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dLSLin historisches Jactum.ZZL)
(Zwar noch nicht ganz verbürgt, aber schon wahrscheinlich.»

/Vm Vatikan auf goldncm Throne
Sitzt still ein lebensmüder Greis,
Dreifache Last dreifacher Krone
Aus seinen Lecken silberweiß.
Er winkt heran den allsten Pater:
»Wie steht cS in der Weltgefchicht'?
Die Zeitung her!" — ».Hier, beil'ger Vater.
Doch bester wär's, Ihr läs't sic nicl't!""
Ter Greis ergreift die grauen Blätter,
Er liest und lächelt dann und wann;
ES ist. als spräche jede Vetter
Ihn tröstend und vertraulich an.
Und immer Heister blickt der Alte.
Vertieft in das gedruckte Wort;
Es flieht deö Kummers letzte Falte
Von seiner hoben Stirne fort.
Und endlich tbut dem Priester Kranze
Er seiner Seele Freude kund.
DaS Auge in propbet'schem Glanze,
Und heitreS Lächeln um den Mund:
»Es naht das Ende aller Dinge!
Drum höret meines Herzens Schluß:
Nicht fürder bier im Haus erklinge
Das störrische Non possumus!

DaS Ende naht'. Der Erde Niesen
% Sie stürzen jählings über Nacht;
Die einst allein das Recht gepriesen,
Sie preisen heut allein die Macht.
Die Gläub'gen steigen von den Thronen.
Und Ketzer schwingen sich hinaus;
ES stehn bereits in fernen Zonen
Die todten Helden wieder aus.
Ja. ja. sie stehen auf. die Todten.
Machtlos ist meine- Bannes Blitz!
Erstanden ist — hört nur die Boten —
Aufs Neu' die Zeit deS alten Fritz.
Es sprengen ringS in gloriam Dei
Die Geister ihrer Knechtschast Joch.
Jetzt seh' ich ein — o Galilei! —
Die Erde, sie bewegt sich doch!
Den jüngsten Tag schon seh' ich dämmern,
Er ist in ungeahnter Nah';
Tie Wölfe speisen mit den Lämmern.
Und mit dem Löwen scherzt das Reh!
Ter Tiger streckt die sammtncn Tatzen,
Nur um den Hahn zu streicheln, auS;
Die Hunde schäkern mit den Katzen.
Und mit dem Kater spielt die Maus.

D'e Weißen und die Menschenfresser
Seh' ich in friedlichem Gemisch;
Die einst bekämpft sich bis aufs Messer,
Sie tafeln an Leinselben Tisch,
Sie trinken auö demselben Horne
Und aus derselben Lethe jetzt.
Wohlan, jo sei auch meinem Zorne —
Nos possumus — ein Ziel gesetzt!"
Als Solches hat der Greis verkündigt,
Schreibt er ein Bricslein: »Lieber Sohn.
Für das, was Du an mir gesündigt,
Ertheil' ich Dir Gen'ralpardon!
Laß, Yittorio Emanuele,
Auch unsern Haß den Todten weihn.
Laß uns ein Her; und eine Seele,
Laß uns in Zukunft Freunde sein!
Entsage Du dem falschen Wahne.
Komm an mein Herz so warm und wahr;
Denn Raum ist auch im Vaticane
Noch für ein glücklich liebend Paar!
Wenn Fuchs und Schafe sich vertragen,
Laß uns auch halten Fried' und Ruh!" —
Er fchrieb'S und drückte mit Behagen
Ten Fischerring auis liillot-ckoux.
Kladdcradatsch.

