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Gott fürchteſt“ (Abb. 42). Beim
Betrachten von Rembrandts bib-
liſchen Kompoſitionen muß man
den Text zur Hand haben, um
alle Feinheiten, mit denen der
Künſtler die Schriftworte ver-
bildlicht, zu würdigen. Zu der
großartigen Schönheit der Kom-
poſition von „Abrahams Opfer“,
im Aufbau, im Zug der Linien,
in der maleriſchen Wirkung,
kommt eine bei Rembrandt ganz
ungewöhnliche äußere Schönheit
der Geſtalten, namentlich in den
Köpfen Abrahams und des
Engels.

Dieſelbe überraſchende Erſchei-
nung hoher Formenſchönheit fin-
den wir in einem anderen Ge-
mälde aus der Geſchichte Abra-
hams, das wahrſcheinlich bald
nach jenem entſtanden iſt, und
das ſich ebenfalls in der Samm-
lung des ehemaligen Kaiſers von
Rußland befindet. Man fühlt ſich
faſt verſucht zu glauben, Rem-
Abb. 30. Vruſtbild eines alten Mannes. Federzeichnung. brandt hätte beſondere Anregun-

In der Albertina zu Wien. (Zu Seite 71.) gen empfangen daraus, daß er
gerade damals einige auffallend
ſchöne Perſonen porträtierte. Dieſes Bild ſtellt die Bewirtung der drei Engel dar,
in denen der Herr dem Abraham erſcheint. Eben ſpricht der eine der Gäſte, eine
hehre Jünglingsgeſtalt, und mit ihm richten ſeine beiden jugendlichen Begleiter
die Blicke auf Abraham. Der Greis vernimmt die Worte: „So ich lebe, ſiehe, ſo
ſoll Sarah, dein Weib, einen Sohn haben,“ — und er erſtarrt in Verwunderung,
die Hand, die den Braten vorlegen ſollte, ſinkt zurück; aber keine Miene des
Zweifels geſellt ſich zu dem Ausdruck des Staunens. Sarah dagegen, hinter ihm,
die es hinter der Tür des Hauſes gehört hat, lacht bei ſich ſelbſt (Abb. 69).
Rembrandt liebte es, ein Thema, in das er ſich einmal vertieft hatte, öfter zu
behandeln und von verſchiedenen Seiten anzufaſſen. Der Beſuch der drei Himm-
liſchen hat ſeine Vorſtellungskraft manches Mal erfüllt und ihn angeregt, einen
Bildgedanken, wenn auch nur in flüchtigen Strichen, niederzuſchreiben. Ein Beiſpiel
unter vielen iſt die hochpoetiſche Federzeichnung in der Albertina. Hier iſt die
Erſcheinung des Herrn nicht durch drei Engel wiedergegeben, ſondern Jehova
ſchreitet als ein erhabener Greis zwiſchen zwei jugendlichen geflügelten Begleitern.
Und Abraham, „da er ſie ſah, lief ihnen entgegen vor der Tür ſeiner Hütte und
bückte ſich nieder auf die Erde“. Um das Haupt des Herrn ſtrahlt es wie eine
flammende Sonne, und die ganze Gruppe der drei Männer iſt eine großartige Licht-
erſcheinung; in der irdiſchen Umgebung aber iſt die natürliche Tagesſtimmung, „da
der Tag am heißeſten war“, durch ein paar Tuſchlagen wundervoll zum Ausdruck
gebracht; der tiefe Ton des wolkenloſen Himmels, von dem alles Beleuchtete ſich hell
abhebt, läßt uns die Sommerglut empfinden, und einladend winkt der Schatten des
Baumes, unter dem der Patriarch die himmliſchen Gäſte bewirten wird (Abb. 67).
Zu den Radierungen des Jahres 1635 gehört ein hochberühmtes Blatt:
„Chriſtus reinigt den Tempel“. Es iſt eine wuchtige Darſtellung voll bewegten

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