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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1855 (Nr. 119-130)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1521#0039
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Die Kirche z« KaiserSwerth zeigt sowohl im GrundriH, alS im Äuf-
riß deS Laug- «nd Querschiffcs den strengen Lypus tincr Pfeiler-Ba-
silr'ca, wie solche im tv. und n. Jahrbundert im ganzen Occidente ihr
Sntsteheu fauden. Die Arcaden des Mittelschiffes werdeu getragen von
noch «ngegliederten Pfeilern mit einfacher Deckplatte. Die auf den Bo-
genstelluugeu zu beiden Seiten Les Mittclschiffes ruhende» Wandflächen
werden von Fensteröffuungcn in strcngen Rundbogen durchbrochen. Die-
selbe Nüchternheit der constructiven Formen ist auch in dem Querschiffe
beobachtet, das bedeutend nach beiden Seiten vorspringt. Die Neben-
schiffe. von geringer Breite, waren ursprünglich gewölbt; Mittcl- und
Querschiff, erstereS 26' 8", letzteres 38' breit, waren, wie an allen Bau-
ten der secuudären romanischen Periode, flach gedeckt. Beim ursxrüng-
lichen Baue nahm die Breite des Mittelschiffes ein Lhurm ein, welcher
im Jahre 1243 bci ciner der in der Nähe liegenden kaiserlichcn Burg
drohenden Belagerung aus Worsicht abgetragen wurde. damil er, einer
am Eingange des Lhurmes befindlichen Jnschrift zufolge***). in der
Hand des Feiudes dem Schlosse nicht zum Werderben gerejchen könne.

Mit dem Abbruch dieses Lhurmes beginnt für die Stiftung des h.
Suitbertus zu Kaiserswerth die dritte Bauperiode. Fand in Len vorhcr-
gehenden Zeiträomen die romanische Kunst unter den Karolingern und
den Ottonen Entstehen «nd Entwicklung, so enrfaltete fich dieselbe iu
der nun folgenden tertiären Periode unter der Dynastie der Hohenstau-
fen zu einer Blüthe und Bvüendung, Lie jetzt uoch unsere volle Be-
wuuderung in hohem Grade erregt.

Bereits mit dem 1l. Zahrhundert war durch die «reuzzüge ciu höhe-
rer religioser Jwpuls unter die Völker des Abendlandes gekommen. Luch
der Rhein sandte seine Scharen in jeues hcilige Land, wo dcr Erlöser
noch sichtbare Spuren scines irdischen Daseins zurückgelassen hatte. Daß
diese Strömung aus dem Occidente in den Orient, währeud zweier Jahr-
hunderte, auf Lie bildenve Kunst überhaupt von Einfluß gewcsen sein
müsse, geben wir unbedingt zu, ohne jcdvch einzuräumen, daß die gottbe-
geisterten Streiter aus dem fcrnen Oriente Lie Worbilder Ler byzantini-
schen Baukunst auch an die Ufer des Rheines zu verpflanzen sich bcstrebt
hätken. Dagegen läßt sich mit ziemlichcr Bcstimmtheit nachweisen, Laß
unter dem leiteudeu Einflusse lomdardischer Bauten sich namentlich am
Rhein «nter Len Hohenstaufen ein svlcher Grad von Selbstständigkeit
und Originalität in Ler Baukunst entwickelte, in welchem bereits alle
Momente eines im Durchbruche befindlichen neuen Bausystems, wie im
Keime, zu erkennen sind.

