crhalttn, jetzt im Fraurnhause auf der Schaffucrei dewahrt werden uud
deren Verzeichniß, da es noch nirqends bekannt gcwocden, gewlß von
jedem Meister der Kunst in der Schrift unseres Verf. mit lebhasrem
Jnlercsse wird gelescn werden. Aus dieser Vergleichung dcc acht Ori-
ginalrisse, aus dcc Verknupsung allcr der Anschauungen, die flch von
dem Vorhandcnen so wie von dcn Spuren dcs Vergangenen abzichen
lassen, enttvickelt nun der Verf., mit ftatcr Rücksicht aus die sllgemeine
politische und Cultur-Geschichke und dir spccielle der Kunst, die Ergeb-
nisse seiner Forschungen über die Enlstehung, den Fortgang und die
allmähliche Metamvrphose des MünsterS in Straßburg, üder dessen
charakteristisches Wcsen, bie Stelle, die ihm in dcr Rcihe der Kunft-
lcistungen gebührt, und über das Verhältniß, in das cS zum kölncr
Dome tritt. Jn der aussührlichen und mcisterhaften Beschrcibung des
Münstcrs (die wohl eine Frucht gründlicher Sludicn während des
mehrjährigen Aufenthalrs des Verf. in Straßburg ist) zeigt derselbe
alle Phasen nach, welche die Kunst in ihrer Enlwickelung an biesem
berrlichen Temvel untec dcn verschiedenen Meistcrn, bie an ihm vor
und nach dcn deiden Erwin's von Stcinbach gearbeitct, durchlaufcn
hat, wie sie in den einzelnen Theilcn des erhadcncn Bauwerks, nach-
dem sie das Höchste in den Dchöpfungen dec beiden Erwin's crrcicht,
in leiser Umdeuqung wie ein springcnd Wasser dem Rückfall sich wie-
der entgcgen wendct und zuletzt, gegen Ende deS sunfzehntcn Jahr-
hundcrrs, unker Jacob von Landshut im neuen Portale vom nvrdli-
chcn Seirentheile des greuzes in geschmacklose Künstelei versunken ist.
Mit dem Jahre 1520 schloß sich die positive Reihe der Hcrvorbcin-
gnngen an diesem Wcrke, und es begann sofort dic Negative dcr Zcr-
stbrungen, die es sich gefallen laffcn mußte. Nachdem der Vcrf. die
Vcrändcrungcn erwähnt, dir während dec Reformalion mit dem In-
nern dcs Tcmpels vvrgenommen, die Vcrunstaltungcn, womit ein vcr-
dorbener Äunstgcschmack von dcm Ende des sicbenzehntcn bis in die Mitte
des achtzehnten Jahrbunderts sich an ihm versündigt, führt er im ra-
schen Fluge dic tzieschichte desselben bis zu den Zeiten der französischcn
Revolulion und erzählt die republicanische Narrheit der Ncufrankcn,
die, entrüstek, daß dcr Thurm deS Münstcrs in acistokratischem Stolzc
sich erfrecht, 447 Fuß höher als die übrigen Köpfe dcr Menschen hcr-
vorzuraqcn, ob solchem Zrevel beschloß, den Hochmüthigen Ler Erde
glcict, zu machen; doch glücklicher Weise halte die Zeit viel Eile, und
die Dcmokraten konnten sich bei so langwierigem E>eschäfte leichr ver-
spätcn: dadurch wurde der Bau gcrellet, nachdem aber vorher alle
äußcrn Bildwerke und Wappen wcggemeißelt, der Thurm sclbst als
ein k:>l> citoven in den Elubb aufgrnommeu und ihm zum Aeichen
der politischen Wiedergeburt dic rotheMütze aufgesetzt worden. Dic
kaiserliche Regierung licß den Tempel wenigstens ungckränkt, und die kö-
niglichc einigc neue Restauralionen ausführen. Nachdcm nun der
Verf. den Bau und die Eeschichte dcs obecrheinischen Tempcis
durch allc Iahrhunderte verfolgt, kommt er auf die Verglcichung dcs-
sclben mit unserm Dome zurück, und während jenec ihm die ganze
und volle Geschichte Teutschlands darstellt, wis sie in ihren cinzslnen
Momenten wirklich stch begeben, ist ihm unser Dom die episch-sym-
