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Koch, Günther
Kunstwerke und Bücher am Markte: Auktion, Fälschungen, Preise und was sie lehren; mit Anführung wichtiger Literatur über Kunstgewerbe, Malerei, graphische Künste, Bildnerei, Münz- und Medaillenkunde, Bücher und Handschriften alter und neuer Zeit; ein Buch für Kunst- und Bücherfreunde, Sammler und Händler — Eßlingen a.N.: Neff, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.52382#0513
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Dritter Teil.

Was die Preise lehren.
Von der Klage über die Bevorzugung und Überschätzung alter und
fremder Kunst. — Von „ Künstler protesten“ und Theorien der Kunstökonomie.
Die öftere Beifügung älterer Preise zu den letzt notierten veranschaulicht sowohl Preis-
steigerung wie Preisrückgang. Beide hängen, wie ich oben dargelegt habe, von Nachfrage und
Angebot ab.
Darum ist es sinnlos, von ,,Fabelpreisen“, ,,unsinnigen“ oder „verrückten“ Preisen zu
sprechen, wie das hin und wieder Referenten der Tagespresse, Kunstfeuilletonisten und andere,
die dem Handel gegenüber Laien sind, zu tun pflegen.
In den folgenden Ausführungen behandle ich Betrachtungen, die sich wieder und wieder
bei der Kenntnisnahme hoher Preise für alte Kunstwerke einstellen. Wenn durch meine gut
belegten Darlegungen auch nur ein kleiner Bruchteil dieser falschen Gedankengänge korri-
giert werden sollte, wird mein Buch seine Mission zum besten Teil erfüllt haben.
Die Berichterstattung über die Preise, die in Auktionen und im freihändigen Verkauf
für hervorragend wertvolle Werke alter Kunst bezahlt werden, hat in neuester Zeit mancherlei
Protestbewegungen ausgelöst.
Sie gingen merkwürdigerweise meist von Künstlern aus. Man empörte sich, daß z. B.
für eine „Florabüste“, die der Hochrenaissance angehören sollte, eine „Riesensumme“ Geldes
geopfert wird, während für die Förderung der zeitgenössischen Kunst nur lächerlich niedrige
Beträge von Staats wegen auf gewendet werden.
Man blieb nicht bei dieser Gedankenreihe. Warum sollte man auch nicht zwei Fliegen
mit einem Schlage treffen können! Man empörte sich also zugleich darüber, daß die fremde
Kunst, die Kunst des Auslandes, unter Verschwendung nationaler Mittel auf Kosten der vater-
ländischen, der einheimischen oder gar bodenständigen Kunst bevorzugt wird.
Dieser Protest schlug natürlich eine Saite an, die in der Öffentlichkeit eine besonders
gute Resonanz finden mußte. Es entstand denn auch eine lebhafte Diskussion. Den Protestlern
traten Antiprotestler entgegen, man kreuzte die Klingen und — die rasch lebende Zeit eilte über
dieses Thema wie über so viele andere ernste Probleme in ihrem Sausewahn1) hinweg, einer
neuen — Sensation entgegen.
In Künstlerkreisen freilich spricht man noch immer davon, und die aufgeworfene Frage
verdient — obgleich bereits antiquiert — eine kurze Erörterung auch in diesem Buche.
Es wird nicht fehlen, daß man mir entgegenhält, es handle sich um ganz verschiedene
Tendenzen: Abwehr der Überschätzung der Franzosen einerseits, Abwehr der Überschätzung
des Wertes des Alten andererseits. Das ist aber nicht richtig. Ich gebe von vornherein zu, daß
einzelne der Rufer im Streite sich gegen die Annahme einer materiellen Tendenz lebhaft ver-
wahrt haben. Das beweist mir aber nichts. Ich sehe eben nur eine Tendenz: Abwehr der wirt-
schaftlichen Schädigung der lebenden deutschen Künstler durch Überschätzung des Alten

) Das Wort hat bekanntlich Dr. Georg Hirth geprägt.
 
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