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Baumaterialien beladenen Karren fortgeschoben wurden *). Nach Fioril-
lo's Behauplung ist auch der größte aller französischen Baukünstler, die
zur Zeit Ludwig deS Heiligen lebten, Jean de Montreuil, ailer Wahr-
scheinlichkeit nach nn Elsasser und in deutscher Schule gebildet. Auch
in England arbeiteten bald nach der Eroberung Wilhelm's deutsche
Baukünstler, und die Kathedrale zu Uork war ein oj>'us tentonioum **).

So standen die Sachen, als sich in der letzten Hälste des 13. Jahc-
hunderts der Spltzbogen oder der gothische Styl fast mit einem Malc
in seinem höchsten Glanze, in seiner größten Vollcndung entwickelte.
Man hielt bei den Kirchen den länglichen Grundriß bei, aber Auftiß,
Durchschnitt, Dedachung, Derzierung, alles gestaltete sich in cincr
Weise, wie es srüher nicht da gewesen. Frei auS dem germanischen
Leben, mit den Jdeen des Priesterthums verwebt, in unsecer Nahe, in
Köln höchst wahrscheinlichst zuerst hervorgerufen, bildete sich dieser bc-
wundernswürdiqe Baustyl, keineSwegs cine Nachahmung, südlichem
Boden cntsprossen, wenn auch fast gleichzeitig durch gan; Europa ver-
breitet, doch nirgendwo so vollendet, klar und verständig durchgeführt
wie in Deutschland und namentlich an dem Dome zu Köl», dem er-
weislich fcühesten Dcnkmale dieser Art. DaS Wesen dicses Styles be-
stand darin, daß der Spitzbogen zu einem vollständigen Bausystcme
erhoben ward. So entstand eine Art von Baukunst, die mau srühcr
nichk gekannt, die durch ihre Erhabenheit, die Art und Weise wie sie
sich ausbildete, nicht bloß die Bewunderung aller Zeiten crregt hat,
sondern nuch mit der geheimnißvollsn Feier deS christlichen Gottesdi-n-
stes in einen seltnen Einklang trat.

Mit dem Spitzboqen erhob sich alles in schlankeren Verhältnissen.
Säulen, Gewölbe, Seitenwände, alles erhielt cine Art von Leichtigkeit,
Kühnheit, alles war durchbrochen, freier gcformt. Dennvch hatten die
Scitenwände schwere Gewölbe zu tragen; sie mußkcn daher verstärkt
werden. Diese Verstärkungen auf eine gefällige, mit der Leichtigkeir
der übrigen Bestandtheile harmonirende Weiss hervorzubringen, erfano
man heranschwebend die Strebcpfeiler, welche nicht bloß einei, wesent-
lichen Theil der Grundformen bildeten, sondern auch wiederum an
einzelnen vollendeten Werken diefeS Baustylcs höchst treffliche Verzic-
rungen flnd. Die Verzierungen dleses Styles hat man lange verkannt,
weil man entweder für dix Kunst deS classtschen AlterthumeS zu sehr
eingenommen, alle« barbarisch nanntc, waS mit der letztern nicht
stimmte, oder weil man bloß nach dem Schlechtern, was man etwa
vor sich hatte, urtheilte. Dcm kundigen und unbefangenen Prüfer aber
erscheinen die Verzierungen des SpitzbogenstyleS nicht bloß höchst
zweckmäßig und verständig, durch die Eonstruclion des Ganzen gebo-
ten und daher keineswegs willkürlich und unharmonisch, sondern auch
den Forderungen des Schönen in einem hohen Grade entspcechend.

Mit dem Ende dcs 14. Jahrhunderts halte dcr Spitzbogenstyl seine
höchste Blülhe erreicht. Von nun an geht eS wiedec abwärts. Das
Bedürfniß des Menschen, der immer etwaS Ncues wikl, zu befriedigen,
strebte man auf Vcränderungen, abcr man hatke sich bereitS erschöpst.
Die wesenklichen Vcränderungen beschränkte» sich bloß auf die Wen-
dungen der Bogen und Vcrzierungen. Man gab den Bogen nicht mehr
die natürliche Gestalt, sondern licß sie gleichsam in zwei einandec ent-
gegengesetzten Segmenten schließen. Man streifte zu sehr ins Gcbiet
der Malcrei, hielt sich nicht mehr an der notürlichen Stsin Eonstruclion,
sondern ging ins Phantastische und Willkürliche hinüber. Auf einzm
solchen Standpuncte konnte die Baukunst nicht lange stehen bleiben.
Das Wiederaufleben der classischen Litcratur und Kunst, die Bestre-
bungen eineS Brunnaleschi, Bramantr, Michel Angelo, und endlich die
Reformation gaben der Baukunst des Mittelaltcrs den Todeestoß.