bolische Vvrbildunq dessen, was Teutschland im Geiste und in der Jn-
tention dec alten politischen Meister werden sollte. Das Münstec in
Straßburg ist dem Verf. ein Stück der Weltgeschichte, in Stein und
Eisen ausgcschcieben und kunstgerecht je nach den Epochen in Bücher
abgetheilt; derDcm in Köln abcr ist, wie Minerva in voller Rüstung
aus dcm Haupte dcs Zeus hervorgesprungen, so aus dem Geiste seines
Urhebcrs in ganzer Vollcndung hervorgegangen. Darum hcrrscht nur Ein
Sty l im ganzen Werke, in Einem und bemselben Geiste, so wie es
gedacbt, ist es ausgefüyrt, innerlich und äußerlich in reinster Har-
monie, in vollstec Selbstg leichh eit abgeschlossen. Das straßburger
Münstcr hingegen ist gewachscn wie jener Eyklopenbaum am Aerna,
wo ein Jahrlauscnd vielc Stämme in Einen Skamm verbunden, dcr
nun, vom Altcr ausgehöblt, ein ganzcs Haus in seincm inncrn Raumc
beschlicßt. Der Verf. führt diese beiden Grundgedanken noch durch
mehre sinnvolle Vergleichungen hinducch, erklärt aber, daß nur dic
ducchgebildele volle Harmonie, die schöne Einhcit und durch Fremdar-
tiges ungetrübte Schöne allein in der Kunst canonisch zu nenncn
sei, dahec auch Boisseröe mit dcm größtcn Rcchte dcn Dom in Köln
alS,^Canon dergesammten tcutschenBaukunst" crklärt habe.
— Trefflich cntwickelt der Verf., wie in unserm schönen Rheinlande,
wo früher die Baukunst jene höchste Blüthe erreicht, spater auch die
origincllste Malerschule sich erhoben und, als auch diese abgcblüht, die
neuere Mustk ihre ersten kräftigstcn Flügelschlä'ge eben dork gemacht,
auch daselbst dir Mittel, die jedem großen, weic aussehenden Untcrneh-
men Nerv und Rückhalt geben müsscn, nirgendwo reichlicher vor-
handcn qewescn, so daß es scheine, als habe Gott jene Gegcnden, wo
man, obne übrigens dem Jrdischen sein Recht zu weigern,
ihm am eifriqsteri gedient, auch am meisten gesegnct und mit Glücks-
qütecn ausgestattet. Ler Rhein war damals, waS ec rvieder zu werden
strebt, die große Pulsader des teutschen Lebens: was die weitcn Wast
serstraßcn Asicns dem schwarzen und mittelländischen Meere zugeführt,
was auf des Kameels Rücken seine Wüsten ducchwandert hakte und
das verschlossene Africa mühsam aus seinem Jnnern in den großcn
Krcislauf der Gütec hineingegossen, daS alles sammelte sich in den
Lagunen von Vcnedig, und der Rhei'n truz es trcu und cmsig in den
Norden; abec in Köln vercinrgten sich vorzugswcise Entschluß/Talent
und Reichthum, d-r Brand des alken Domgebäudes entschied, und
so wurde Köln dieStätte, wo sich derWunderbau erhob.—
Um die allmähliche Ausbildung der mittelaltcrlichen Baukunst zu zei-
gen, wirft dcr Vcrf. einen vergleichcnden Blick auf dcn Gei'st und
Charakter der Kunst bei dcn gebildetsten Völkcrn des Altcrthums, den
Gricchcri und Römern, zeigt, in welchem Zustande das Christei.thum
die Denkmalc jener Zeiten, welche die Völkerwandcrunq verschont, übcr-
kommcn, wie sie cs nach scinem Geiste und Zwccke verändcrt, durch
welche Entwickelungrn dec Kunststyl bei den verschiedenen Völkern des
südlichen und westüchen, späler auch des nöcdüchen Europa durchge-
gangcn, und gelangt zu dcm Rcsultat, daß dic Sophicnkirche in By-
zanz und die Basiliken von St. Pcter und St. Paul als die beide»
Beziehungspuncte für alle Kunst durch viele Jahrhunderle gcgolten
und daß ven ihnen der zweifache Grundiypus allrr Bauwcrke der
