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Frage schon m wesentlich verschiedener Art. Diesec Thurm hatte sich
nicht in gleichem Maße, wie sein Awillingsbruoer, der Gunst der ver-
gangenen Jahrkunderte zu ersreuen. Nuc erst seine Fundamente und
einige wenige Bruchstücke über der Erde sind von demselben vor-
handen. — Es stnd aber die Thürme, ungefähr bis zu der gegenwäcti-
gen Höhe des südlichen, nichtS weniger als selbstständige, von der
Kirche getrennte, Zierden derselben; sis werden vielmehr, indem sie ;u-
gleich mit dem in die Fayade des Mittelschiffes endenden Zwischenbaue
die Vorhalle bilden, ein integrirender Theil der Schiffe, und schmel-
z-n so mit dem Jnncrn zusammen, welches ohne sie einen seiner
schönsten und charakkeristischsten Theile entbehren würde und mithin
in keinec Weise als vollendet angesehen werden könnte. Außerdem er-
hält aber auch das fortgesetzke Mittelschiff allecerst in den Thürmcn
seine eigentliche planmäßige Stütze nach der westlichen Seite hin, so
daß auch in construcliver Beziehung dieser Theil von wesentlicher Be-
deutung erscheint. — Der Verein würde demnach hier die Kicche
selbst, im engern Sinne des Wortes, föcdern und damit zugleicb in
der Hauptfagade ein Kunsiwerk errichten helfen, mit welchem kein
ähnliches an Grsßartigkeit, Reichlhum, Harmonie und Folgerichtigkeit
wetteifern kann, so viele Staunen erregende Thurmfayaden auch der
Kunstgenius dcs Mittelalters in allen Ländern fast, wo das Christcn-
thum blüheke, tzervorgezaubert hat. Nichls desto weniger glaubke die
Eommission sich auch dagegen erklären zu müssen, daß die Vereinsmit-
tel ausschließlich odec auch nuc zum größten Theile diesec Aufgabe
zugewendet würden.

„Auch hier galt der Eommission wiedec als Haupkgrund, daß voc
Allem der Zweck des Gebäudes, dec Gottesverchrung zu dienen,
Ziel und Maß geben müffe, daß dieser Zweck aber nicht am schnellstcn
und sichersten dadurch erreicht werde, daß man die gesammten Kräfte
auf die Fa?ade und das Atrium verwende. Es fchien der Commission,
daß diese Theile vorerst am zweckmäßigsten nur so weit aufzurichken
sein möchten, um den Schiffen Schluß und Stütze bis dahin gewäh-
ren zu können, daß die mit unverhältnißmäßig größerem Aufwande
verbundcnen Thurmhatten die HLHe des Mittelschiffes erreicht hätren,
wenn nicht etwa von anderen Seiten her besondere Hülfsquellen die-
sen Theilen zufließen und daS gleichmäßige Aufwachsen derselben m!r
dem Mittelschiffe möglich machen sollten. Diese letzkere Hoffnung ist
aber wirklich zum Glücke nicht eine ganz unbestimmte, auf bloßec
Möglichkeit beruhende, vielmehr ist es schon in hohem Grade wahr-
scheinlich geworden, daß mehre, selbsiständig neben dem hiesigen C-n-
tral-Vereine und scinen Hülfsvereinen wirkende, Dombau.Vereine ihce
Mittel den Thürmen zuwenden werden; ja, der schlesische Dombau-
Verein hat dies bcreits durch «inen förmlichcn Beschluß sanctionict.

„Wenngleich Jhre Commission sich durch die angeführten Rück-
sichlen bewogen fand, Jhnen nicht die Verwendung aller Mittel auf
die Vorhalle und die Thurmseite vorzuschlagen, so ist sie darum doch
keineswegs der Ansicht, daß diesen Theilen gar nichts zugewendet wer-
den solle; sie ist vielmehr, wie sich dies aus dem Nachfolgenden näher
ergeben wird, zu dem Resultate gelangt, daß die Kräfte des Vereins
auch theilweise nach dieser Seitr hin qerichtet wecden möchten. Selbst
wenn das vorstehend üdec die hohe Wichtigkeit der Vorhalle fär den
ganzen Bau Gesagte weniger Grund bätte, als es zu haben scheint,
so müßte doch schon in dem mit begeistertec Ucbereinstimmung bei der
Vorstands-Versammlung vom 5. September ausgesprochenen Wunsche,
in Gemeinschaft mit dem Könige zu bauen, ein mächtiger
Antcieb für den Verein liegen, auch bei diesem Bauiheile, welchem die
königliche Gnade eine besondere Summe zugewendet hat, dem erhabe-
nen Schutzherrn sich anzuschließsn.

