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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1855 (Nr. 119-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1521#0007
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Etyles. Deu» einerseitS ist er vicht iu l>e« fchöuen ansgebildeten gv»
thischen Style gebaut. dea wir am D««e zu Koln bewundern, und an-
derecseits ist er durch fremdartige Zuthaten, wie burch «iu iu antikem
Style gebautes Portal verunziert.

„Richt vergleichen will ich hier mlt dem Dome zu Kö'l» di« unS allen
dekannten Münster zu Straßburg. Freidurg und Epeyer, nich! hervor-
heben, wie fie vom kölner Dome sowohl aa Gcoße als auch an Reinhcit
des Styles uud an Schönheit überrroffen «ecden.

,Wenn auch im Grundrisse mit der nordfranzösischeu Kathedrale, be-
sonders mit dcr von Antieus verwandt, ist der Dom doch eiu rein dcutsches
Wauwerk, e!n Prachtwerk des gothischeu Styles, begounen in jencr
Zeit, wo Lerselbe seine höchste Blüthe erreicht hatie. Jn s-inen Dimen-
fionen fast von keinem, an Schönheit von keinem einzigen Bauwerk
übertroffen. wird er dcr Ruhm des dcutscheu Bolkes, deutscheu Fleißes,
deutscher Kniist sein, wenn er dereiust in voller Pracht die Ufer des
deutschen StromcS schmücken wird.

„Bestreben aber müssen wir uns, daß Lie Zeit nicht mehr fern sei,
wo dieses geschehen kann. Denn seit jener merkwürdige religiosc En-
thusiasmus deü Miltelaiters. der Kceuzzügc hervorricf gleich Bölkerwan-
derungcn von Westen nach Osteu, der Lie Menschen vewog, AUes für
ihre Rcligion hinzugebeu. seit diese Degeisternng verschwundsn ist, seit-
dem ist cs ein Diug dcr Unmöglichkeit, daß eiu so großes, so machtiges
Wcrk, wie «s der Dom zu Uöln ist, dnrcv die Kräste einer Stadt vder
einer Provinz zu Eride geführt werden könne. Deutüch zeigt uns das
die Unbedeutcnheit dcr ncueren Dauwcrke, selbst der schonsten dcrselbcn,
wie die Bauten rn München, im Bergleich zu jenen des Mitielalters,
deutlicher noch die Gcschichte Les kölner Domdaucs.

»Im Jahre 1248 gegründet durch Erzbischof Konrad, wurdc die ersten
drei Jahrhlinderte mit Eifcr der Bau des Domes betrieben; Köln seldst
hatte Kraft und Mittel, rhn zu fördcrn. Als jedoch im Lnfange dcs
16. Jahrhunderts durch die Reformation allmahlich Lie religiöse Bcgei-
steruag jm Herzen der Menschen erlosch, da fand selbst das reiche u»d
mächtige Kölu nicht Mittel, das Werk zu fördern. Der Weiterdau uuler-
blieb; deou noch nicht erkaunte Las zcrsplitterte und zerrissene Dcutsch-
land, Laß es eine Pflicht, eine Shrensache sei, diescs W.rk zu einem
würdigeu Ende zu führen. Er ruhte, bis nach den große» Kriegen im
Anfange dieses Jahrhunderts das deutsche Wolk als cin großes GanzeS
sich fühlte, als es mit wievererwachtem Kunstsinn crkanute, daß cs clne
Pflicht der Pietät gegc» Las Mittelalter, gegeu dle Schöpfer dcs grvßen
Plaucs, daß es Ehrensache für das Leutschc Aolk sei, ben Dom zu becnbigen.

,Ja, Eommilitoncn! es ist eiue Ehrensache für Dcutschland, daß bcr
Dem zu Köln nicht länger eincrRuine gleich über die geringe Lhatkraft
desjenigen 3-olkes traueru muß, desscu Strom er als daö schönste Denk-
mal seincs Fleißcs schmücke» soll.

