o-gleich er !m Verfolge seines WerkeS die allgem-!ve« Sätze der Emleitung
Gchritt vor Schri>t mit den Documenten tn der Hand in schlagendster Weise
erhärtet, werden schon die vorstehend mitgetheilten Aeußcrungen vsllkommen
genügen, um ihn in die Kategorie der „mittelalterlichen Finsterlinge" zu
verweisen. Nicht Wenige werden es demnach jedensallS für überflüsfig erach-
ten, von demienigcn, waS er in dem folgenden Capitel alS seine Anficht
über daS Mittelalter niedergelegt hat, Keoutntß zu nehmen, während auch
wohl auf der anderen Seiie Manche eS ihm nicht verzeihen möge», daß er
die Schattenseiten dieser Glanzperiode diS kirchlichen Lebens und des Feu-
dalismus mit nicht geringcrer RückfichtSlofigkeit aufgedeckt hat, alS er den
Verächtern alles.Kirchlichen zu Theil werden ließ. Da die in Rede stehende
Schiloerung des Mittclalters an den Schluß des vorhergchenden CapitelS
anknüpft, so lassen wir denselben vorerst nsch hier solgen und den Verfaffer
wit snnen etgenen Worten reden. „Jch befand mich" — so heißt ss auf
S. 22S — „eines TageS in Granada und bctrachtete dort dcn Albayci»,
daS KlosteS S anta Jsabel la Real, von Jsabella der Kathslischen zum
Gedächtniffe ihrer Ersberung gegründet; seine edlen Bewohneriunen hatten
es noch inne, alleia fie waren zum Aussterben verurtheilr, tndem die Dicta-
tur Esvartero's ihnen, wie allen anderen Klöstern SpaaienS, die Aufnahme
von Novtzen untersagt hatte. Eine Frau auS dem Volke trat zu mir und
erklärte mir diesen brutalen Gewaltact; danu sprach fie, die Hand nach dem
Kloster ausflreckend und mit cinem jener glühenden Blicke, dte man »iemalS
vergißt, mit dem Ausdrucke einer Römcrin und der Glut einer Spanierin
die zwei Worte: Lumina tiinvia! Sie haite Recht; die Tyrannei hat kaum
etwaS erdacht, waS gewaltthätiger wäre, als so in der Menschenseele die
Selbstverläugnung, die Keuschheit, die Gott-S- und die Nächstenliebe in
höchster Potenz zu ersticken. Die Nachwelt, zur Ehre der Menschheit wollen
wir es glauben, wird dereinst jenes Urtheil bestätigen und mit den beiden
Worten der empörten Spanicrin die Politik uud den Rechtsfinn dieser Ko-
mödianten der Freiheit bezeichuen, die vor ihr endlich ohne Maske er-
scheinen.
„Uebrigens hat auch schon der GotteSsohn das Urtheil über fie gefällt:
„„Wehe Euch, Jhr heuchlerischen Schriftgelehrten und Pharisäer, die Jhr
den Menschen das Himmelreich verschließet; weil Jhr selbst nicht in daS-
selbe eingehen werdet, wollet Jhr auch Anderen den Eintritt in dasselbe
verweyren.""^) A. R.
(Fortsetzung folgt.)
Die Kunstausstellung tvährend der General-
Versammlung der katholifchen Vereine Deutsch-
lands in Aachen.
ES war ein guter Gedanke deS Comite'S, bei Gelegenheit der General-
Bersammlung'der katholischen Vereine DeutschlandS eine AuSstellung von
neueren Kunstwerken aug den Gebieten der Sculptur, der Goldschmiedekunst,
der Weberei und der kirchlichen Nadelmalerei zu veranstalten. ES wurde
dadurch den zahlreich herbeigeströmten Gästen und Einwohnern die Gelegen-
heit geboten, diese erst neuerdingS wieder aufblühenden Kunstzweige in
der reichsten Auswahl kennen zu lernen, wie fie biS jetzt vielleicht noch nie
in gleichem Umfange geboten worden war. Durch Vergleichung mit den
LberauS reichen Schätzen deS aachener Münsters, die größtentheilS auS dem
Mittelalter stsmmen, mußte fich zugleich die Frage ausdrängen, ob unsere
Zeit auch den Sinn )ind die Kcaft in fich hat, Werke zu liefern, die fich
würdig denen deS MünsterS in Aachen anschließen, oder ob die Kunst deS
MittelalterS nur noch ein antiquarischeS Jntecesse bieten kann und fernerhin
bieten wird.
