Manaſſe enttäuſcht aufblickt. Joſephs Gattin Asnath, in einem Kleid von un-
beſtimmter grünlich⸗brauner Farbe, mit Haube und durchſichtigem Schleier, ſteht
regungslos da; ſie läßt ihre Augen zärtlich auf den Kindern ruhen; aber ihr
innerer Blick geht weiter, ſie ſchaut, den Verheißungsworten Jakobs folgend,
in eine ferne Zukunft hinein Abb. 156). Das Bild iſt mit großen, breiten
Strichen gemalt; man ſieht, daß der Künſtler ſich beeilt hat, ſeinen Gedanken
in Form und Farbe auszuſprechen. In die Ruhe des Arbeitens griffen die
äußeren Verhältniſſe ſtörend ein.
Die Einſamkeit des häuslichen Herdes nach dem Tode Saskias mochte
Rembrandt allmählich unerträglich geworden ſein. Mit der alten Amme, der
die Erziehung des heranwachſenden Titus überlaſſen blieb, hatte er üble Er-
fahrungen gemacht, er hatte die Gerichte zu Hilfe nehmen müſſen, um ſich ihrer
Anmaßlichkeit zu entledigen. Nach ihrem Weggang, im Jahre 1659, hatte er
dann die Führuͤng ſeines Hausweſens der ſchon ſeit einiger Zeit bei ihm dienen-
den jungen Magd Hendrickje Stoffels überlaſſen, einem Mädchen von bäuer-
licher Abkunft, das ſtatt der Namensunterſchrift nur drei Kreuzchen machen konnte.
Titus war ein zartes Kind von weichem Gemüt. So ſteht er vor uns in dem
1655 gemalten Bilde eines in Rembrandttracht gekleideten vierzehnjährigen Knaben
mit feinem, hübſchem Geſicht (in Privatbeſitz zu Paris). Beim Lernen hat ihn
der Vater gemalt, mit einein über das Schreibheft hinweg ins Weite träumen-
den Blick; und, als etwa Sechszehnjährigen, ganz vertieft in ein Buch (Abb. 163).
Auch Bildniſſe des erwachſenen Jünglings behalten den ſanften Ausdruck und
den weltfremden Blick der ſchönen Augen. Hendrickje füllte bei Titus die Mutter-
ſtelle aus. Und mit der Zeit trat ſie dem Herzen Rembrandts näher. Die
Wiederholung eines leicht zu erkennenden Frauenkopfes in verſchiedenen Gemälden
von etwa 1652 bis 1662 ſſtellt es außer Frage, daß ſie es iſt, die Rembrandt
in dem herrlichen Bildnis gemalt hat, von dem neben der „Bathſeba“ des Louvre
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