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Sprechende des Ausdrucks bei den verſchiedenen Perſonen, die innerliche Erregung
Jofephs, der beim Erzählen ſich beſinnt, um nicht das gexingſte ungenau wieder-
zugeben von dem Merkwürdigen, das er geträumt hat, der nachdenkliche Ernſt
des im Lehnſtuhl ſitzenden greiſen Iſrael und der altersmüden, auf dem Bette
ruhenden Lea, alle Abſtufungen der Mißgunſt bei den Brüdern, die teils mit
der Aufmerkſamkeit des Neides lauſchen, teils ſpöttiſch untereinander ziſcheln,
und von denen nur der junge Benjamin ohne Arg und ohne Falſch, mit rein
kindlicher Neugier dem Erzähler über ſein Leſebuch hinweg zuhört, — und nicht
mindel die reizvolle maleriſche Wirkung des Blattes rechtfertigen, in vollſten
Maße deſſen alten Ruhm (Abb. 71). Schon bei Lebzeiten Rembrandts galt
man, nach der Außerung eines Zeitgenoſſen, in den Kreiſen kunſtſinnigex Leute
für ungebildet, wenn man nicht mindeſtens zwei Abzüge davon heſaß, ein, Zoſeph-
chen mit dem weißen Geſicht“ und ein „Joſephchen mit dem ſchwarzen Geſicht“.
Auf den Abzügen nämlich, die Rembrandt von der Platte in ihrem erſten Zu-
ſtand genommen hat, iſt bei dem hinter, Joſeph ſtehenden Bruder wit dem Turban
auf dem Kopfe und dem Sammetmantel um die Schultern das Geſicht hell be-
leuchtet Als aber ein Vorrat von Abzügen hergeſtellt war, veränderte Nembrandt
die Platte, indem er über jenes Geſicht. einen Teil des Turbans und die auf der
Bruft fichibare Unterkleidung kräftige Schattentöne legte und im Anſchluß daran
die beiden benachbarten Gefichter und den, anſtoßendex. Teil des Hintergrundes,
Tür und Vorhang, mehr oder weniger abtönte. Bei dieſer Behandlung hat das
„ſchwarze Geſicht“ gegen
das weiße entſchieden an
Ausdruck verloren, aber
der Hervorhebung der
Hauptfigur kommt die An-
derung weſentlich zugute.

Übrigens wußte Rem-
brandt nicht bloß durch
nachträgliche Bearbeitun-
gen der Kupferplatte der-
artige Abwandlungen in
eine Radierung zu brin-
gen, daß die verſchieden-
artigen Abdrücke von den
Sammlern wie verſchie-
dene Werke geſchätzt wur-
den und heute noch ge-
ſchätzt werden. Auch die
von ein und demſelben Zu-
ſtand einer Platte gezo-
genen Abdrücke ſind bei
wirkungsvollen Blättern
häufig voneinander ver-
ſchieden. Denn Rembrandt
druckte ſeine Radierungen
eigenhändig, und indem
er hier den Ton verſtärkte,
dort milderte, erzielte er
neue künſtleriſche Reize
und Mannigfaltigkeiten
der Wirkung. Wenn das
Serücht umging, er beſitze Aob. 71. Joſeph erzählt ſeine Träume. Radierung von 1638,
Geheimniſſe der Kupfer⸗ (3u Geite 78.)

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