DaS Mittelalter «ar bereits mit dem Ende de« 15. Jahrhunderts
auf die Neige gekommen, und als in Deutschland die Reformatron
immer mshr um sich griff, Hierarchie und Reichsverfassung gestürzt
ward, da fiel nicht nur alleS, was je an sie erinnern konnte, was ur-
sprünglich ihr Werk war, als Opfcr ciner blinden Wuth, sondern auch
das eigentlich Vaterländische ward auf lange Zeit unterdrückt und ver-
bannt. Die Nation zerriß in sich selbst, verlor ihren alten Glänz,
warf sich in die Arme der Fremdcn, »ezwickelte sich in schwere, Alles
verheerende, den Denkmalen alten Ruhmes und altcr Kunst besonders
feindliche Bürgerkrieqe. ES entstand eine große Verwiloerung der Sil-
ten, Muihlosigkeit, Berarmung, Entvölkerung, Lähmung des geistigcn
Aufschwunges, und all das Gute, was man in einem mit so großen
Männern angefüllten Zeitalter durch ekne gesetzliche, dem Gange der
Natnr gemäße Ressrm häkte erwarten dürfen, ging zu Grunde. Statt
Fortschritte machte man gewaltige Rückschritte und die Kunst und
Wissenschaft, die so großen Antheil hatten an den religiösen Äufre-
gungen, ward für i'hre Empörung gegen di'e pflegcnde Mutter empfind-
lich gezüchtigt, erhielt «chläge, von denen ste sich in mannigsacher
Beziehung nie wird erholen könncn.

So erlahmte der Geist und der Bau an den großen Nationalwer-
ken begann zu stocken. Die Arbeiten deS Dombaues in Köln wurdcn
eingestellt. Die Kirche zu Altenberq war fertig. Glücklicherweise hatte
man die Kirche zu Lanken bis auf die Hauptthürme, die viclleicht auch
mit der Zeit eine andrre Gestalt erhalten hätten, jetzt aber als die
srühesten Uebecreste des alten DomeS dastehen, ziemlich vollendet.

Depping, die Heerfahrten der Normannen.

Fiorillo, Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland und ben Nie-
dcrlanden.

Manche schöne Erinneruna des rheinischen Lebens war mit der Re-
formation verschwunden, daß aber nicht Alles verloren ging, dafür
hatte die Vorsehung auf eigene Weise gesorgt. Sie bediente stch dazu
eines Werkzeugs, uber dessen Werth erst eine künftige unbefangen»
Geschichte richten wird. Dieses Werkzeug war derOrden des h. Jgnaz»
Lange Zeit eine Stütze dcr Rcligion, der Wissenschaft, des Thrones
und des geselligen Wohles, eine Hülfe der Armen und eine Zuflucht
der Unterdrückten, siel auch endlich er durch böse Ränke und mit ihm
jener Damm, woran sich bisher die Fluthen der Verheerung des bür-
gerlichen Lebens gcbrvchen.

Gegen daS Jahc 1543 kamen die ersten Jesuiten nach Deutschland.
Faber und Canistus wurden in Köln wohl aufgenommen und arbeite-
ten dort in Verbindung mit dem Rathe den Bersuchen einiger Neuereu
mit Kraft entgegen*).