,Würden »lcht spätere Geschlechter die Gegeuwart noch alö eine solche
ansehen, die in ihrem barbarischen Geschmacke die hohe Würde, die Er-
hadenheit Lss gorhischen «iyles verkannt hätte, oder vlelmehr, da die
große Anzahl vou andercn Kuustwerken ihnen dieses nicht gestattct.
müßten sie nicht ihce Dorfahren für kleinüche Krämerseelen, sür kalte
Egoiste» halten, «ines großen Gedankens, eincs grvßartigeu Planes un-
fähig, weun wir ihnen das uns hinterlasseiie Wcrk, uus hintcrlasien
durch die Zersplitterung, den barbarisü.eu Gcschmack frühercr Gencrationeu,
wenn auch wir es ihneo unvollendet hiuterüeßeu? Larf unsere Zcit,
die doch so viel auf ihre Kunstbestrcbungc» hält, darf fie es unterlassen.
das Werk zu vollerideu, an bcsse» Fortdau sie ihrcu Kunstbestrebuuge»
das beste Denkmal setzcn kanu ?

.Bcsonders abcr für «ns, Commilitonen! ist es eine Ehrensache,
Lheil zu nehmen an der Förderung d-s großen Wcrkcs. Diejenigcn,
die vor «ns an dieser Stelle deu Studien odlagcn, eckanuiea sehr wohl,
daß es gerade die Aufgabe ber stredendeu Iugeud sei, an einem Wcrke
sich z« bethciligen, desien Förderung Begeisterung für das Edle und
Gu-te, Begeisterung für die Kunst erheischl. Sie stifteten diesen Bercin,
und die Rechenschafts-Berichte zeigen, daß sie es an rcichliche» Beiträgcn
»ie habe» fehle» laffen. Unsere Borgangcr haben vcn Lufcuf an alle
dentschen Hochschulen ergchen lassen, diesclben siud zefolgt. In de»
Domblättecn findet Jhr, wie Lie Belträge vou ihne» scit ciner Rcihc
vou Jahren hcrbeiströmten, wie sie noch rmmer aus einer reichen Quelle
fiießeu. Darf da unsere Universität, die Alle in biescr Sache gleichsam
als ihren Worort belrachten, darf sie jctzt ziirückiichcn, bie srüher oie
Lbrigen durch ihr Wirken fowohl als durch rhre Wocte für diese Sache
gewonnen hat?

,Jn uriserer Hand lregt cs, uus Lessen würdig zu machen, unscrcn
Verein wie früher den anderen vvrleuchtea zu laffcu, — bieses zu ihun,
fordert unserc Ehre!'

Herr Privatdocent 0. Echaaffhausen nahm daS Wort zu folgen-
dem Vortrage:

„Mit rohen Bcrsuchen uud schwachen Anklängen beginnt die Kunst
in der Geschichte der Völker. Die crsten Bcdürfnisse des Menschen sind
die der Nothwendigkeit; wenn diese befriedigt sinb, sucht cr edlcre Ge-
nüsse, die ihm das Leben verschöueru. Die erste Kleibnng ist SchuH
gegeu die Kälte, «der eiu Zeicheu der Schaam, daun wird sie zur Zierde,
zum Putz. Der rohe Wilde flicht sich auS Zweigen einen Zaun gegen
die Windseite, oder ein uothdürftiges Dach; erst späler daut er eine
Hütte oder ein HauS, deffeu Jnnerraum er dald mit Waffeu uod Sie-
geSzeicheu ausschmückt, in welchem er auch geweihte Dlnge, vielleicht ein
Götterdild aufstellt. Die Baukunft kan» noch keine Werke schaffen,
welche Lie Empfinduag des Erhabenen wecken. Lber der rohe Mensch
fühlt iu der Natur selbst die Nähe seines Gottcs, in der Stille der
Wälder, am brausendeu Wasserfall, oder wenn unter Blitz und Donner
Lie Wolken sich -utladcu. Ju eluem gruneu Haine, oder an einer klarcn
Qnelle wird der erste GotteSdieust gefeiert; ein roh dehauener Stein ist
die Stelle deS Dpferö; vder die aufgehende Sonne wird alS eiu Gott
hegrüßt, oder das heilige Feuer von keuscheu Jungfcauen gehütet. ,L«ch
an der Stätte der Lodten «ird el» Denkmal errichtet, bei ihreu Gräberu
wird geweiot uud gedetet-

„So ist die Baukuust eutstaudeu. Die HStte de« Wllde« ift ihr
erster Bersuch, der christliche Dom ihr« HSchst« Leistuug. Vte ift di« «r-

sprünglichste uud eiufachste der Künste, ater i« ihrer Volleobuog um-
schließt sie die andercn aüe