^bFcuilleton.^^

/)erf)(lfeutffcfon.
Von Earlchcn Mießnik.
DaS Hcrbstfeuilleton beginnt gewöhnlich damit, daß man von dem Schluß
der Reisezeit spricht und von den Erwartungen der glänzenden Wintersaison.
Viele sind zurückgekommen und speisen bereits in der Wilhelmsstraße. Andere
sind noch in Wiesbaden, Homburg oder anderen Böhmischen Bädern.
Böhmen war überhaupt in diesem Jahre sehr besucht. Viele jedoch, welche diesen
Sommer verreist sind, wären gern zu Hause geblieben, da während der Abwesen-
heit dock Manches vor- und abgefallen ist, obgleich die Hoflieferanten gewöhnlich
eine rührende Anhänglichkeit bewahren, bis ein anderer Fürst oder Kronprinz
seinen Aufenthalt in Hannover nimmt. Daher auch, wenn Preußen Grön-
land annectiren sollte, keine Seife daselbst eingesührt werden würde, um die
berechtigten Eigcnthümlichkeiten der Eskimoö zu schonen. Denn daS schnell
Einverleibte erhebt gern und oft seine Stimme, woher daS Bauch re den ent-
steht. welches etwas Unheimliches hat. indem es uns nicht aus der Seele spricht.
ES heißt aber Epistel Jaccbi, Capitel 3, VerS 5: „Es ist ein kleines
Glied und richtet große Dinge an", nämlich die Zunge. Wie über-
haupt die Epistel Jacobi S dock einmal etwas Anderes ist, und die Welt stets
den Reiz der Neuheit liebt, weßhalb die Wiener jetzt ganz glücklich sein sollen,
indem sie nun einige Zeit ganz von patriotischen Stücken verschont bleiben wer-
den. Auch will man die Entdeckung gemacht baben, daß immer eine und die-
selbe Nahrung, auch wenn cs Rebhühner sind. Ekel erregt, und Eigenlob
einen so penetranten Geruch hat, daß, wenn es nicht von Zeit zu Zeit gehörig
deeinsicirr wird, sich gefährliche Entbusimiaemen entwickeln, die ganze Fami-
lien hinraffen. Am heftigsten graisirt jedoch die Augsburger Zeitung
gegen die Mainlinie, indem, wenn dieselbe schon vor hundert Iabren Preußisch
geworden wäre, Götbe. alö geborner Frankfurter, vielleicht in Grauten;
sein Iabr abgedient haben würde. Dort hätte eS ibm sicher stbr gefallen; er
hätte sich allda vcrheiratbet und seine sämmtlicken Werke zu schreiben unter-
lasten, wodurch Herr von Cotta um sein ganzes Vermögen gekommen wäre,
woher cs ibm wohl nicht zu verdenken ist. Eigennutz ist die Triebfeder aller
menschlichen Handlungen, daher auch Graf Bismarck drei Stunden lang der
Einweihung der neuen Synagoge beigcwohnt hat. weil er daselbst den Hut
aufbchalten konnte und sein Haupt nicht bloßzustellen brauchte. Auch beab-
sichtigt er. wie Louis Philipp seine Popularität zu vergrößern, und, wie dieser
die Leicke Napoleons von St. Helena nach Paris, so den todten Bundestag

in Augsburg ausgraben und nach Berlin als Deutsches Parlament bringen
zu lasten, obgleich alles srisch Geschlachtete sich bei der Hitze nicht lange hält,
und es künftiges Frühjahr wieder loögehen soll, indem das Allgemeine Volks-
bla t! nur von einem inneren und äu ß er e n W affen sti l l sta nd spricht. waS
auch die Nichtbestätigung so vieler RathSmännrr und Stadträthe beweist, da die Regie-
rung gewiß nicht so l ch e Ge I ü st e haben würde, wenn sie nicht bereits wieder guter
Hoffnung wäre. Denn der viele Regen in diesem Sommer, der das große
WachStbum erzeugte, bat auch die Parteien gesprengt und einen Strom
geschaffen, gegen den zu schwimmen eine gute Brust gehört, und noch mebr
ein festes Herz darin, indem cs zuweilen auch das Unglück der Völker ist,
daß sie die Wahrheit nicht hören wollen, weßhalb auch der Kaiser von Sester-
reich in seiner Audienz bei Anton Ascher äußerte, daß er den Krieg in
Böhmen nur für einen jener glücklichen Einfälle halte, über den er, wie
über die unzähligen Aschers, noch zu lachen hoffe.
Was uns daher die Zukunft bringen wird, ist nicht nur von einem
Schleier, sondern von einem dicken Sack mit Rosinen verhüllt.
Niemand weiß, was dm aus werden wird. Jedenfalls aber werden wir
am 20. und 21. d. M. Abends bell sehen!
Ztaliänische Rcnte gefragt. Lorbeer hoch.
Earl Mießnik.

In einer Sitzung eines gewisten hohen Hauses sagte ein gewisser Justiz-
minister Folgendes:
„Meine Herren! Mehrmals über die Hvpotbckcncrtnung vom Jabre 18', 7
gekragt, bemerke ich, daß ick' mich gerade diesem Werke mit großer Verliebe
gewidmet und bis zum Jahre 1863 mit so großem Eifer daran gearbeitet
babe, daß bereits im Januar 186 6 (also nach 9 Jahren) an eine Vorlage
hatte (nicht zu gedenken) gedacht werden können."
Wenn dieser Iustizminister an diesem seinem Werke mit dieser, allen
neuesten Erfindungen bohnsprechenden kabelhaften Geschwindigkeit fortarbeitet,
so dürste man der Vollendung dcstelben wohl schon im nächsten Jahrhundert
entgegensehen können.

Wie die Times behauptet, beschäftigt die von Preußen in die Hand ge-
nommene Deutsche Frage noch immer den Erdkreis. Nach der Rete des
Abgeordneten vr. Libelt scheint sic jedoch noch nicht bis zu den Polen ge-
langt zu sein.
 
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