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ein zu Häupten der Frau erſcheinendes Flügelweſen mehr einem Liebesgott als
einem Engel gleicht. Im übrigen aber ſcheint die bipliſche Deutung zutreffender.
Die Tochler Kaguͤels erwartet ihren Bräutigam, aber da er kommt, macht ſie
eine Gebärde warnenden Zurückweiſens, weil fie fürchtet, daß er das Schickjal der
ſieben früheren Männer teilen würde. Dem entſprechen Bewegung und Ausdruck
der Figur viel beſſer als einer Außerung des Überraͤſchtwerdens. Daß die Frau
ein ent{hieden jüdiſches Gepräge trägt, iſt ohne Belang für die Frage nach ihrer
Bedeutung. Übrigens tut dex Name nichts zur Sache. Das, worauf es Nem-
brandt auam, waͤr das Malen eines nackten weiblichen Körpers im Schimmer
eines zwiſchen den dunklen Vorhängen hell einfallenden und ſich allmählich ver-
lierenden Lichtes, mit flimmerndem Widerſchein des weißen Leinenzeuges in den
Schatten. Und das hat ſein wunderbares Können mit einer ſolchen Wahrheit
und zugleich mit einer ſo hohen maleriſchen Poeſie ausgeführt, daß Licht und
Farbè ein Schönheitsgewand weben um die von blühendem Leben erfüllte Geſtalt
Abb. 56). Das Bild befindet ſich in der Ermitage zu St. Petersburg, die über-
haupt eine größere Zahl Remhrandtſcher Gemälde beſitzt, als in irgendeiner
aͤnderen Sanimlung vereinigt ſind.

Das andere große Gemälde dieſes Jahres iſt aus der gräflich Schönborn-
ſchen Sammlung zu Wien für die Gemäldegalerie des Städelſchen Inſtituts zu
Ftankfurt erworben worden. Es ſtellt die Überwältigung Simſons durch die
Philiſter dar. Über den zu Boden geworfenen wehrloſen Helden, der mit Händen
und Füßen um ſich ſchlägt, ſtürzen die Gegner im Eiſenharniſch, und einer bohrt
ihm den Stahl ins Auge, während Delila mit den abgeſchnittenen Haaren in der
Hand triumphierend davonläuft. Die Schilderung des Vorganges iſt grauenhaft;
mancher mag fie auch häßlich nennen. Aber die paͤckende Gewalt der Vorſtehungs-
kraft, mit der die rafende Anſtrengung und die verzweifelte Wut des ſeiner Stärke
beraubten Nieſen, der feige Mut der zu unverdienter Überlegenheit gelangten
Feindesmenge und der grauſame Hohn des Weibes zu lebendiger Verkörperung
Zebracht ſind, zwingt jeden zu ſtaunender Bewunderung. Und dazu kommt eine
Froßartige Gewalt der Licht; und Farbenwirkung; der letzte Lichtſtrahl, den
der Überwundene ſchaut, bricht furchtbar grell, durch die auseinandergeriſſenen
Vorhänge in das verdunkelte Ruhegemach (Abb. 57).

Deinſelben Jahr gehört wahrſcheinlich die prächtige Figur des ſogenannten
Bürgerfähnrichs an, der, ganz in Braun gekleidet, in flolzer Haltung daſteht, die
Rechte auf die Hüfte geſtẽmnit, in der Linken eine über die Schulter genommene
Fahne, von deren weißlichem Seidenton der dunkle Kopf ſich wundervoll abhebt;
in dem Geſicht dürfen wir wohl die ins kriegeriſch Derbe überſegten Züge des
Malers wiedererkennen Abb. 58). Das Bild iſt im Beſitz des Barons Guſtav
Nothſchild zu Paris.

Das Jahr 1637 bringt uns wieder ein herrliches Selbſtbildnis des Meiſters
(im Louvre, Abb. 59). Ferner ein Prachtwerk lebensvoller Bildnismalerei in dem
Anieftück des Predigers Eleazar Swalmius im Muſeum zu Antwerpen. Die
nämliche Jahreszahl iſt auf einem merkwürdigen Bildnis im Ermitage-Muſeum
zu St. Petersburg zu leſen. . Da ſteht ein flolz blickender Mann mit großem
Schnurrbart; er trägt einen mit reicher Goldkette geſchmückten, pelzbeſetzten Mantel,
eine ebenſo geſchmuͤckte Pelzmütze, hat. Perlengehänge in den Ohren und hält
einen Stock mit verziertem, goldenem Knopf. Es ilt anſcheinend ein polniſcher
Edelmaͤnn, den ſein Weg einmal in den damaligen Mittelpunkt des Weltverkehrs,
nach Amſterdam, geführt hat. . Undenkhar wäre es freilich auch nicht, daß wir
hier wieder nichts weiter als ein verkleidetes Modell Rembrandts vor uns ſehen.
Der dem Bilde früher gegebene Titel „Sobieski“ iſt ſelbſtredend eine ſinnloſe.
Bezeichnung (Abb. 60).

Unter den wenigen Radierungen dieſes Jahres herrſchen die Studienköpfe
vor. Wie ein Porirät wirkt das merkwürdig ſprechende Bild eines jungen

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