„Die Folge der Baustyle zcigt auch bci den gebikdeten Wölkcrn noch
den Uebergang von nothwendigen zu stets freierev Formen. Bci den
Griechcn hat der dorische Styl noch das Streng« der einfachcn Berhält-
nisse, sein Ausdruck ist der des Ernstes und der Kraft; die Säule ist
kurz, ohue Fuß, sie ist eben cine Stütze, Lie trägt. Die schlanke iouische
Säule gewinnt durch leichte Formen eine» hcitcrcn AuLdruck, sie rrägt
nichr nur das Gcbälkc, sie trägt auch Schmuck und Zierden. Diese sind
Rachahmungen der Natur. Zucrst wird man die Sänle felbst mit Bln-
mengehäugcn umwuriden haben, wic «nser tzandvolk auS Sierschnüren
und Blumciikränzen Festgewinde macht, dann arbeitcte der Künstler diese
im Steine selbst a»s. Da finden wir den Eierstab des ionischen EapitalS,
auch die SchneckenMindung desselben ist der Natur abgcschen. Die ko-
riiithische Säule ist aber die prächtigße; das Eapital mit scinen Akan-
thusdlättern gleicht oft einein mit Blumen, Früchten und Garben reich
gefüllten Fruchtkorb Ia, Lic ganze Eäule, mit ihrem Fuß und Kopf,
so wie das Bcrhältniß dcr cinzelnen Lheile zu einander erinncrt an die
menichlischc Gestait; in einer Abart der Säule. in der Karyatide, ist
diese selbst dargcstellt. So bchält die Kunst Sberall Bezüge zur Natur.

„Das GescHmäßige, was i» diescr waltct, gilt auch dem Künstler als
obcrste Regel. Man verlangt, daß das Kunstwcrk, zumal Las Bauwerk,
organisch sei, das hcißt, daß allc Lheile wie aus Eincm Gusse, wie aus
Einer Lrast hervorgewachsen feicn, ein Lheil den andcren bcdinge. alle
um eine Mitte sich ordnen oder zu einer Sxitze cmporstreben. Es ist
ein bczeichnendes Merkmal der germanischsn Ganweise. daß sie, wie
Boisseree hervorhob, die maniiigfalrigste Wiederholung und Umwant-
lung einiger einfachcn Grundgcstaltcn. z. B- dcs rechtseitigeu Drciecks,
zcigt und damit «nverkenndar an die Pflanz'ennatur eri'nnert, sür die
Göthe in scrner Sehrc ron der Metamorphose der Pflaiizeu zu zcigeu
gcsucht hat, daß die große Mannigfaltigkeit ihrcc Gebilde sich auf ein
einfachcs Elemeut, auf das Blatt, zurückführen lasse. Weniger treffend
hat F. Schlegel die gcsetzmäßige Wiederholung der gleichen Lheile
einer Krystallbitdung vergüche». Wle der Krystall aus kleiuen Srystallen
derselben Form zusammen gewachsen ist so erscheine Lhurm und Kirche
des deutschen Dvmes gleichsam aus «nzähügen kleinen Lhürmchc» und
Kirchen zusammengesetzt. Eine so starre Gleichheit, wie sie Ler ganze
Krystall uud jedcs seiner Lheilchen besitzt, zeigt indesscu das Bauwerk
nicht, dessen einzclnc Formen, bci aller Ucbereinstimmung doch verschieden,
eben nur dem allgemeinen Gesetze stch uiiterordneu und fo in cinem or-
ganischen Zusammenhange stehen.