Die Jesuiten haben zur Verbreitung deS von nun an herrschenden
römischen Baustyles nicht wenig beigelragen. Sowohl die Umstände,
unter dencn sie nach Deukschland kamen, als die Jdem von christll'cher
Einheik, wovon ste sämmtlich beseelt waren, wiesen ihnen für die nerr
zu errichtenden Kirchen den eben in Jtalien enkstandenm Baustyl an,
als den gegenwärtig zur Erreichung ihres Zweckes am meist geeigne-
ten. Man wollte einmal das Alte nicht mehr, svndern verlangte etwaS
Neues, Gefälliges. Katholiken und Protestanten wünschten dieS. Die
Jesuiten, um Allen Alles zu sein, konntm diesm Wünschm um s»
eher nachgsben, da sie in Rom ein so herrliches IMuster deS neum
Styles erblicktcn. Viele von ihnen waren selbst Baumeister, unter an-
dern zeichnete stch Andrea Poppo aus. Die Jesuiten aller Länder durf-
len in wichtigm Fällen nichts unternehmen, ohne darübcr bei ihrenr
General in Rom angefragt zu haben, bei ihnen allen herrschte dio
st engste Uebereinstimmung, und so mochtm ihnen auch wohl die-
Plane ihrer Kirchm im Allgemeinen von Rom angegeben sein. Dazu
stimmte nun auch die Eleganz der italimischm Baukunst mit der-
Pracht ihres GottesdiensteS, so daß für den Orden der Zcsuiten kein
Kirchenbaustyl mehr geeignet schim, als der italimische. Das Wesm
dieses Slylcs bestand darin, daß man im Allgemeinm zum altrömi-
schen Geschmacke zurückkehrte. Man verließ den Spitzbogen, der,'n-
Jtalien cin sonderlicheS Glück gemacht, und wandte wieberum den
Rundbogen an. Die horizonralm Linim, d!« der Spitzboamstyl zu
vermeiden suchte, kamm in reichliche Anwmdung an Fenstern, Ge-
simsen u. s. w. Wie bei der byzantinischm Baukunst, so hatte auch
hier wieder die Bauart des PantheonS in Rom großen Einfluß, ja
man ging sogar so weit, daß man dm Styl zweier verschiedmartiger-
römischer Grbäude zu einem drittm zusammenschmokz, um so daK
Wunder der neucn christlichm Baukunst, die Peterskirche in Rom,
zu bilden.

Kuppeln waren daher diesem Baustyle eben so kefreundet, wie dem-
byzantinischen, doch wich man bei kleinern Kirchen in dieser Beziehung
ab. Man hielt sich bloß an einer Aehnlichkeit in dec Formation dev
Thürme, die nicht mit einec Spitze, sondern mit einer Laterne schlos-
sen. Auch an das Äreuz im Grundriffe band man flch nicht mehc und
hielt sich in Bezug auf die Verzierung ganz an dem vcrdorbenm Ge-
schmacke zuc Zeit der Kaiser.

Der iralienische Baustyl fand bald allgemeine Aufnahme; zuerss
verbreikete cr sich nach Frankreich, nach Dsutschland und die übrigm
Länder. Michel Angelo, dem Rumohr die Empfängllchkeit für daS
Schöne dis Maßes abspricht, und der die Bahn des Zweckmäßigm,
technisch Begründetenverließ, um seinem Hange zum Aufallendm, Lus-
tigen in dec Baukunst nachzuhängm, aber wegm seincr großm und
edlrn Pei sönlichkeit einen bedeutenden Einfluß auf seine Zeitgenossm
übte, trug nicht wmig zur Verbreitung deS bamals herrschenden Bau-
wesens dei. Auch die niederländischen Maler, und ganz vorzüglich Ru-
bens, waren Beförderrr des italienischm Geschmackes in Deutschlank
und den angränzmden Ländern. Der Letzkere zcichnete währmd seines
Auftnthalls in Genua die ausgezeichneten Gebäude dieser Stadt und
machte sie durch Abdrücke bekannl **).

Jn Deutschland, und vorzüglich auch in unscrn Gegenden, begannm
trübe Zeiten, zuerst durch dm truchsessischen, dann durch dm dreißig-
jährigen Krieg. Beide waren der Erhalkung der Kunstschätze, und darum
auch der Kirchengcbäude, nicht sehr günstig. Jm truchsesstschen Kri'ege
verloc unter andern die Stadt Neuß ein sehr interessanles Gebäude
an dcr Magdalenmkirche vor dem Oberthoce. Sie war ein Werk des-
11. Jahrhunderks, mit vielen Säulm geziert und sehc kostbar ***).

AlS man sich von dem Schrecken des dreißigjährigen Krieges
erholt, sing man allmählich an, von Neuem aufzulebm, lnsbesondeke
aber fand die Kunst in dec Folge an dem Hofe deS Kurfürstcn vsir
der Pfalz in Düsseldorf die glänzendste Aufnahme und Pflege. Hät-
ten nicht die Raubkriege FrankreichS hie und da so vieles zerstört und
so bejamrnernswcrthe Unglücke hervorgebracht, wäce man nicht in
blindec Uedecschätzung des Aeitalters Ludwig xiv. ins Barocke und
Abfurde gefallen, es hätte bei dem neu wachsenden Wohlstande brr
Ruhe und Frieden vcelcs Gute gedeihen können. An Liebe zur Bau-

*) Vv vils ot rol»u8 xv8tis p. kani^ii, aaotoro prsnci^oo iSacodio».

**- kaliinri sntioki o moäorni cli Kenova, rsoooiti o üi8exosti 6»
k. k>. kubens. ^nverss 1622, 1652, 1703.

^**)-1nsIes novo8ieo8es in der collectio smplissimu bei Nlartone et
vursnlliis.
 
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