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üblichen glatteren Malverfahren durchaus verſchiedene Art der Olfarbenbehand-
lung, um alles ſo kräftig und ſo leuchtend, wie es ſeinen Augen erſchien, wieder-
zugeben (Abb. 11). Auch ſuchte er durch verſchiedene Arten der maleriſchen
Technik der Verſchiedenartigkeit der Modelle gerecht zu werden. Durch bild-
mäßige Anordnung in künſtleriſchem Abwägen der abgeſchloſſenen Wirkung des
Ganzen, durch geiſtig vertiefte Auffaſſung und durch ſorgfältigſte Durchbildung
erhob er bisweilen die Studie zu dem Anſehen eines anſpruchsvollen Bildniſſes.
So iſt das mit der Jahreszahl 1630 bezeichnete Bild eines Greiſes, dem
die ſchwarze Sammetkleidung und die doppelte Kette mit Anhängekreuz ein
vornehmes Ausſehen leihen, in der Gemäldegalerie zu Kaſſel, ein vollendetes
Meiſterwerk. Es liegen auch Zeugniſſe vor, daß die Kunſt des jungen Malers
gerechte Anerkennung fand; aber an Aufträgen ſcheint es in Leiden gefehlt.
zu haben.

Im Jahre 1631 verließ Rembrandt ſeine Vaterſtadt. Er ſiedelte nach Amſter-
dam über; in der ſtolzen und reichen Hauptſtadt der vereinigten Provinzen mußte
für die Betätigung ſeines Könnens das fruchtbarſte Feld bereit ſein. In der
Tat gelangte der Fünfundzwanzigjährige hier ſchnell zu großem Rufe. Auch
die jungen Maler erkannten ſein hohes Können, und es dauerte nicht lange, ſo
begann ſich eine Schar von Schülern um ihn zu ſammeln. Es wird erzählt, er
habe ſeine Schüler in geſonderten Zellen arbeiten laſſen, zu dem Zwecke, daß
das Individuelle ihrer Begabung beſſer gewahrt bleibe und ihre Kunſt vor ſchul-
mäßiger Gleichförmigkeit behütet werde.

In Amſterdam fand Rembrandt guten Boden für ſeine natürliche Fahigteit
und Neigung, die ſtärkſten künſtleriſchen Reize aus Erſcheinungen zu gewinnen,
die einem anderen unerfreulich oder abſtoßend vorkommen mochten. Vor allem
zog ihn das Judenviertel mit ſeinen maleriſchen Erſcheinungen an. Hier waren
für Geld die ausdrucksvollſten Modelle zu haben, und mit wahrer Luſt verewigte
Rembrandt die jüdiſchen Charakterköpfe. Die an und für ſich ſchon auffallende
Tracht der Amſterdamer Juden bereicherte er dabei gern in phantaſtiſcher Weiſe
durch bunte Stoffe und mancherlei Schmuckſtücke aus dem Vorrat ſeiner Werk-
ſtatt. Nembrandts Werkſtatt geſtaltete ſich nämlich allmählich zu einer förmlichen
Sammlung von maleriſchen Koſtbarkeiten und fremdartigen Kleidungsſtücken. Zu
deren Anſchaffung gab es wohl nirgends beſſere Gelegenheit als in Amſterdam,
wo Kaufleute von allen Enden der Welt zuſammenſtrömten und wo die Trödler-
läden des Judenviertels, das Rembrandt ſo gern durchſtreifte, ſolcher Liebhaberei
gar einladend entgegenkamen.

Rembrandt fuchte die jüdiſchen Modelle nicht bloß um ihres perſönlichen
maleriſchen und charakteriſtiſchen Außeren willen als dankbare Vorwürfe für
Radierungen und Studienbilder auf. Er erblickte in ihnen auch die Vertreter
des auserwählten Volkes, und es war eine Art geſchichtlicher Gewiſſenhaftigkeit,
wenn er ſie als die einzig echten Modelle für bibliſche Kompoſitionen anfah, —
und Gewiſſenhaftigkeit war ja der eigentliche Grundzug der holländiſchen Kunſt.
Die ehrwürdigen Erſcheinungen der alten Patriarchen wurden vor ihm lebendig.
Wenn er ſie verbildlichen wollte, brauchte er dem, was die Wirklichkeit ihm
zeigte, nicht viel aus der Phantaſie hinzuzufügen. Was er bei Schilderungen aus
dem Leben der bibliſchen Urväter an Fremdartigem hinzutat, beruhte nicht auf
Willkür, ſondern auf der ehrlichen Abſicht, ſie wahrheitsgetreu als Bewohner des
Morgenlandes darzuſtellen. Er ſuchte mit ernſtem Eifer in Büchern und in
Sammlungen nach allem, was ihm eine anſchauliche Kenntnis von morgenländiſchen
Dingen verſchaffen konnte. Seine Vorſtellung füllte ſich mit Bildern, in denen
Erzaͤhlungen des Alten Teſtaments Geſtalt annahmen. Das ließ ſich gar nicht
alles malen. Auch die leichtere Art des Mitteilens, die ihm die Ätzkunſt gewährte,
reichte nicht aus für die Fülle des innerlich Geſchauten. So legte er manches,
um es wenigſtens für ſich ſelber auszuſprechen, in ſchneller Zeichnung feſt. Rem-

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