Wir glauben unS nicht zu irren, wenn wir behaupten, dah alle auf-
merksamen Besucher der AuSstellung dte Ueberzeugung gewonnen haben, daß
die Kunst des Mittelaltcrs fich nicht überlebt, daß fie kein »überwundener
Standpunct" ist, sondern daß sie auch heute noch die Kraft hat, schöne und
lebendige Formen zu schaffen, und zwar deßwegen, weil ihr die Grundbe-
dingungen jedeS höheren SchaffenS nicht fehlen: der Ernst und die Be-
geisterung füc den gegebenen Zweck, Da, wo diese Elemente existiren, werden
selbst die gröhten Schwierigkeiten in verhältnißmäßig kurzer Zeit überwunden,
zumal, da die auS dem Mittelalter, der Blüihezeit der kirchlichen Kunst, unS
hinterlassenen Werke überall feste AnhaltSpuncte darbieten, Nur dadurch ist
cs erklärlich, dah viele der auSgestellten Gegenstände darauf Anspruch machen
konnten, wiiklich Aunstwerke zu sein, und nuc wenige offenbac verfehlt zu
nennen waren. *
Wie zu allen Zeiten, bei allen Völkern die Kunst in der Religion wur-
zelt, so fahen wir auch hier, daß die Schweftern vöm armen Kinde Jesu zu
Äachen die ersten und schönsten Arbeiten der Stickkunst geliefert hatten, denen
Lie der Schwestern der Filiale dieseS OrdenS zu Köln fich würdig anschließen.
Gleichzeitig entwickelten sich in mchreren rheinischen Städten Meister-
werkstätten zur Anfertigung kirchlicher Geräthe, so in Aachen die der Herren
BeScko, VasterS, Vilten und Vogeno, in Köln der Herren Hermeling und
Schwann, in Crefeld deS Herrn Dutzenberg, in Kempen deS Herrn Hellner
und mehrere andere.
Bei dem regen Eifer, der fich auf allen Gebieten deS katholisch-kirchlichen
LebenS in'neuerer Zeit kund gegcbcn hat, konnte auch die Bildhauerei nicht
zurückbleiben. Die Herren Goeliing in Aachen und Mengelberg auS Köln
hattcn die AuSstellung mit mehreren ihrer Werke beschickt, während die treff-
^) Vns nvtom vobis, Leribas et kliariesei bvpocrilse, guia ciLuckitis
legvum eoeloruiv avts bomives. Vos evim vov ivtrstis, vev iv-
troeuvtes sivitis ivtrLie.
Math. 0. XXIII. 13.
lichen.Arbeiten von FuchS in Köln an dem Portale der ihrer Vollendung ent-
gegengchenden Volivkirche, eineS der schönsten Denkmale katholischer Opfer-
willigkeit, sich dem Beschauer darboten. Sämmtliche Kunstwerke waren aufcinem
großcn, von der städtischen Behörde bereitwilligst dargebotenen Saale auS-
gestellt, und verdankt man cS der allbekannten, nicht zu ermüdendenThätigkeir
und Einficht deS Herrn vr. Bock, Ehren-StiflSherrn am Münster, daß die
AuSstellung ein in jeder Beziehung befriedigendeS Resultat ergeben hat.
Herr vr. Bock hat auch einen auSsührlichen Katalog der AuSstellung
herauSgegeben, der zufolge unvorhergesehener Hindernisse leider erst nach dem
Schlusse der Ausstellung, die bloß 10 Tage lang gedauerr hat, erscheinen
konnte. Jndem wir die Verehrer mittelalterlicher Kunst auf denselben ver-
weisen, können wir es unS nicht versagen, einzelne der heroorragendsten
Kunstwerke, die in demselben beschrieben sind, näher zu bezeichnen.
Unter Nr. 76 ist eine Monstranz beschrieben, welche von Herrn Hellner
in Kempen, einem der tüchtigsten Meister deS GoldschmiedegewerkeS am Rhein,
gefertigt ist.
Richt mindec würdig war die gothische Monstranz, beschrieben unter 7 o
von demselben Meister, so wie die überaus gelungene Nachbildung deS schönen
KelcheS (Mitte des 14. Jahrhunderts) auS der St. Petrikirche zu Soest,
Nc. 17 deS KatalogS.