mittlcrn Zeiten ausgegangen. Nachdcm dcr Vcrf. gezeigt, wic dieser
rundbogige Styl dcr romanischcn Bauart durch Entdcckung und
Ausbildung dcs spitzbogigen verdrängt, cntwickclt er die welrhisto-
rischc Wichtigkeit dcs lctztern nnd vindicirt diese qroße Entdcckung mit
triftigen, geschicl'tlichen Gründen dem tcutschen Volkc, damit cs, wie
cc sa^r, in ihr „auf seine eigenste Sccle sich zurückbcsinne, das re-
dcnde Denkmal seiner alten Ehre und die Handvcste seines angestamm-
ten Adels in dem Besten, was sic hcrvorgebracht, wieder crken-
ncn mögc". Fragt man, sährt cr fort, nach der leutschen Provinz
und dem Stamme dcs Volkes, von wo die Ersindung ausgegan-
gen, sv wird uns die geographische Verthcilung dcr Kuiiflwcrke,
ihre allmählich zunehmende Häusigkeit, die gesteigcrte AuSbreitung
ihrer Dimensioncn und die stätig wachscnde Trefflichkeil auf dic Spur
des allgcmeinen Breunpunctcs dcr gefammten Bcstrebung führcn,
die norhwendig auf die Stelle fallen muß, wo sich der Canon
deS ganzen KuiistgeschlechtS findct. Dcc Vcrfaffer nimmt
nun die Gelegenheit wahr, zu uoserm Dome selbst überzugehen, be-
schrcibt die maihematischen Verhältnisse seiner Theile, die architektoni-
schen Formen in Zierathen, und dculet jene erhabene Symboük, wclche
der Wunderbau in so reicher Pracht und Fülle enkfaltet. Am Schlusse
dieser Veschreibung spricht cr in herrlrchcr Rcde seine Begeisterung übec
den unsicrblichen Meister aus und sagt unter Anderm : „So ist es um den
kölner Dvm beschaffen, das bewunderungswürdigste Erzeugniß cines
dcr größken Geistcr, bi'e je über die Erve wandelnd die leuchtende Spuc
ihreS Daseins auf ihr zurückgelafsen. Wie man zu den Höhen des
Baues in einem mit Ehrfurcht gemischlcn Erstaunen bückt, so erweckt
der Bück in die Tiefen dieses Gcnius ganz Lie gleichen Gcfühle in der
Seele. Eine schaffende Einbildungskrafr, fruchtbar wie die Natur da,
wo sie im fröhlichsten iLpiele an der Hervorbringung der mannigfal-
tigsteu Formen stch ergetzt, ein geistiges Vermögen, das bis zu dem
innerstcn Grund der Dingr dringt und von dort aus in der Jdee das
weileste Gedankenreich ohne stchrbare Anstrengung zu beherrschen die
Krast besttzt; ei'nc Anschauung, die wie der Älitz das Verschlossenste
durchbringc und mic ihrcm Licht das Dunkelste zur Durchsichtigkeit er-
hcllt; ein Verstand, der alle Vcrhältnisse mit klarem, lichtem Auge
nbcrschaut und das Vcrworrenste sogleich in großen Massen zu fassen
und das Vielfältigste in der Macht des einfachstenGesetzcs zusammen-
zuhalten vermag; ein Sinn endlich, der, auf das reinste gestimmt, die
zartesten Beziehungen zu empsinden und wiederzugeben weiß. Das alles
hat in eincm schöncn Ebenmaße stch in ihm verbinden müssen, damit
cr dcn Gedanken eines solchen Wcrkcs auch nur zu fassen ver-
mochte." —
Dcr Verfasser richtct am Schlusse seiner Schrist an uns allc, die
wir durch Handschlag und Herz uns verbunden, jeder nach seinen Kräf-
tcn zuni großen Wcrke beizutragen, noch vicle schr zu behsrzigende
Wortc, so wie cr den Gcist des großen Meisters auftrcten läßt, um
am ewig dcnkwürdigen Tage der Grundsteinlegung zu allen Versam-
melten, Hohen und Niedrigen, zu sprcchen. Wir enthaltcn uns jedcs
Auszugs dieser Worte, damit des Treffüchcn davon nicht zu viel in
diesem Blatte mikgctheilt werde und süc die Leser der Schrift selbst
dcr Eenuß dcsto unverkümmerter und vollständiger sein möge.