„Aus dem bis heran Gesagten geht schon von selbst hervor, daß die
Commission stch, unter Vorbehalt dec für den Thurmbau auszuwer-
fenden Summe, füc die eigentlichen Schiffe der Kirche entschieden hat.
Es ist dies allerdings der Fall, und zwar mit der näheren Maßgabe,
daß vorAllem das nördliche, der Trankgasse zugewenbete
Querschiff aus den Beiträgen des Central-ÄereinS in
Angriff zu nehmen sei. Alle diejenigen Gründe, welche sben als
Zweifels- odcr Verneinungsgründe gegen die. beiden schon besprochenen
Vecwendungsarten angeführt worden stnd/streiten der Natur der
Sache nach zu Gunsten der so eben aufgestellten Ansicht, ganz beson-
ders aber die Rücksicht, daß Alles aufgeboten werden muß, damit sie
inneren Räume in möglichst kurzer Frist ihrer erhabenen Bestimmung
übergeben werden. Es wird Jhnen zweifelSohne noch aus dem in der
letzten Versammlung abgestattrten Gutachten des Herrn Regierungs-
Baurathes Zwirner erinnerlich sein, wie derselbe versichern zu können
glaubte, daß, falls die bishec bewiesene Theilnahme des Publicums an
drr Dombau-Sache fortdaure, das ganze Jnnere deS Domes bis zur
Oberkante der burch die Mitte der Hanpkschiffe laufenden Galerie bin-
nen wenigen Jahren dem Gottesdienste überantwortet wcrden und
demnächst, vermittcls Anbringung einer Schutzdecke in dieser Höhe,
die ganze bauliche Thätigkeit sich nach außen hin ziehen könne. Der
Herr Dombaumeister hat Jhnen ferner mikgekheilt, und die übrigen
Herren Techniker der Commissivn haben ihm vvllkommen beigestimmt,
daß dieses Resultat nur durch die gleichzeitige Fördecung des
Baues an mehren Seiten zu erzielen sci, daß aber auch außer-
dem aus constructiven und technischen Rücksichten solches gleichmäßige
Weiterbauen dringend räthlich erscheine. Die nähere Begründung die-
ser Ansicht, zu welcher sich auch noch Herr Sulpiz Boisseröe be-

kannt hat, deffen Nam; gewiK als eßne der gewichtigsten Autscitätrn
in die Wagschalc fällt, darf als bekannt vorausgesetzt werden, da die-
selbe schon mehrfach im „Domblatte" zurSprache gekommen und mehr
oder weniger ausführlich entwickelt wscden ist. (S. daS „Kölner Dom-
blatt" Nr- 5, 22 und 24.) Schsn in dieser Rücksicht allein würde «in
zureichender Bestimmungsgrund gefunden werden müffen; denn wer
ein Werk gcünden will, welches die Jahrhunderte zu übrrdauern be-
stimmt ist, muß vor Allem diejenigen Gesetze zu Rathe ziehen, durch
welche der Makerie ihr Bestand gesichert wird; der Techniker muß daS
erste Wort spcechen, wenn man nichr Gefahc laufen will, daß die
Jdee an der Materie, welche ihre Trägerin sein soll, scheitert. Allein
es sind dies nicht die einzigen Gründe, welche dem Vorschlage der
Commission zur Seite stehen. Das Resultat, welches derselbe in Aus-
sicht stellt, dürfte, selbst abgesehen vsn jeder Rücksicht der Technik und
dcr praktischen Zweckmäßigkeit, ssgar in actistischrc Beziehung durch
keine andere Art der Mitwirkung am Baur überboten werden. Ss
unvergleichlich sckön auch d!e Außenseite des Domes und besonders
die Thurmfaz-ade erscheinc, ss ist doch das Jnnere in seiner Weise
gewiß nicht weniger vollender und kunstreich zu nennen; vielleicht ist
dasselbe noch bewundernswücdiger als daS Aeußere, in so fern der
Meistec mit weniger Mitteln größcre Hemmnisse zu bekämpfen und
mehr Rücksichten zu nehmen hatte. Dann aber spricht sich, umgekehrt
wie bei den Tempeln des Heidenthums, bei welchen sich Alles nach
außen hin bezog, im Jnnern bei Weitem am entschiedensten dasjc-
nige aus, was allein dem Kunstwerks die höhece Bedeutung gibt —
die demselben zum Grunde liegende Jdee, sein geistiger
Jnhalk. Das Jnncre ist, mit Einem Worte, die Seele des ganzm
Baues. Diese schweigsame, m!t unbestimmtem Farbenschimmec durch-
leuchtete Atmosphäre, die magische Wickung dec Perspective, die hohen
Hallen, welche sich alle nach dem Orte hinziehen, wo der im Myste-
rium verhüllte Weltenschöpfer ruht, die gewalkigen Pfeiler, welche in
dcc geheiligken Form des Kreuzes sich an einander reihen, um stch in
das, in stäker Bewegung auf und ab pulsirende Gewölbe zu verlieren,
endlich alle die sinnvollen Werke der Sculptur und Malerei rings
umher, gleichsam e!n aufgescblagenes GeschichtSbuch deS kirchlichen Le-
bens in Form und Farbe — dies alles ist gewiß die beredteste Mani-
festalion der Kunst in ihren Bezi'ehungen zur reli'giösen Jdee, und
weil mehr geeignet, die schlummernde Ahnung des Göttlichen zu weckcn
und den Grundgedanken des christlichen Tempels: das Aufstrebm des
Geschöpfes zu seinem Schöpfer, seinen Zusammenhang mit dem Jen-
seits, den Kampf des Geistes mit dec Materie symbvlisch darzustellen,
als die zahllosen, reich geschmückten Pyramiden, welche auswärts in
die Lüfte streben. Ein Blick von dem Thurmportale aus durch das
vollendete Mittelschiff auf die funkelnde Pracht der Chorfenster hin
mag minvestens einen nicht weniger tiefe n Eindruck zurücklaffcn, als
das Hinaufstaunen zu den Spitzen der vollendeten Riesenthürme!