Unter Nr. 83 deS KatalogS befindet fich ein gothischer Kelch von Herrn
E. BeScko in Aachen, ein Werk, welches sowohl in oer Technik alg in der
Compofilion auSgezcichnet zu nennen wac; ferner von demselben Meister unter
Nr. 84 ein romanisches Ciborium, ein Meisterwerk in jeder Beziehung; end-
llch von Herrn Vieten eine gothische Monstranz unter Nr. 86, eine der glän-
zendsten Compositionen deS Pros. Schmidt in Wien, tadelloS auSgeführt.
Die große manuelle Ferligkeit in jeglicher Technik, welche die Arbeiten
deS Herrn Vogeno kennzeichnet, war besonderg wahrnehmbar in:
Nr 39: gothischeS Fahnenkreuz,
Nr. 43: comanisches Ciborium,
Nr. 44: romaniscker Kelch, und
Nr. 47: gothische Monstranz.
Lcider waren Gefäße von Herrn Leonh. Schwann aug Köln nicht in
großer Zahl eingelroffen. DaS beste Werk dieseS MeisterS war nach unserer
Meinung ein gothischer Kelch Nr. 28, dessen Vergoldung fich vor allen übri-
gen dec AuSstellung vortheilhaft auSzeichnete.
An dcm BischofSstabe Nr. 92 hat Herr Gabriel Hermeling in Köln be-
wiesen, daß er ein schr tüchtiger Emailleuc ist; seine ömsux trsvslvoiäss wett-
«ifern in der That .mit den mittelalterlichen.
Wir kommen zur Besprechung der Werke der Slickerei, welche die Schwe-
stern der Genossenschaft vom armen Kinde Zesu zu Aachen und Köln der
KunstauSstellung überlassen hatten.
Zuerst erwähnen wir der Aitrs prstioe» (Nr. 93), Eigenthum Seiner
Eminenz deS CardinalS von Geissel, angefertigt von den Schwestern vom
armen Kinde Jesu zu Aachen. Diese Mitca muß alg ein Meisterwerk der
Stickerei deS 19. Jahrhunderts besonderS hervorgehoben werden, so wie auch
Nc. 94 die festtägliche Milra deS Herrn Weihbischofg vr. Baudri.
Daran schließt flch untec Nr. 99 eine Slola, angefertigt von Fräulein
MartenS in Köln, elner der hervorragcndsten Stickerinnen der „heiligen
Stadt". Wie wir vernommen, hat diese Dame dag Technische deg kölner
Damen-VereinS zur Anfertigung der Wandteppiche deS DomeS geleitet. —
Ferner die Stola deS Herrn Bischofg Laurent (Nr. 100).
Der miltlere Theil deS berühmten DombildeS (Nr. 102), in Verbindung
mit den Schutzheiligen der Klosterkirche. war von den Schwestern zu einem
Antependium meistechast und mit unendlicher Geduld gestickt worden. Unge-
achtet dessen entsprach die Wirkung unseren Wünschen nicht. ES möchte über-
haupt eine Frage sein, ob die Nachbildung eineS GsmäldeS, und wohl gar
eineS so vollendeten, jemalS ein ga»z befriedigendeS Resultat liefern wird.
Für jedeS Material und jede Technik bedarf eS einer besonderen, darauf be-
rechneten Zeichnung.
Um so meisterhafter erschienen unS unter Nc. 114 drei gestickte Fi-
guren zu einem Caselkceuz in Form deS V, so wie die Chormäntel unter
Nr. 127 und 129. Wunderbar schön war der Corporalbehälter (burss) unter
Nr. 101, Eigenthum der Schwestern in Aachen; Nr. 97 Röcklein Seiner
Eminenz; Nr. 105, ein reiches in Tambouretstich gestickteS Röcklein, Eigen-
thum deS DomcapitularS Herrn vr. Vill, so wie die Caseln Nr. 107 von
Groß-St.-Marrin und Nc. 118 auS St. AndreaS in Köln.
ES waren auch zwei prachtvolle Traghimmel im romanischen Sthle ein-
gesandt, beide nach Zeichnungen von Withase, welche die Bewunderung aller
Besucher in hohem Grade erregten. Der an die Psarrkirche von St. Martin
in Köln.von Fräulein Merzenich geschenkte möchte lcickt einer der schönsten
sein, die überhaupt existiren.