Wir sinden in diesec Schrist des Verst, wie in manchen fcühern
dssselben, einen großcn Schatz origineller Gedanken, auch jene Meister-
schast wieder, mit der er oft ganze Aeitalter in wcnigen kräftigen
Zügen zu malen, jene Wärme, die er seinen Gemälden stäts cinzu-
hauchen, und den Farbenreichthum, den er über fle auszugießen ver-
steht; nur ist das Colorit an manchen Stellcn wohl gar zu blcndend,
und dcr eigenthümlich-krästiqe, bilderreiche Styl, der im Gebiete unse-
rec Literatur wohl nur ein Scitenstück an jenem Jean Paul's sindet,
erschwert eben, weil er so reich mit Allcgoriecn und sinnvollen Verglei-
chungen (deren Stoff den verschiedensten Verzwcigungen dcs mensch-
lichen Wiffens entlehnt) durchwebt und gestickt ist, in manchen Fällcn
das Verständniß der inhaltceichsten Stellcn sehr vvrzügliii, für jene
Leser, die nicht einiger Maßen encyklopädisch gebildet st'nd. Nichts dests
weniger wird die Schrift, wie auch die frühere dcs Verst, einen wei-
ten Kreis von Lesern sinden, welches wir um so sehnlicher wünschen,
weil, abgesehen von ihrem reichen und tiefen Gehalt, der alle Aner-
kennung verdient, auch der Ertrag dcrselbcn für unsern Dombau be-
sti'mml ist.
deren Verzeichniß, da es noch nirqends bekannt gcwocden, gewlß von
jedem Meister der Kunst in der Schrift unseres Verf. mit lebhasrem
Jnlercsse wird gelescn werden. Aus dieser Vergleichung dcc acht Ori-
ginalrisse, aus dcc Verknupsung allcr der Anschauungen, die flch von
dem Vorhandcnen so wie von dcn Spuren dcs Vergangenen abzichen
lassen, enttvickelt nun der Verf., mit ftatcr Rücksicht aus die sllgemeine
politische und Cultur-Geschichke und dir spccielle der Kunst, die Ergeb-
nisse seiner Forschungen über die Enlstehung, den Fortgang und die
allmähliche Metamvrphose des MünsterS in Straßburg, üder dessen
charakteristisches Wcsen, bie Stelle, die ihm in dcr Rcihe der Kunft-
lcistungen gebührt, und über das Verhältniß, in das cS zum kölncr
Dome tritt. Jn der aussührlichen und mcisterhaften Beschrcibung des
Münstcrs (die wohl eine Frucht gründlicher Sludicn während des
mehrjährigen Aufenthalrs des Verf. in Straßburg ist) zeigt derselbe
alle Phasen nach, welche die Kunst in ihrer Enlwickelung an biesem
berrlichen Temvel untec dcn verschiedenen Meistcrn, bie an ihm vor
und nach dcn deiden Erwin's von Stcinbach gearbeitct, durchlaufcn
hat, wie sie in den einzelnen Theilcn des erhadcncn Bauwerks, nach-
dem sie das Höchste in den Dchöpfungen dec beiden Erwin's crrcicht,
in leiser Umdeuqung wie ein springcnd Wasser dem Rückfall sich wie-
der entgcgen wendct und zuletzt, gegen Ende deS sunfzehntcn Jahr-
hundcrrs, unker Jacob von Landshut im neuen Portale vom nvrdli-
chcn Seirentheile des greuzes in geschmacklose Künstelei versunken ist.
