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ſtecherkunſt, die keinem anderen bekannt ſeien, ſo beſtand das Seheimnis außer
in feinem Genie eben nur darin, daß er, ſelber druckend, auch beim Druck noch
als ſchaffender Künſtler zu Werke ging.

Zu den Radierungen von 1638 gehört ferner der einzige Verſuch Rem-
brandls, die beliebte Künſtleraufgabe von Adam und Eva zu behandeln Daß
er die Stammeltern nicht als ſchöne Menſchen dargeſtellt hat, befremdet hei ihm
nicht; ſehr merkwürdig aber iſt, daß er ſie als wilde Menſchen von niedriger
Kultuͤrſtufe gedacht hat, rauh und ungelenk in Ausſehen und BVenehmen. Die
Schlange liegt als ein unheimlicher Dräche auf Stamm und Geäſt des Baumes,
im Schatten eines dichten Daches von Feigenblättern, und ſie züngelt mit bos-
haftem Blick über Eva. Das Weib, mit der gepflückten Frucht in der Hand,
blickt mit dem trotzigen Bewußtſein des Ungehorſams Adam eindringlich an; der
Mann macht eine warnende Gebärde mit der Rechten, aher ſeine Linke ſtreichelt
ſchon die dargebotene
Frucht. Prachtvoll iſt die
landſchaftliche Wirkung
des Ganzen, mit ſcharfem
Sonnenlicht und Schatten
auf den Figuren und mit
dichten Bäumen in der
Ferne, unter denen ein
Elefant umherwandelt.

Ein radiertes Selbſt-
bildnis von dieſem Jahr
mit einem Ausdruck ge-
machter Strenge, hinter
der eine natürliche Er-
müdung nicht ganz ver-
ſchwindet, gibt uns den
ungewöhnlichen Anblick,
daß Rembrandt ſeinem
Bartwuchs an Kinn und
Wangen volle Freiheit ge-
laſſen hat. Geſicht und
Haare ſind hier mit be-
ſonderer Feinheit ausge-
Abb. 72. Selbſtbildnis — Radierung von 1638. — 4 4

kennzeichnet, der Sammet
der mit einer Straußenfeder geſchmückten Mütze, die Seide und die Goldtreſſen
des pelzgefütterten Mantels Abb. 72). Frau Saskia finden wir als Heilige
Katharina in einer Halbfigur mit offenem Haar, in einem lichten, feierlichen
Gewand, die Hände uͤbereinandergelegi, mit ernſter Miene. Das Blatt führt die
Benennung „Die kleine Judenbraͤut“, obgleich die Heilige deutlich durch das
herkömmliche Beiwerk gekennzeichnet iſt.

Einigẽ Gemälde von 1658 führen uns auf ein neues Gebiet, das Remhrandt
ſeinem Schaffensdrang erſchloß. Früher gab er der Landſchaft in ſeinen Werken
felten eine höhere Bedeutung als die der Ortsbezeichnung odex des Hintergrundes.
Jetzt malte er landſchaftliche Kompoſitionen, in denen er großartige Stimmungen
der Natur, die Bewegungen der Luft und des Lichtes, das zwiſchen Wolken hin-
durch einen Weg ſucht, dichteriſch ſchilderte. Er hatte eine neue Form, den
Kampf des Lichtes gegen das Dunkel zu malen, entdeckt. Das wuchtigſte unter
den Anfangswerken feiner Landſchaftskunſt wirkt mit ſtarken Mitteln. Der Sturm
brauſt durch alte Eichen, ganz ſchwarz ziehen die Wolken, und ein greller Licht-

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