Die Zahl der auSgestellten Fahnen war sehr beträchtlich, und ragte unter
denselben eine Kreuzfahne mit gestickten Bildwerken (Nr. 136) hervor, ange-
ferligt, von der Genossenschaft vom armen Kinde Jesu in Aachen. Die Herren
Goeiting in Aachen und Mengelbecg in Köln waren nebst Herrn Pohl in
Aachen die würdigen Vcrtreter der Bildnerei.
Zum Schluß müssen wir noch daS Prachtwerk, die Kleinodien deS hei-
ligen römischen ReicheS deutscher Nation, herauSgegeben auf Befehl deS Kai-
scrS von Oesterreich vom CanonicuS Herrn 0. Bcck, hervorheben. Mit einer
staunenSwecthen Technik in der Darstellung der Jnstgnien und KrönungS-
Ocnate veibmdet sich der kunstreiche und stylgerechte Einband, wodurch eS
leicht erklärlich wird, daß dieseS herrliche Werk bei der letzten londoner Welt-
augstellung dcn großen PceiS errungen hat.
Wir schlicßen unsere Bemerkungen mit der Hoffnung, daß die nächste
Versammlung der katholischen Vereine in Franksurt am Main den Verehrern
der Kunst ebenfallS den BeweiS liefern wird, daß christliche Kunst nicht bloß
im Mittelalter, sondern auch in unsecem so vorhecrschcnd industriellen Jahr-
hundert mit Erfolg geübt wird.
Die bisher durch daS Kunsthandwerk errungenen.Erfolge thun schon zur
Genüge dar, daß eg demselben trotz der so gefährlichen Concurrenz der Ma-
schine möglich ist- auf gewissen Gebieten wenigsteng, fich wieder in voller
Seibstständigkeit zu behaupten, daß das wahrhaft Kunstreiche und Tüchtige auf
die Dauer nicht bloß scine Bewunderer, sondern auch seine Abnehmer findet,
wie erheblich auch der PreiSunterschied sein mag. Es gibt doch noch immec
Personen in großer Zahl, welche ducch SchcinluxuS nichl glänzen wcllsn und
Gchritt vor Schri>t mit den Documenten tn der Hand in schlagendster Weise
erhärtet, werden schon die vorstehend mitgetheilten Aeußcrungen vsllkommen
genügen, um ihn in die Kategorie der „mittelalterlichen Finsterlinge" zu
verweisen. Nicht Wenige werden es demnach jedensallS für überflüsfig erach-
ten, von demienigcn, waS er in dem folgenden Capitel alS seine Anficht
über daS Mittelalter niedergelegt hat, Keoutntß zu nehmen, während auch
wohl auf der anderen Seiie Manche eS ihm nicht verzeihen möge», daß er
die Schattenseiten dieser Glanzperiode diS kirchlichen Lebens und des Feu-
dalismus mit nicht geringcrer RückfichtSlofigkeit aufgedeckt hat, alS er den
Verächtern alles.Kirchlichen zu Theil werden ließ. Da die in Rede stehende
Schiloerung des Mittclalters an den Schluß des vorhergchenden CapitelS
anknüpft, so lassen wir denselben vorerst nsch hier solgen und den Verfaffer
wit snnen etgenen Worten reden. „Jch befand mich" — so heißt ss auf
S. 22S — „eines TageS in Granada und bctrachtete dort dcn Albayci»,
daS KlosteS S anta Jsabel la Real, von Jsabella der Kathslischen zum
Gedächtniffe ihrer Ersberung gegründet; seine edlen Bewohneriunen hatten
es noch inne, alleia fie waren zum Aussterben verurtheilr, tndem die Dicta-
tur Esvartero's ihnen, wie allen anderen Klöstern SpaaienS, die Aufnahme
von Novtzen untersagt hatte. Eine Frau auS dem Volke trat zu mir und
erklärte mir diesen brutalen Gewaltact; danu sprach fie, die Hand nach dem
Kloster ausflreckend und mit cinem jener glühenden Blicke, dte man »iemalS
vergißt, mit dem Ausdrucke einer Römcrin und der Glut einer Spanierin
die zwei Worte: Lumina tiinvia! Sie haite Recht; die Tyrannei hat kaum
etwaS erdacht, waS gewaltthätiger wäre, als so in der Menschenseele die
Selbstverläugnung, die Keuschheit, die Gott-S- und die Nächstenliebe in
höchster Potenz zu ersticken. Die Nachwelt, zur Ehre der Menschheit wollen
wir es glauben, wird dereinst jenes Urtheil bestätigen und mit den beiden
Worten der empörten Spanicrin die Politik uud den Rechtsfinn dieser Ko-
mödianten der Freiheit bezeichuen, die vor ihr endlich ohne Maske er-
scheinen.