Mit dem Jahre 1520 schloß sich die positive Reihe der Hcrvorbcin-
gnngen an diesem Wcrke, und es begann sofort dic Negative dcr Zcr-
stbrungen, die es sich gefallen laffcn mußte. Nachdem der Vcrf. die
Vcrändcrungcn erwähnt, dir während dec Reformalion mit dem In-
nern dcs Tcmpels vvrgenommen, die Vcrunstaltungcn, womit ein vcr-
dorbener Äunstgcschmack von dcm Ende des sicbenzehntcn bis in die Mitte
des achtzehnten Jahrbunderts sich an ihm versündigt, führt er im ra-
schen Fluge dic tzieschichte desselben bis zu den Zeiten der französischcn
Revolulion und erzählt die republicanische Narrheit der Ncufrankcn,
die, entrüstek, daß dcr Thurm deS Münstcrs in acistokratischem Stolzc
sich erfrecht, 447 Fuß höher als die übrigen Köpfe dcr Menschen hcr-
vorzuraqcn, ob solchem Zrevel beschloß, den Hochmüthigen Ler Erde
glcict, zu machen; doch glücklicher Weise halte die Zeit viel Eile, und
die Dcmokraten konnten sich bei so langwierigem E>eschäfte leichr ver-
spätcn: dadurch wurde der Bau gcrellet, nachdem aber vorher alle
äußcrn Bildwerke und Wappen wcggemeißelt, der Thurm sclbst als
ein k:>l> citoven in den Elubb aufgrnommeu und ihm zum Aeichen
der politischen Wiedergeburt dic rotheMütze aufgesetzt worden. Dic
kaiserliche Regierung licß den Tempel wenigstens ungckränkt, und die kö-
niglichc einigc neue Restauralionen ausführen. Nachdcm nun der
Verf. den Bau und die Eeschichte dcs obecrheinischen Tempcis
durch allc Iahrhunderte verfolgt, kommt er auf die Verglcichung dcs-
sclben mit unserm Dome zurück, und während jenec ihm die ganze
und volle Geschichte Teutschlands darstellt, wis sie in ihren cinzslnen
Momenten wirklich stch begeben, ist ihm unser Dom die episch-sym-
bolische Vvrbildunq dessen, was Teutschland im Geiste und in der Jn-
tention dec alten politischen Meister werden sollte. Das Münstec in
Straßburg ist dem Verf. ein Stück der Weltgeschichte, in Stein und
Eisen ausgcschcieben und kunstgerecht je nach den Epochen in Bücher
abgetheilt; derDcm in Köln abcr ist, wie Minerva in voller Rüstung
aus dcm Haupte dcs Zeus hervorgesprungen, so aus dem Geiste seines
Urhebcrs in ganzer Vollcndung hervorgegangen. Darum hcrrscht nur Ein
Sty l im ganzen Werke, in Einem und bemselben Geiste, so wie es
gedacbt, ist es ausgefüyrt, innerlich und äußerlich in reinster Har-
monie, in vollstec Selbstg leichh eit abgeschlossen. Das straßburger
Münstcr hingegen ist gewachscn wie jener Eyklopenbaum am Aerna,
wo ein Jahrlauscnd vielc Stämme in Einen Skamm verbunden, dcr
nun, vom Altcr ausgehöblt, ein ganzcs Haus in seincm inncrn Raumc
beschlicßt. Der Verf. führt diese beiden Grundgedanken noch durch
mehre sinnvolle Vergleichungen hinducch, erklärt aber, daß nur dic
ducchgebildele volle Harmonie, die schöne Einhcit und durch Fremdar-
tiges ungetrübte Schöne allein in der Kunst canonisch zu nenncn
sei, dahec auch Boisseröe mit dcm größtcn Rcchte dcn Dom in Köln
alS,^Canon dergesammten tcutschenBaukunst" crklärt habe.
