplastiken.

Im ganzen ist die Ausstellung sehr ruhig. Nichts für un-
ruhige Gemüter. Die stillen Künstler, so bescheiden sie sich
im Vergleich mit den Meistern auch ausnehmen, schicken sich
aber an, die lauten zu überholen.

DAS ZEITGEMÄSSE G E B R A U C H S G E RÄ T

Diese von Curt Glaser im Lichthof des Alten Kunstge-
werbemuseums veranstaltete Ausstellung ist wirklich
zeitgemäß. Sie hat mühevoll alles oder doch das meiste
von dem zusammengetragen, was heute an einfach gutem,
sachlichen Gebrauchsgerat (Tischgerät, Glas, Porzellan, Me-
tall, Stoffe, Lampen usw.) vorhanden ist. Es ist nicht eben
viel. Ein neues Angebot für Barbaren des Geschmacks macht
sich auf allen Märkten, in allen Auslagen breit. Vor dem
Krieg, als wir ein „neues Kunstgewerbe" hatten, gab es
weitaus mehr. Freilich waren die Formen des Gebrauchs-
geräts damals noch zu sehr persönlich betont; jedes bessere
Stück hatte eine Künstlermarke. Das ist inzwischen zum
großen Teil überwunden worden. Das ausgestellte Gerät ist
wohltätig anonym. Zur Orientierung ist diese Ausstellung
unübertrefflich, der Besucher kann sich aussuchen, was ihm
gefällt und sich Ware und Firma für den Bedarf vormerken.
Er erspart damit ein zeitraubendes Suchen in vielen Läden,
das dennoch gar zu oft vergeblich bleibt, weil das wenige
Gute im Wust des Geschmacklosen verborgen ist und oft
unauffindbar bleibt.

Sieht man dieses gute Gebrauchsgerät beisammen, so mutet
alles sehr selbstverständlich an. Um so mehr, als die Aus-
stellung übersichtlich und klar gemacht ist. Und doch war
ein weiter Weg nötig, um die Ornamentpest des Kunst-
gewerbeschulenstils auszurotten, um dann zu wirklich lebendig
einfachen Gerätformen zu kommen, und zuletzt, um diese
Formen auch noch der individualistischen Originalitätsnuance
zu entkleiden. Kaum am Ziel, kommt aber schon eine neue
Welle, die mit häßlichen Massenwaren das eben Errungene
wieder zu vernichten droht.

Auch zu einem Nachdenken über Handwerksform und
Maschinenform, über den wahrscheinlichen Gang der Ent-
wicklung, über den Zusammenhang dieser aristokratisierten
Industrieformen mit der neuen Architektur regt die Aus-
stellung an. Was alles beweist, daß es eine wirklich zeit-
gemäße und sehr gute Ausstellung ist. Man darf sagen, daß
niemand sie ohne irgendeinen Gewinn verlassen wird.

K. Sch.

MÜNCHENER AUSSTELLUNGEN

Die Galerie J. B. Neumann und Günther Franke bringt
eine Ausstellung zum Gedächtnis des im August ver-
storbenen Malers Anton Kerschbaumer. In der Hauptsache
werden Bilder, Aquarelle, Zeichnungen der letzten Jahre
gezeigt, in denen dieses eigensinnige, sehr gewissenhafte

Talent sein Bestes gab. Kerschbaumer, dessen Kunst an einer
inneren Schwere und zähen Problematik trug, ist in diesen
späten Arbeiten wesentlich freier geworden. Sein Streben
nach streng gesetzmäßiger Bildform, von einem starken
Abstraktionsvermögen unterstützt, hat eine schöne Erfüllung
gefunden in der Intensivierung auch der rein malerischen
Qualitäten; Form und Bildraum haben neues Leben ge-
wonnen in der Lösung aus dem Zwang des Konstruktiven.

Bei Caspari sind Aquarelle und Zeichnungen von Rudolf
Schlichter ausgestellt: ein Künstler, den sein geschmeidiges
Talent zur bloßen Virtuosität und zu meist recht peinlich
wirkenden Raffinements verführt, so daß die von Kubin
angeregte Phantasmagorie wenig Glauben findet.

Die Juryfreien zeigen Kollektionen von Hansl Bock, Tanja
Lichonin und Josef Karl Nerud. Lichonin erweist sich als
ein gutes Talent, das sich mit Glück im Porträt und im
Landschaftlichen versucht. Nerud, mit einer größeren Serie
von Aquarellen vertreten, leistet vorerst im Landschaftlichen
das Beste; es gelingt ihm dort eine lebendige farbige
Charakterisierung, während beim Porträt die versuchte for-
male Präzision noch immer zu trocken und formelhaft
bleibt.

In der Neuen Sammlung, Abteilung für Gewerbekunst des
Bayrischen National-Museums, ist „Münchner Arbeit für Haus
und Wohnung" ausgestellt: Arbeiten des Münchner Allge-
meinen Gewerbevereins. Sie wurden großenteils nach Ent-
würfen und im Auftrage der Neuen Sammlung ausgeführt,
deren Leiter, Wolfgang von Wersin, dem Münchner Ge-
werbe und Handwerk damit fruchtbare Anregungen zu geben
wünscht. Neben einigen kompletten Zimmereinrichtungen
mit guten, schlichten Möbeln von Max Hoene, W. v. Wersin,
Hillerbrand findet man vor allem Einzelmöbel in Holz, Rohr,
Stahl — leider mehr raffiniert und manchmal mit etwas zu
viel Lust am gefälligen Formenspiel erfundene Luxusgegen-
stände als eigentliches Gebrauchsgut. Außerdem sind Kera-
mik (u. a. von C. 0. Reuß-Schöngeising), Porzellane, Metall-
arbeiten, Bucheinbände (auch von der Münchner Berufsschule
für Buchbinder) ausgestellt — fast durchweg technisch und
formal qualitätvolle Arbeiten.

Der Denkmälervorrat in Münchens Straßen wächst zu-
sehends. Neuerdings ist vor dem neuen Anbau der Tech-
nischen Hochschule im Palazzostil (Architekt Bestelmeyer)
eine „monumentale" Bronze-Gruppe zweier Pferdeführer
aufgestellt worden, die die Akademieprofessoren Bleeker
und Hahn geschaffen haben. Man mag die bewußt archai-
sierten, in starrer Symmetrie vor die peinlich wirkende
Renaissancefassade gestellten Rossebändiger als Hinweis auf
die dem Techniker geläufige Maßeinheit „Pferdekraft" oder
als Sinnbild der Bezwingung der Naturkräfte durch den
Menschen auffassen: sie scheinen in jeder Weise vor einem
Lehrgebäude moderner Technik (die so naturhaft gar nicht
mehr denkt und denken kann) reichlich deplaciert. Künst-
lerisch befriedigen weder die einzelnen Gruppen noch das
Ganze — obwohl der Bleekerschen Gruppe vor allem ge-
wisse Qualitäten durchaus nicht abgestritten werden sollen.

Hans Einstein

IO3
 
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