,,Wir dürfen übrigens nicht vergessen, daß mit dem Baue des Jn-
nscn nothwendiger Weise auch zugleicherZeit das Aeußere be-
trächtlich qeförderr wird, und daß namentlich die zwei Giebelseiten des
Kreuzfchiffes, deren ursprünglicher Plan zwac leider nicht auf uns ge-
kommen ist — von welchen wir indeß überzeugt sein dürfen, daß sie
in ei'ner des Ganzen würdigen Weise ausgeführt werden — in glei-
chem Schritte ihre Pracht nach außen hin entfalten, wie die entspre-
chendcn Hallen im Jnnern sich erheben und zusammenwklben.

„Dem Vorschlage der Commission tcitt abec noch eine fernere Rück-
sicht von überwiegender Bedeutung zur Seite. Das Jnnere ist ein
für sich abgeschlossenes Ganzes, ein organisch durchgebildetes
architektonisches System, in welchem der Geist des Mei'sters in seiner
ganzen Größe sich kund gibt; und diese Schöpfung kann, wenn nicht
alle Wahrscheinlichkeiten trügen, die lebende Generation noch in ihrer
Vollendung schauen, während die Beendigung des Aeußecen sich vor
unseren Aügen noch in eine unbcstimmte Zukunft verliert. So viel
Vertrauen man auch in dieselbe zu setzen berechtigt ist, immer bleibt
es doch räthlich, in einer möglichst kurzen Frist ein mög-
lichst großss, praktischcs Resultat zu erstreben. Hüten wir
uns, dem großen Bcuchstücke immer nur neue Bruchstücke beizufügen!

„Unberechenbar mößte der Jmpuls, welchen das Fest der Einweihung
des bis zu den oberen Fensterceihen vollendeten Jnnern den Geistern
geben würde, auf das fcrnere Gedeihen des B:tues wirken; dieses Fest
abec kann füglich m!t dem Tage der sechSten Säcularfeier der ersten
Grundstcinlegung zusammenfallen und so das Jahr 1848 eine neue
große Aera in dcr Geschichte des Dombaues beginnen.

„Und wenn dann alle die gesammelten und wohl disci'pli'nirten
Kräfte, geleitet durch die bis dahi'n gesammelten Erfahrungen und
gehoben durch das Bewußtsein, den erhabensten Tempel der Christen-
heit so weit schon aufgecichtet zu haben, sich sammr und sonders auf
den äußeren Bau werfen: so werden wir auch noch die mächtigen
Streben und den Wundecbau der Thürme, ihren Focmenreichthum in
freudigec Hast erschli'eßen und himmelan wachsen sehen.

„Vor Allem möge daher aus allen Seiten das Rüstwerk aufsteigen
und die Geschäftigkeit der Werkleute wiederhallen, auf daß der Bau
vom Süden und der Bau vom Norden her sich in möglichst kurzer
Frist begegnen und zuglcich mit dem Thurme, wclchen König und Volk
gesammter Hand bauen, ein Sinnbild deS schönsten Einklanges zwischen
beiden werden.

„So wollen wir das, wie es scheint, planmäßig von Zeit zu Zeit
 
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