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Rembrandt.“

ſ lichen Selbſtändigkeit Hollands bezeichnen. Solange die Niederlande ein
— 4 X Sanzes bildeten, war von einer beſonderen holländiſchen Kunſt gegen-
S— über der tonangebenden flandriſchen nicht die Rede. Die Verſchieden-
heit des Erfolges aber, mit dem die nördlichen und die ſüdlichen Provinzen aus
dem langen, blutigen Kriege gegen die ſpaniſche Herrſchaft hervorgingen, hatte
eine ausgeſprochene Verſchiedenheit der Kunſtentwicklung hier und dort zur Folge,
wenn auch die Stammverwandtſchaft ſich niemals ganz verleugnete und namentlich
in der Weſenseigentümlichkeit die flandriſche und die holländiſche Malerei überein-
ſtimmten, daß in der Farbe mehr als in der Form das Mittel dichteriſchen Aus-
drucks geſucht und gefunden wurde. Das Jahr 1609, in welchem der Abſchluß
eines zwölfjährigen Waffenſtillſtandes tatſächlich die Anerkennung der ſieben ver-
einigten Provinzen als eines ſelbſtändigen Staates in ſich trug, war gewiſſermaßen
das Geburtsjahr der holländiſchen Malerei, die ſich nunmehr in höherem Maße
als jemals irgend eine andere Kunſt des chriſtlichen Zeitalters als eine nationale
geſtaltete. Ein lebendiges Kunſtbedürfnis war in dieſen Provinzen von alters her
vorhanden, und der hoͤhe Wohlſtand, der nach dem Waffenſtillſtandsabſchluß ſo
unglaublich ſchnell aufblühte und der ſelbſt während der Wiederaufnahme der erſt
1648 endgültig zum Abſchluß gelangenden Freiheitskämpfe fortwährend zunahm,
brachte naturgemäß eine Steigerung dieſes Bedürfniſſes mit ſich. Aber der junge
proteſtantiſche Freiſtaat hatte mit allem gebrochen, was bisher der Malerei die
höchſten Aufgaben geboten hatte. Hier waren jetzt nicht mehr die Kirchen mit.
prunkvollen Altargemälden auszuſtatten, die Fürſtenpaläſte nicht mit üppigen
Göttergeſchichten und Taten antiker Helden zu ſchmücken; es handelte ſich darum,
die behagliche bürgerliche Häuslichkeit durch künſtleriſche Zierde würdig zu ver-
ſchönern und für Rathäuſer und Gildehäuſer Werke zu liefern, die frei von jeder
Überſchwenglichkeit das Weſen nüchterner und ſtolzer Bürgerlichkeit wahrten.
Worin die Aufgabe beſtand, die das neue Volk ſeinen Künſtlern ſtellte, hat ein
franzöſiſcher Schriftſteller treffend in die Worte gefaßt: „Es verlangte, daß man
ihm ſein Abbild liefere.“ Das iſt in der Tat der Inhalt der holländiſchen
Malerei, das ehrliche, wahrheitsgetreue Abbild von Land und Leuten und
Dingen, die Wiedergabe der ſchlichten Wirklichkeit, wie die Heimat und die
Gegenwart ſie zeigten und im Künſtlerauge ſich ſpiegeln ließen, mag nun
Bildnis, Lebensſchilderung, Landſchaft, Tierſtück oder Stilleben der Gegenſtand
des Gemäldes ſein.

Dieſes ehrliche Abbilden der Wirklichkeit war ein großer Teil der Kunſt des
einen, der über zahlreiche ausgezeichnete Maler hoch emporragend als der größte
holländiſche Maler daſteht. Aber es war nicht ſeine ganze Kunſt. Rembrandt
wußte ſeine ſtaunenswürdige Befähigung zu lebensvoller Wiedergabe der Natur
ſeinem eigenen freien Schaffensdrange dienſtbar zu machen und fand in ihr das
Mittel, den Gebilden ſeiner eigenwilligen und lebhaften, gelegentlich geradezu
ſchwärmeriſchen Einbildungskraft eine Geſtalt zu verleihen, die nicht nur ſeinem
eigenen Weſen entſprach, ſondern auch ſeine damaligen Landsleute unmittelbar
anſprechen mußte. So offenbarte er ſich, unterſtützt durch eine großartige Voll-
kommenheit in der Beherrſchung ſeines Handwerkszeuges, die ihn zu einem der
allerbeſten Maler und zum größten Radierer aller Zeiten gemacht hat, als einer
der ſelbſtändigſten und eigengeſtaltigſten Künſtler der Welt.

Rembrandts Elternhaus ſtand zu Leiden, am Weddeſteg in der Nähe des
Weißen Tores (Wittepoort). Es war das Beſitztum eines Müllers, deſſen Familie
vom Rhein, das heißt von dem Mündungsarm des Fluſſes, der allein dieſen

Knackfuß, Rembrandt. 1 1
 
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