„Säßt sich auf biese Wcise ein allgemeine« Raturgefttz in dem Kunst-
werke wiedcrft'ndeli, so drückt anch dic bcsondere Natur, das Kiima, dcm-
selbcn ein bestimmtes Gepräge anf. Die nackten Marmor-Gestaltcn
Griechenlands zum Beispiel, sie mögen vor der idealen Ausfassnng des
Gegenst-ndes noch so fthr gerechtfertigt erscheinen, nehmen sich uuu eiu-
mal in dem Schneegestöber unscrcS nvrdischen Himmels ftltsam und un-
gehörig aus. Keine Kunst träzt dieftn Einfluß wiedcc dcutlicher zur
Schau als die Baukuust. D!e hohe« Giebel der Leutschen Häuser, Lic
zugespitzten Lhucmdächer gcden dem Aublick unftrer Städte etwas Eigen-
thümliches, sie sind zunichst für de» leichlen Abgang von Schnee nnd
Regcn bestimmt, und Lrücken eine gewisse Bchaglichkeit deS häuSlichen
tzcbelis aus, während daS flache Dach der Häuser in südlichcn Gegcntcn
leicht zum Garten umgewandelt wird und die Bcwohner zu jcder Aeit
hinaus ins Freie lockt. Das hohe Gewölbe des Mittclschiffes ber Lcutschen
Kirchcu erinnert noch an die Abhängigkeit vomKlima, welche aber durch
die künstlerische Behandlung des Juncrn ganz verschwundcn ist. Da
stellt das hohe Dach das Himmclsgewölde dar, zu welchem Alles empor-
strebt; ost find Lie vergoldete» Sterne auf dlauem Grunde angcbracht.
Auch in den scharftn Äanten und Spitzrn des in das Freie ragenden
steinernen tzaubwcrks erblickcn wir die Sorge, Len Bau vor den Einflüssen
bes nordischen HimmelS z« schützen, zumal vor der Näffe, die dcm feßesten
Gcstein verderdlich w:rd. Jn dcn Anfänge» Ler Kunst spricht sich Liese
Abhängigkeit von der Natur am deutlichsten au«, mit dcr fortschrcitcn-
den Eiitwicklung derselben vcrwandelt der künstlerische Gestaltungstrieb
die gegcdene nothwsndige Form iu die freieste Kunstschöpfung, beren
Zicl Lie ideale Schonheit ist.

,.Dic Kunststyle siud dcßhalb nlcht allein nationale Unterschiede, die
gleichberechügt neden einandcr stehen, uicht bloße Moden, die Ler Zufall
wechftlt, sondern Entwicklungostufen einer Kunstthäligkeit, die dem
schaffenden Geiste des ganzen Menscheugcschlechtes angehört. Die Kunst-
geschichte zeigt mchr oder weniger Liesen Zusammenhang. Di« Anfgra-
vungen assyrischer Äunstschätze im Ligristhale haben es mchr als wahr-
schcinlich gcmacht, daß die Griechen schvn vortreffliche Vorbilder gehabt
haben; von dieftn erbten Lie Römer. Was das Mittelalter vvn dcr
Antike gelernt, ist bckannt, da seldst ein Raphael sich nicht scheute, in
diese Schnle zu gehen. WaS die Baukunst angeht, fo ist freilich nicht
der römische Lempel kurzweg in den christlicheu Dom umgewanbelt wor-
den, deuu der GotteSdienst selbst bedingte hier zu große Unterschiede-
Der heidnische Lempelbau war ein Außeubau, in Lem nur die Zelle das
Götterbild einschloß; Ler Gott der Christen svllt« Allen nahe ftin, die
ganze Gemeiade wohnte dem Opfer bei, und so wurde das geräumige
VersammluugshauS, der Gerlchtssaal, die Basilica daS älteste Muster
der christlichen Kirche. Etatt Ler flacheu Decke wurde das römische Ge-
wö'lbe aufgesetzt, «ud so bildete sich d!e romanische, aus dieftr die ger-
manische Bauweift durch Einflüsse, die sich bei der Berührung germani-
scher Stämme mit östlichen Bölkeru, zunächst deu Arabern, gelteud machten.
Mit jedem großeu geschichtlichen Ereigniß uimmt auch Lie Kunst neue
Elemente in flch auf, und wie Lie Natur in ihre» BildungS-Epechen, so
stellt auch die Kunstgeschichte cine zusammeuhangende «nd fortschreitend«
Eutwicklung dar. So hat daS Christeuthum also auch in bieser Bczie-
hung die Btldung der Alteu uicht aufgehobe», sonderu in fich aufgenvm-
men, oud in diese» fruchtbar gcmischten «oden dea Keim einer hvheren
Entwickluug hiuriugelegt.

„Gchoo F»rster verglich das Ianere der gothischen Kirchen dem tzaub-
gewölbe oralter Wälder; ja» man hat diesen eigenthümlichen Bansiyl anS
deo heiligea Hainen »er Dentfchen abzoleiten gesucht. So vi^e AuklLoge
 
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