Diese tertiäre Periode der romanischen Kunst, wo man schon zum
Werständniß und Seldstbewußtsein der Form gekommen war, ist jene
Zeit dcs freien religiösen Aufschwvnges, in der die bedeutendc» Geldmitkel,
dle sich durch die Krcuzzüge und Lurch das rasche Aufblühen der religiösen
Orden in der Hand der Kirche gesammelt hatten, zu den erhabcnsten
und grvßartigste» kirchlichen Bauien verwandt wurren. Gleichwie die
heutige Krämer- und Speculalionszeit Las Jahrhundert des Dampfes
«nd der Maschinen genannt zu werden verdient. so kann Las glaubens-
starke und vpferwillige 12. und 13. Säculum mit Recht als die Aeit Les
Kircheu- und Klosterbaues bezeichnet werden. Die vielen ruinenartigen
Lufbauten nicht nur im „hilligen Köln', sondern allenthalben am gan-
zen Rheiu entlang sind leiver sprechende Belege Lafür, daß die Glau-
denswärme unserer frömmeren Bvrfahren mit einfacheren Mitteln eine
solche Menge der herrlichsten Prachtbauten zu Gottes Ehre zu schaffen
verstand, wie sie der Kaltsinn der heutigen ind-strtellen Welt mit ihren
reichcn technischen Hülfsmitteln nicht cinmal erhalten, geschweige denn
in ihrer srüheren Schönheit wicder herstellen kann.

Jn diese Epoche einer heiligen Baubegeisterung sällt auch der Ncu-
bau des Ehores und theilwcise auch Ler Nedenschiffe und des pvlygonen
Abschlusses derselden. Wielleicht fand man cs der Nähe der kaiserlichen
Pfalz wegen uicht geeignct, den abgetragenen Lhurm, wie es die Jn-
schrift versprach, mit schlankem Helme zu krönen, sondern man trug die
cnge Ehvrnische mit dcr daruntcr besindlichen Krypta ab, verlängerte das
Ehor um ein Bedeutendes und setzte über das Kreuzschiff hinaus Lie Ne-
benschiffe in einer Weise fort, daß sie, im Wiclcck geschlvffen, die Form
von Eapellen gewannen. Lritt uns Ler secundäre Bau der Kirche zu
KaiscrSwerth in Bezug auf Ornamentation und Gliederung Ler einzelnen
Bautheile als hvchst einfach und anspruchslos entgegcn, >o beweis't dcr
eben dezeichnete tertiäre Ausba« in Hinsicht des architektonischen Bei-
werkes, baß der Mcißcl das rohe Matcrial schon nicht mehr schüchtern
und schülerhaft, sondern regel- und knnstgerecht zu behandeln wußte;
überhaupt zeigt sich an den vorliegenden Bautheilen, so wie in allcn
tertiären Bauteu deS romanischen Styls vom Ansange des 13. Jahr-
huudertS ab unverkcnnbar ein selbstbewußres Streben. Len Mauermassen
und starren Wandflächen durch Gliederungen und Durchbrechungen Leben
und Ausdrnck zu geben. Daher auch an dem in Redc stehenden Bauthcile
statt der schwerfälligen Pfeiler der secundären Perivde schlanke, schön
profilirte Säulenbündel, gekrönt mit zierlichem KnoSpen-Capitäl; statt
d-r früher engen und schmucklosen Fenster jetzt lang gezogeve, eiugefaßt
von zierlichen Säulchen und Wulsten; auch Keuster iu Form vou Hald-
roseu erscheinen jetzr häufiger «nd dteneu Lem Außenbaue z« nicht ge-
ringer Aierde.

(Schluß folgt.)


***) Xnno voinlni »ovXvm.

Lano toinpli xsrtoin vrsllsis iiwx nLore Usitsin
6sn»r<lus tiegit, tmriinguo jseois ooogit.
b>o virniuni eurxsris siois xressuis sit uigoos
Lernxois tiangurilo isparet woliois osxMo.

Kirche» und kirchliche Nauwerke a« de« h. Stätte»
des Morgenlaudes.

Bon Prifac.

VI». Das Kloster a«f drm Berge Karmel.

