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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 3
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Schwark, Günther: Porträtbüsten Joseph Chinards
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0103

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JOSEPH CHINARD, BILDNISRELIEF Mme. RECAMIER. UM 1805

PORTRATBUSTEN JOSEPH CHINARDS

von

GÜNTHER SCHWARK

Joseph Chinard, der zur Zeit Napoleons I. einer der ge-
suchtesten und fruchtbarsten Porträtbildhauer in Frank-
reich war, wurde am 12. Februar 1756 in Lyon als Sohn
eines „marchand sur la riviere" geboren. Schon als Volks-
schüler nahm er an den Kursen der von Nonotte geleiteten
königlichen Gratiszeichenschule in Lyon teil und errang dort
mehrere Preise. Seine ersten Modellierversuche erregten die
Aufmerksamkeit des Bildhauers Blaise. Mit fünfzehn Jahren
fand er Aufnahme in dessen Atelier und arbeitete ein Jahr
darauf an den Restaurationen des Hotel de ville mit. Im
Jahre 1780 entstanden die ersten selbständigen Werke, vier
Evangelisten für St. Paul, und zwei Jahre später die Kolossal-
statuen des heiligen Bruno und des heiligen Johannes. Ein
Kunstliebhaber, der Chevalier de la Font de Juis, empfahl
Chinard einen längeren Studienaufenthalt in Italien. Um die
Reise zu ermöglichen, beauftragte er ihn mit mehreren Ko-
pien nach Antiken, worauf der junge Künstler eine An-

zahlung erhielt. 1784 traf Chinard in Rom ein. Er imma-
trikulierte sich auf der italienischen Akademie „di San Luca"
und beteiligte sich 1786 an einem von ihr ausgeschriebenen
Wettbewerb, dem sogenannten „Concorso Balestra". Mit
einer anmutigen, noch stark im nachklingenden Rokoko be-
fangenen Gruppe „Perseus befreit Andromeda" errang er
den ersten Preis, wodurch er mit einem Schlage in Frank-
reich berühmt wurde. Zur selben Zeit entstanden in Rom
die ersten Porträtwerke, einige Medaillonporträts (eins da-
von im Louvre) und eine Jünglingsbüste (vormals Samm-
lung Mante, Marseille). Sie sind im Sinne des Houdonschen
„Naturalismus" mit objektiver Treue dargestellt.

1787 kehrte Chinard nach Lyon zurück und heiratete
dort die Stickerin Antoinette Perret. Die Revolution brach
aus und der Künstler kämpfte in ihren Reihen. 1791 reiste
er zum Zweiten Male nach Rom. Wegen seiner radikalen
politischen Gesinnung wurde er nach längerer Inhaftierung

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