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Knackfuß, Hermann; Rubens, Peter Paul [Ill.]
Rubens — Künstler-Monographien, Band 2: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.60845#0128
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zu malen. Von den Gemälden mythologischen Inhalts — den Parismteilen, Ent-
führungen, Venus- und Grazienbildern (Abb. 99), Dianen und Satyrn, und was sonst noch
ihr Gegenstand sein mag — scheint eine ganze Menge dieser Zeit anzugehören. Daß Rubens,
wenn er sozusagen zu seiner Erholung malte, mit Vorliebe Stoffe aus der antiken Götter-
sage wählte, ist leicht erklärlich, indem er hier am meisten Gelegenheit fand, Fleisch zu
malen. (Siehe auch Abb. zwischen S. 112 u. 113.) Nur aus diesem Grunde hat er in
vereinzelten Fällen aus italienischen Dichterwerken, aus Voccaccios Novellen und aus Ariostos
Heldengedicht, Motive entnommen. Doch auch die Geschichtserzählungen des Altertums,
die Bibel wie die klassischen Schriftsteller, boten immer wieder Anregungen. Mit der
Jahreszahl 1625 und der Namensunterschrift des Meisters ist ein in kleinem Maßstabe
ausgeführtes kostbares Gemälde des Louvre-Museums bezeichnet, das den Auszug Lots
aus Sodom darstellt. Von dem Hintergründe dunkelgrauer, gelb durchleuchteter Wolken, in
denen feuerschleudernde Dämonen gegen die Stadt heranstürmen, hebt sich in echt Rubensscher
Farbenfülle der Zug der Flüchtlinge ab, die eben das Stadttor verlassen; voran, von
einem Engel, der zur Eile aufzufordern scheint, geleitet, der mit schwerem Entschlüsse
vorwärts schreitende Patriarch, hinter ihm seine jammernde Frau, halb geschoben von
einem braunlockigen Engel, dessen jugendliche Anmut zu den furchigen Zügen der Alten
in wirkungsvollem Gegensätze steht, zuletzt die beiden Töchter, von denen die eine einen
beladenen Esel am Zügel führt, während die andere, eine blühend schöne Gestalt, einen
Korb mit Früchten aus dem Kopfe trügt (Abb. 100).
Mit eben dem Jahre 1625, in dem wir den Meister eine so reiche Tätigkeit ent-
falten sehen, schloß für ihn die Zeit, in der es ihm vergönnt war, ungestört seiner Kunst
zu leben; es begann der Abschnitt seines Lebens, wo er, nach seinem eigenen Ausdruck,
im Dienst der Fürsten beständig den Fuß im Steigbügel hatte.
Anscheinend hatte sich Rubens im Jahre 1623 zum erstenmal auf das Gebiet der
Politik begeben. Wenigstens verhandelte er damals mit einem Verwandten, der in
Holland eine angesehene Stelle bekleidete, über die Möglichkeit, die nördlichen Niederlande
zur Erneuerung des abgelaufenen Waffenstillstandes mit Spanien zu bewegen. In einem
Briefe des englischen Geschäftsträgers in Brüssel, William Trumbull, vom 13. Oktober
1624, kommt eine Stelle vor, welche bekundet, daß die maßgebenden Persönlichkeiten
diesen Bemühungen des vielbegabten Mannes volles Gewicht beimaßen: „Zuerst will
ich von einer geheimen Friedens- und Wassenstillstandsunterhandlung sprechen, geleitet
durch Peter Paul Rubens, den berühmten Maler, zwischen den Vereinigten Provinzen
und denen, die jetzt unter des Königs von Spanien Botmäßigkeit stehen. Ein Beweis,
nach meiner bescheidenen Ansicht, daß, obgleich sie (die Spanier) sich um Breda (die von
den Holländern mit großer Zähigkeit verteidigte Festung) bewerben und es schon so gut
wie gewonnen ansehen, sie des Krieges müde sind und zufrieden wären, die Waffen ab-
zulegen .... Darum ist der Marquis Spinola fest entschlossen, entweder Breda zu
gewinnen oder in den Laufgräben davor seinen Leichnam und seine Ehre zu begraben."
— Selbstverständlich muß man annehmen, daß Rubens derartige Verhandlungen nicht
auf eigene Faust leitete, sondern daß er im Auftrage der Infantin handelte. Es erscheint
befremdlich, daß die Fürstin den Maler mit solchen Geschäften betraute. Aber Rubens
war nicht nur als Künstler, sondern auch in vielen anderen Beziehungen eine ungewöhnlich
begabte Natur; er besaß eine ausgezeichnete Bildung, war redegewandt und klug, auf-
richtig und liebenswürdig und bei allem gerechten Selbstbewußtsein bescheiden; er sah die
Dinge von einem großen Standpunkte aus an, und mit der ruhigen Sicherheit des
Blickes verband er eine unerschütterliche Festigkeit des Willens. Soweit sein Künstlerruhm
drang, so weit stand auch seine Persönlichkeit in Ansehen. Dieser Tatsache gab Philipp IV.
von Spanien Ausdruck, indem er am 5. Juni 1624 eine Urkunde ausstellte, durch die
er Rubens — anscheinend auf dessen Ansuchen — für sich und seine rechtmäßigen Nach-
kommen in den Adelstand erhob, „in Anbetracht des großen Ruhmes, welchen er ver-
dient und erlangt hat durch die Vortresflichkeit der Malerkunst und seltene Erfahrung in
derselben, wie auch durch die Kenntnis, welche er in der Geschichte und in Sprachen
hat, und andere schöne Eigenschaften und Begabungen, welche er besitzt und die ihn
 
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