Am südlichen Ende der Bucht vos St. Jean d'Acre erhebt sich ein
nicht gar breiter Gebrrgszug «on etwa 5 biS 6 Stunden Länge, in pa-
ralleler Richtuvg mit dcm Mittelmeere, oder, wie cs in den Schrifre»
des A. D. heißt, Lem großcn Meere, aber doch Raum lasscnd für eine
breite Straße, auf welcher die Rö'mcr wie die Kreuzfahrer von Syrien
nach Cäsarea (Martinea) zogen, ist aber von da nach Aegypten hin durch
Lie angehäuften Muscheln cine schwierige Passage. Auch Alerander der
Große ging diesen Weg. Jenes Gebirge aber ist bekannt unter dcmRa-
men des Karmel, oder iu der deutschen Uebersetzung Les hebräischen Wor-
tes: der Garten Gottcs; denn der Karmel ist wcgen seiner Schönheit,
wegen der Külle seineS Laubwerks so berühmt, wie der Lhabor und der
Hermon- Der Karmel ist ebenfalls einer von den heiligeu Bergen Pa-
lästina'S, nicht bloß als Aufcvthalt der Propheten. uamentlich deS Slia«
und des Elisäus — die Lradition behauptet auch, Laß der göttliche Hei-
land und die seligste Jungfra«, seine Mutter, wiederholt hierhingekom-
men z« den ehemaligev Wohouugen der Propheten und zu jencr Stelle,
welche durch die Weissagungen derselben, besonders iu Bezug auf den
Erlöser, unter den damaligen Frommen einen berühmten Namcn hatte.
Die Mutter Gottes vom Berge Karmel gehört daher zu den gefeiertsten,
die cS gibt- Sie wird an jener Stelle verehrt, wohin man zugleich den
vorzüglichsten Aufenthalt und die Grotte des Elias versetzt, und wo man
Licht in der Nähe, kaum ein paar Huudcrt Schritte weit, am Abhange
des Berges vach Westen hin die bcrübmte Prophctev-Schule hat. Die
Grotte Les Elias ist mit einer Kirche umgeben, und wir werden davon
weiter reden, wenn wir vvn dem gegcnwärtigen Kloster sprechen. Die
Propheten-Schule ader ist eine wcit ausgedehnte, nach Art einer Kirche
gewölbte Felsen-Grotte, mit dcr Aussicht nach dem Meere hin. Die Mos-
lemin haben sie mit einem eigenen Bauwerke versehcn und in eine Art
von türkischem Kloster verwandelt. Denn überall, wo die Propheken und
Patriarchen des A. B. irgend eine Erinnerung hinterlassen, da haben
sich auch die Lürken festgesetzt; sie haben ihre Gräber bewacht und für
Judcn «nd Ehristen meistens unzugävglich gemacht: so das Grab Lbra-
hrm's in Hebron, LaS Grab dcr Rachel bci Bethlehem, das Grab Jo-
seph's in Sichem, unL auf dem Karmcl die Schule der Propheten; selbst
Lie Grotte deS Elias in der Kirche des Klostcrs wird von ihnen in be-
sonderen Nöthen bcsucht, und sie würde Bccanlassung mancher Bekeh-
rungen werden, wenn diese biS dahin unter den Äürken nicht so namen-
lose Schwierigkeiten gefunden. Die Propheten-Schule ward dereinst von
einem mohamedanischen Santon gehütet, wir fauden sie leer.