„Uebrigens hat auch schon der GotteSsohn das Urtheil über fie gefällt:
„„Wehe Euch, Jhr heuchlerischen Schriftgelehrten und Pharisäer, die Jhr
den Menschen das Himmelreich verschließet; weil Jhr selbst nicht in daS-
selbe eingehen werdet, wollet Jhr auch Anderen den Eintritt in dasselbe
verweyren.""^) A. R.
(Fortsetzung folgt.)
Die Kunstausstellung tvährend der General-
Versammlung der katholifchen Vereine Deutsch-
lands in Aachen.
ES war ein guter Gedanke deS Comite'S, bei Gelegenheit der General-
Bersammlung'der katholischen Vereine DeutschlandS eine AuSstellung von
neueren Kunstwerken aug den Gebieten der Sculptur, der Goldschmiedekunst,
der Weberei und der kirchlichen Nadelmalerei zu veranstalten. ES wurde
dadurch den zahlreich herbeigeströmten Gästen und Einwohnern die Gelegen-
heit geboten, diese erst neuerdingS wieder aufblühenden Kunstzweige in
der reichsten Auswahl kennen zu lernen, wie fie biS jetzt vielleicht noch nie
in gleichem Umfange geboten worden war. Durch Vergleichung mit den
LberauS reichen Schätzen deS aachener Münsters, die größtentheilS auS dem
Mittelalter stsmmen, mußte fich zugleich die Frage ausdrängen, ob unsere
Zeit auch den Sinn )ind die Kcaft in fich hat, Werke zu liefern, die fich
würdig denen deS MünsterS in Aachen anschließen, oder ob die Kunst deS
MittelalterS nur noch ein antiquarischeS Jntecesse bieten kann und fernerhin
bieten wird.
Wir glauben unS nicht zu irren, wenn wir behaupten, dah alle auf-
merksamen Besucher der AuSstellung dte Ueberzeugung gewonnen haben, daß
die Kunst des Mittelaltcrs fich nicht überlebt, daß fie kein »überwundener
Standpunct" ist, sondern daß sie auch heute noch die Kraft hat, schöne und
lebendige Formen zu schaffen, und zwar deßwegen, weil ihr die Grundbe-
dingungen jedeS höheren SchaffenS nicht fehlen: der Ernst und die Be-
geisterung füc den gegebenen Zweck, Da, wo diese Elemente existiren, werden
selbst die gröhten Schwierigkeiten in verhältnißmäßig kurzer Zeit überwunden,
zumal, da die auS dem Mittelalter, der Blüihezeit der kirchlichen Kunst, unS
hinterlassenen Werke überall feste AnhaltSpuncte darbieten, Nur dadurch ist
cs erklärlich, dah viele der auSgestellten Gegenstände darauf Anspruch machen
konnten, wiiklich Aunstwerke zu sein, und nuc wenige offenbac verfehlt zu
nennen waren. *
Wie zu allen Zeiten, bei allen Völkern die Kunst in der Religion wur-
zelt, so fahen wir auch hier, daß die Schweftern vöm armen Kinde Jesu zu
Äachen die ersten und schönsten Arbeiten der Stickkunst geliefert hatten, denen
Lie der Schwestern der Filiale dieseS OrdenS zu Köln fich würdig anschließen.
Gleichzeitig entwickelten sich in mchreren rheinischen Städten Meister-
werkstätten zur Anfertigung kirchlicher Geräthe, so in Aachen die der Herren
BeScko, VasterS, Vilten und Vogeno, in Köln der Herren Hermeling und
Schwann, in Crefeld deS Herrn Dutzenberg, in Kempen deS Herrn Hellner
und mehrere andere.