— Trefflich cntwickelt der Verf., wie in unserm schönen Rheinlande,
wo früher die Baukunst jene höchste Blüthe erreicht, spater auch die
origincllste Malerschule sich erhoben und, als auch diese abgcblüht, die
neuere Mustk ihre ersten kräftigstcn Flügelschlä'ge eben dork gemacht,
auch daselbst dir Mittel, die jedem großen, weic aussehenden Untcrneh-
men Nerv und Rückhalt geben müsscn, nirgendwo reichlicher vor-
handcn qewescn, so daß es scheine, als habe Gott jene Gegcnden, wo
man, obne übrigens dem Jrdischen sein Recht zu weigern,
ihm am eifriqsteri gedient, auch am meisten gesegnct und mit Glücks-
qütecn ausgestattet. Ler Rhein war damals, waS ec rvieder zu werden
strebt, die große Pulsader des teutschen Lebens: was die weitcn Wast
serstraßcn Asicns dem schwarzen und mittelländischen Meere zugeführt,
was auf des Kameels Rücken seine Wüsten ducchwandert hakte und
das verschlossene Africa mühsam aus seinem Jnnern in den großcn
Krcislauf der Gütec hineingegossen, daS alles sammelte sich in den
Lagunen von Vcnedig, und der Rhei'n truz es trcu und cmsig in den
Norden; abec in Köln vercinrgten sich vorzugswcise Entschluß/Talent
und Reichthum, d-r Brand des alken Domgebäudes entschied, und
so wurde Köln dieStätte, wo sich derWunderbau erhob.—
Um die allmähliche Ausbildung der mittelaltcrlichen Baukunst zu zei-
gen, wirft dcr Vcrf. einen vergleichcnden Blick auf dcn Gei'st und
Charakter der Kunst bei dcn gebildetsten Völkcrn des Altcrthums, den
Gricchcri und Römern, zeigt, in welchem Zustande das Christei.thum
die Denkmalc jener Zeiten, welche die Völkerwandcrunq verschont, übcr-
kommcn, wie sie cs nach scinem Geiste und Zwccke verändcrt, durch
welche Entwickelungrn dec Kunststyl bei den verschiedenen Völkern des
südlichen und westüchen, späler auch des nöcdüchen Europa durchge-
gangcn, und gelangt zu dcm Rcsultat, daß dic Sophicnkirche in By-
zanz und die Basiliken von St. Pcter und St. Paul als die beide»
Beziehungspuncte für alle Kunst durch viele Jahrhunderle gcgolten
und daß ven ihnen der zweifache Grundiypus allrr Bauwcrke der
mittlcrn Zeiten ausgegangen. Nachdcm dcr Vcrf. gezeigt, wic dieser
rundbogige Styl dcr romanischcn Bauart durch Entdcckung und
Ausbildung dcs spitzbogigen verdrängt, cntwickclt er die welrhisto-
rischc Wichtigkeit dcs lctztern nnd vindicirt diese qroße Entdcckung mit
triftigen, geschicl'tlichen Gründen dem tcutschen Volkc, damit cs, wie
cc sa^r, in ihr „auf seine eigenste Sccle sich zurückbcsinne, das re-
dcnde Denkmal seiner alten Ehre und die Handvcste seines angestamm-
ten Adels in dem Besten, was sic hcrvorgebracht, wieder crken-
ncn mögc". Fragt man, sährt cr fort, nach der leutschen Provinz
und dem Stamme dcs Volkes, von wo die Ersindung ausgegan-
gen, sv wird uns die geographische Verthcilung dcr Kuiiflwcrke,
ihre allmählich zunehmende Häusigkeit, die gesteigcrte AuSbreitung
ihrer Dimensioncn und die stätig wachscnde Trefflichkeil auf dic Spur
des allgcmeinen Breunpunctcs dcr gefammten Bcstrebung führcn,
die norhwendig auf die Stelle fallen muß, wo sich der Canon
deS ganzen KuiistgeschlechtS findct. Dcc Vcrfaffer nimmt
nun die Gelegenheit wahr, zu uoserm Dome selbst überzugehen, be-
schrcibt die maihematischen Verhältnisse seiner Theile, die architektoni-
schen Formen in Zierathen, und dculet jene erhabene Symboük, wclche