Das Kloster auf dem Berge Karmel ist eine europäische Berühmt«
heit wegen seiner treffli'chen Lage, seiner schöncn Aussicht auf die blaue»
Wogen Les mittelländifchen Meeres, seiner an Freund und Feind geüb-
ten Gastlichkeit, die fast an curopäischen Luxus gränzt, seiner kirchlichen
Lraditionen «nd seines hohen Ansehens in dem Herzen der Gläubigen.
Es setzt seinen Ursprung in die ersten Zeiten der Christenheit, und scho»
im ersten Jahrhundert soll eive Kirche zu Ehren dcr seligsten Jung-
frau hier vorhanben gewesen sein; auch ist es nicht unwahrschcinlich,
Laß die ersten Anfäuge klösterlichcn Lebens sich hier schon an den Auf-
cnthalt der Propheten und Frommen des alten Bundes knüpfen. Das
Gebirge hat große wohnliche Schluchten «nd an 2600 Höhlen, und wir
glaude», Laß zu beschaulicher Zurückgezogenheit, nächst den Gebirgen um
LaS todte Meer herum, wohl keines geeigncter war, als der Karmel.
Dazu lebte man hier in einer schönen und grvßeu Natur, und der kräu-
terreiche Bergrücken mit seineu duftenden u»L gewürzvollen Staudeu, Lie
allenthalbeu auch unberührt ihre Wohlgerüche verbreiten, bot nicht bloß,
was im Morgevlande viel sagen will, erquickevdes Waffer in seinen vie-
len Quellen, sondern auch sonstige Nahrung, uvd wer je auf dem Kar-
mel war, der findet es bcgreiflich. Laß Lie Propheten, welche sich auS
Lem abgöttischen Lande des ReicheS Jsrael, bcsonderS in den Lage»
Achab's und der Jezadel, zurückzogen, hier eine so angemessene Zufluchr
fanden. Fern von dem verkehrten Lreiben einer von Gott adgewandten
Politik und durch das Gebirge wie mittels einer Wand gcschieden, aber
nahe genug zur Warnung, selbst zur Hülfe im Falle bessercr Einsicht
und Bekehrung. konnte man wohl für Männer. wie Elias und Elisäus,
keintn besseren Aufenthalt finden. Auf Len Karmel wird namentlich die in
dem 4. Buche der Könige Eap. XI. B. 25. erzählte Begebevheit zwischen
Elias «nd Len Baalspriesteru gesetzt. Hier war es, wo Ekias zum Wolke
sprach: „Wie lange hinket ihr noch auf beiden Seiten? Jst der Herr
Gott, so folget rhm, ist aber Baal Gott, so fvlget ihm!" Hier war es,
wo Feuer vom Himmcl fiel, das Opfer Jehova's verzehrte «nd die
Baalspriester zu Schaude» machte. Auf dem Karmel sah Ler Knabe des
Elias die kleiue Wolke aus dem Meere aufsteigen, die Rettung brachte
über Jsracl; auf dem Karmel kam die Sunamitin zu Elisäus mit der
Bitte, ihr den toeteu Sohn z« erwecken.

Die Schönheit des Karmel war daS Borbild der Kirche «nd z« glei-
cher Zeit auch Las Bilb der seligsten Jungfrau. Läßt eS sich abcr auch
nicht destimmt ecweiscn, daß schon im ersten Jahrhunderte, zu Anfang
der 8ver Jahre, eine der seligsteu Zungfrau Maria geweihte Kirche auf
dem Berge Karmel «ar, so ist eS doch ziemlich gewiß, daß die h. Helena
bei ihrer Anwesenheit im heiligen Londe (326) auch dem Heiligthume
auf jeoem Berge eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Jn den La-
geu bes h. Ludwig aber ««rde dem Karmel «m so wehr Aufmerksamkeit
gewidmet, als er das einzige Heiligthumwar, welches die Abendländer noch
im heiligen Lande desaßeu, «nd der schmale Strich LandeS von St. Jean
d'Acre bis Joppe der vorzuglichste Schauplatz der Lhaten jenes Heilige»
«ar. Das Kloster stand von der Zeit an fast ununterbrvchen in frauzo-
sischem Schutze, ja, es wurde von den Fravzoseu beinahe alS franzvsischcs
Sigenthum detrachtet. — «aum hatten «ir den Berg «on Hepha, oder
Kaifa, auS erstiegeu und die Räume seiner Umgeduug betreteu, al« asch
 
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