Bei dem regen Eifer, der fich auf allen Gebieten deS katholisch-kirchlichen
LebenS in'neuerer Zeit kund gegcbcn hat, konnte auch die Bildhauerei nicht
zurückbleiben. Die Herren Goeliing in Aachen und Mengelberg auS Köln
hattcn die AuSstellung mit mehreren ihrer Werke beschickt, während die treff-
^) Vns nvtom vobis, Leribas et kliariesei bvpocrilse, guia ciLuckitis
legvum eoeloruiv avts bomives. Vos evim vov ivtrstis, vev iv-
troeuvtes sivitis ivtrLie.
Math. 0. XXIII. 13.
lichen.Arbeiten von FuchS in Köln an dem Portale der ihrer Vollendung ent-
gegengchenden Volivkirche, eineS der schönsten Denkmale katholischer Opfer-
willigkeit, sich dem Beschauer darboten. Sämmtliche Kunstwerke waren aufcinem
großcn, von der städtischen Behörde bereitwilligst dargebotenen Saale auS-
gestellt, und verdankt man cS der allbekannten, nicht zu ermüdendenThätigkeir
und Einficht deS Herrn vr. Bock, Ehren-StiflSherrn am Münster, daß die
AuSstellung ein in jeder Beziehung befriedigendeS Resultat ergeben hat.
Herr vr. Bock hat auch einen auSsührlichen Katalog der AuSstellung
herauSgegeben, der zufolge unvorhergesehener Hindernisse leider erst nach dem
Schlusse der Ausstellung, die bloß 10 Tage lang gedauerr hat, erscheinen
konnte. Jndem wir die Verehrer mittelalterlicher Kunst auf denselben ver-
weisen, können wir es unS nicht versagen, einzelne der heroorragendsten
Kunstwerke, die in demselben beschrieben sind, näher zu bezeichnen.
Unter Nr. 76 ist eine Monstranz beschrieben, welche von Herrn Hellner
in Kempen, einem der tüchtigsten Meister deS GoldschmiedegewerkeS am Rhein,
gefertigt ist.
Richt mindec würdig war die gothische Monstranz, beschrieben unter 7 o
von demselben Meister, so wie die überaus gelungene Nachbildung deS schönen
KelcheS (Mitte des 14. Jahrhunderts) auS der St. Petrikirche zu Soest,
Nc. 17 deS KatalogS.
Unter Nr. 83 deS KatalogS befindet fich ein gothischer Kelch von Herrn
E. BeScko in Aachen, ein Werk, welches sowohl in oer Technik alg in der
Compofilion auSgezcichnet zu nennen wac; ferner von demselben Meister unter
Nr. 84 ein romanisches Ciborium, ein Meisterwerk in jeder Beziehung; end-
llch von Herrn Vieten eine gothische Monstranz unter Nr. 86, eine der glän-
zendsten Compositionen deS Pros. Schmidt in Wien, tadelloS auSgeführt.
Die große manuelle Ferligkeit in jeglicher Technik, welche die Arbeiten
deS Herrn Vogeno kennzeichnet, war besonderg wahrnehmbar in:
Nr 39: gothischeS Fahnenkreuz,
Nr. 43: comanisches Ciborium,
Nr. 44: romaniscker Kelch, und
Nr. 47: gothische Monstranz.
Lcider waren Gefäße von Herrn Leonh. Schwann aug Köln nicht in
großer Zahl eingelroffen. DaS beste Werk dieseS MeisterS war nach unserer
Meinung ein gothischer Kelch Nr. 28, dessen Vergoldung fich vor allen übri-
gen dec AuSstellung vortheilhaft auSzeichnete.
An dcm BischofSstabe Nr. 92 hat Herr Gabriel Hermeling in Köln be-
wiesen, daß er ein schr tüchtiger Emailleuc ist; seine ömsux trsvslvoiäss wett-
«ifern in der That .mit den mittelalterlichen.
Wir kommen zur Besprechung der Werke der Slickerei, welche die Schwe-
stern der Genossenschaft vom armen Kinde Zesu zu Aachen und Köln der
KunstauSstellung überlassen hatten.
Zuerst erwähnen wir der Aitrs prstioe» (Nr. 93), Eigenthum Seiner
Eminenz deS CardinalS von Geissel, angefertigt von den Schwestern vom
armen Kinde Jesu zu Aachen. Diese Mitca muß alg ein Meisterwerk der
Stickerei deS 19. Jahrhunderts besonderS hervorgehoben werden, so wie auch
Nc. 94 die festtägliche Milra deS Herrn Weihbischofg vr. Baudri.