der Wunderbau in so reicher Pracht und Fülle enkfaltet. Am Schlusse
dieser Veschreibung spricht cr in herrlrchcr Rcde seine Begeisterung übec
den unsicrblichen Meister aus und sagt unter Anderm : „So ist es um den
kölner Dvm beschaffen, das bewunderungswürdigste Erzeugniß cines
dcr größken Geistcr, bi'e je über die Erve wandelnd die leuchtende Spuc
ihreS Daseins auf ihr zurückgelafsen. Wie man zu den Höhen des
Baues in einem mit Ehrfurcht gemischlcn Erstaunen bückt, so erweckt
der Bück in die Tiefen dieses Gcnius ganz Lie gleichen Gcfühle in der
Seele. Eine schaffende Einbildungskrafr, fruchtbar wie die Natur da,
wo sie im fröhlichsten iLpiele an der Hervorbringung der mannigfal-
tigsteu Formen stch ergetzt, ein geistiges Vermögen, das bis zu dem
innerstcn Grund der Dingr dringt und von dort aus in der Jdee das
weileste Gedankenreich ohne stchrbare Anstrengung zu beherrschen die
Krast besttzt; ei'nc Anschauung, die wie der Älitz das Verschlossenste
durchbringc und mic ihrcm Licht das Dunkelste zur Durchsichtigkeit er-
hcllt; ein Verstand, der alle Vcrhältnisse mit klarem, lichtem Auge
nbcrschaut und das Vcrworrenste sogleich in großen Massen zu fassen
und das Vielfältigste in der Macht des einfachstenGesetzcs zusammen-
zuhalten vermag; ein Sinn endlich, der, auf das reinste gestimmt, die
zartesten Beziehungen zu empsinden und wiederzugeben weiß. Das alles
hat in eincm schöncn Ebenmaße stch in ihm verbinden müssen, damit
cr dcn Gedanken eines solchen Wcrkcs auch nur zu fassen ver-
mochte." —
Dcr Verfasser richtct am Schlusse seiner Schrist an uns allc, die
wir durch Handschlag und Herz uns verbunden, jeder nach seinen Kräf-
tcn zuni großen Wcrke beizutragen, noch vicle schr zu behsrzigende
Wortc, so wie cr den Gcist des großen Meisters auftrcten läßt, um
am ewig dcnkwürdigen Tage der Grundsteinlegung zu allen Versam-
melten, Hohen und Niedrigen, zu sprcchen. Wir enthaltcn uns jedcs
Auszugs dieser Worte, damit des Treffüchcn davon nicht zu viel in
diesem Blatte mikgctheilt werde und süc die Leser der Schrift selbst
dcr Eenuß dcsto unverkümmerter und vollständiger sein möge.
Wir sinden in diesec Schrist des Verst, wie in manchen fcühern
dssselben, einen großcn Schatz origineller Gedanken, auch jene Meister-
schast wieder, mit der er oft ganze Aeitalter in wcnigen kräftigen
Zügen zu malen, jene Wärme, die er seinen Gemälden stäts cinzu-
hauchen, und den Farbenreichthum, den er über fle auszugießen ver-
steht; nur ist das Colorit an manchen Stellcn wohl gar zu blcndend,
und dcr eigenthümlich-krästiqe, bilderreiche Styl, der im Gebiete unse-
rec Literatur wohl nur ein Scitenstück an jenem Jean Paul's sindet,
erschwert eben, weil er so reich mit Allcgoriecn und sinnvollen Verglei-
chungen (deren Stoff den verschiedensten Verzwcigungen dcs mensch-
lichen Wiffens entlehnt) durchwebt und gestickt ist, in manchen Fällcn
das Verständniß der inhaltceichsten Stellcn sehr vvrzügliii, für jene
Leser, die nicht einiger Maßen encyklopädisch gebildet st'nd. Nichts dests
weniger wird die Schrift, wie auch die frühere dcs Verst, einen wei-
ten Kreis von Lesern sinden, welches wir um so sehnlicher wünschen,
weil, abgesehen von ihrem reichen und tiefen Gehalt, der alle Aner-
kennung verdient, auch der Ertrag dcrselbcn für unsern Dombau be-
sti'mml ist.