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Koch, Günther
Kunstwerke und Bücher am Markte: Auktion, Fälschungen, Preise und was sie lehren; mit Anführung wichtiger Literatur über Kunstgewerbe, Malerei, graphische Künste, Bildnerei, Münz- und Medaillenkunde, Bücher und Handschriften alter und neuer Zeit; ein Buch für Kunst- und Bücherfreunde, Sammler und Händler — Eßlingen a.N.: Neff, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.52382#0525
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Vierter Teil.

Sohlußbetrachtimgeii.
Gemeinnützige Wirkungen der Auktion. — Ihre kunstpädagogische Bedeutung.
Gemeinnützige Wirkungen. Wellenförmig wirkt die Auktion, die für uns in Betracht
kommt, in mehr als einer Richtung in durchaus gemeinnütziger Weise.
Jede große Auktion hebt den Fremdenverkehr, das Hotelgeschäft, den Fuhrwerkverkehr
und den Absatz in den Geschäften der Luxuswarenbranche. Gelegentlich der Auktion Pann-
witz wurden diese erfreulichen Nebenwirkungen in der führenden Tagespresse des näheren ge-
würdigt (M. N. N., 27. Oktober 1905).
Hier genüge die vorstehende flüchtige Andeutung.
Wichtiger ist folgendes: Die Auktion belebt den lokalen Markt und zugleich — wenn
auch indirekt — den allgemeinen Markt. Die Auktion belebt den lokalen Markt durch das
Herbeiziehen fremder, auswärtiger Interessenten zwecks Anwohnens der Versteigerung. Diese
Fremden nützen ihre Reise natürlich aus zum Besuche von öffentlichen und privaten Samm-
lungen und zum Aufsuchen von Kaufgelegenheiten. Die Auktion dient also der Hebung des
Fremdenverkehrs und der Hebung des lokalen Marktverkehrs.
Die Auktion belebt aber natürlich auch den internationalen Markt, und zwar durch ihre
Resultate. Die Auktion ist der allerwichtigste Preisbilder, und durch ihre Preisbildungen bindet
sie das Interesse an bestimmte Kategorien von Kunstgegenständen. Die Auktion schuf z. B.
Rekorde auf dem Gebiete der Porzellanpreise. Man hat oben gesehen, daß der Münchner Markt
mit der Versteigerung der Sammlung Georg Hirth anfing, die Porzellanpreise zu diktieren; es
ist oben gezeigt worden, wie Autoritäten einen Rückschlag als unvermeidlich erwarteten und
wie noch gegenwärtig, nach einem Jahrzehnt, die Auktion noch immer die Preise in steigender
Richtung bindet. Diese Bindung ist aber nur dadurch möglich, daß der freihändige Verkauf,
also der Markt an sich, der Preisbildung der Auktion folgt. Übrigens eine durchaus erklärliche,
auch bereits erklärte Tatsache (vgl. oben S. 131).
Kunstpädagogische Bedeutung. Die Auktion belebt ferner das Interesse weitester,
wirklich internationaler Kreise für Kunstwerke und für die Kunst im allgemeinen.
Die öffentliche Kunstpflege, die Erziehung des Volkes zum Kunstverständnis ist be-
sonders seit dem letzten Dezennium des 19. Jahrhunderts das Stichwort für einen Komplex der
verschiedenartigsten Bemühungen der verschiedenartigsten Faktoren des öffentlichen Lebens
und der Gesellschaft. Viele dieser Bemühungen sind von vornherein als unglückliche Experi-
mente zu betrachten, andere kranken an Einseitigkeit, einige müssen zu unhaltbaren Zu-
ständen führen. Greifen wir drei Beispiele heraus: Die unter dem Schlagwort „Kind und Kunst“
zu vereinigenden Bestrebungen verkennen nur zu oft das Bedürfnis des Kindes, begreifen
nicht, warum z. B. der „Struwwelpeter“ dem Kinde unendlich mehr bietet als ein Dutzend der
von Lehrervereinigungen und anderen „Autoritäten“ empfohlenen sogenannten „Künstler-
bilderbücher“. — Ein anderes Beispiel ist die fürchterliche Einseitigkeit der Kunstpflege der
sozialdemokratischen Partei. Sie, die so eminent große Verdienste um die Belebung der geistigen
Interessen der breiten Masse hat, glaubt nicht darauf verzichten zu können, dem Volke nur
robuste, bis zur Trivialität mittelmäßige Kunst zu servieren und namentlich bei jeder Gelegen-
heit den Arbeiter als den starken Mann, als das Ideal künstlerischen Schaffens vorzuführen.
Die Folgen dieser Einseitigkeit liegen zutage: Der „Wahre Jacob“, das satirische Organ der Partei,
steht in künstlerischer Hinsicht auf einem erschreckend niedrigen Niveau, und in den Festblättern
der Partei, in den Mainummern, sah man selbst einen Slevogt seine Kunst prostituieren, um
den zielbewußten Genossen den „starken Mann“ möglichst banal vorzuführen.
 
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