Daran schließt flch untec Nr. 99 eine Slola, angefertigt von Fräulein
MartenS in Köln, elner der hervorragcndsten Stickerinnen der „heiligen
Stadt". Wie wir vernommen, hat diese Dame dag Technische deg kölner
Damen-VereinS zur Anfertigung der Wandteppiche deS DomeS geleitet. —
Ferner die Stola deS Herrn Bischofg Laurent (Nr. 100).
Der miltlere Theil deS berühmten DombildeS (Nr. 102), in Verbindung
mit den Schutzheiligen der Klosterkirche. war von den Schwestern zu einem
Antependium meistechast und mit unendlicher Geduld gestickt worden. Unge-
achtet dessen entsprach die Wirkung unseren Wünschen nicht. ES möchte über-
haupt eine Frage sein, ob die Nachbildung eineS GsmäldeS, und wohl gar
eineS so vollendeten, jemalS ein ga»z befriedigendeS Resultat liefern wird.
Für jedeS Material und jede Technik bedarf eS einer besonderen, darauf be-
rechneten Zeichnung.
Um so meisterhafter erschienen unS unter Nc. 114 drei gestickte Fi-
guren zu einem Caselkceuz in Form deS V, so wie die Chormäntel unter
Nr. 127 und 129. Wunderbar schön war der Corporalbehälter (burss) unter
Nr. 101, Eigenthum der Schwestern in Aachen; Nr. 97 Röcklein Seiner
Eminenz; Nr. 105, ein reiches in Tambouretstich gestickteS Röcklein, Eigen-
thum deS DomcapitularS Herrn vr. Vill, so wie die Caseln Nr. 107 von
Groß-St.-Marrin und Nc. 118 auS St. AndreaS in Köln.
ES waren auch zwei prachtvolle Traghimmel im romanischen Sthle ein-
gesandt, beide nach Zeichnungen von Withase, welche die Bewunderung aller
Besucher in hohem Grade erregten. Der an die Psarrkirche von St. Martin
in Köln.von Fräulein Merzenich geschenkte möchte lcickt einer der schönsten
sein, die überhaupt existiren.
Die Zahl der auSgestellten Fahnen war sehr beträchtlich, und ragte unter
denselben eine Kreuzfahne mit gestickten Bildwerken (Nr. 136) hervor, ange-
ferligt, von der Genossenschaft vom armen Kinde Jesu in Aachen. Die Herren
Goeiting in Aachen und Mengelbecg in Köln waren nebst Herrn Pohl in
Aachen die würdigen Vcrtreter der Bildnerei.
Zum Schluß müssen wir noch daS Prachtwerk, die Kleinodien deS hei-
ligen römischen ReicheS deutscher Nation, herauSgegeben auf Befehl deS Kai-
scrS von Oesterreich vom CanonicuS Herrn 0. Bcck, hervorheben. Mit einer
staunenSwecthen Technik in der Darstellung der Jnstgnien und KrönungS-
Ocnate veibmdet sich der kunstreiche und stylgerechte Einband, wodurch eS
leicht erklärlich wird, daß dieseS herrliche Werk bei der letzten londoner Welt-
augstellung dcn großen PceiS errungen hat.
Wir schlicßen unsere Bemerkungen mit der Hoffnung, daß die nächste
Versammlung der katholischen Vereine in Franksurt am Main den Verehrern
der Kunst ebenfallS den BeweiS liefern wird, daß christliche Kunst nicht bloß
im Mittelalter, sondern auch in unsecem so vorhecrschcnd industriellen Jahr-
hundert mit Erfolg geübt wird.
Die bisher durch daS Kunsthandwerk errungenen.Erfolge thun schon zur
Genüge dar, daß eg demselben trotz der so gefährlichen Concurrenz der Ma-
schine möglich ist- auf gewissen Gebieten wenigsteng, fich wieder in voller
Seibstständigkeit zu behaupten, daß das wahrhaft Kunstreiche und Tüchtige auf
die Dauer nicht bloß scine Bewunderer, sondern auch seine Abnehmer findet,
wie erheblich auch der PreiSunterschied sein mag. Es gibt doch noch immec
Personen in großer Zahl, welche ducch SchcinluxuS nichl glänzen wcllsn und