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DER GRIECHISCHE TEMPEL IN POMPEJI

TAFEL 5

Es ist eine auffällige Thatsache, dass Pompeji, ursprüng-
lich eine oskische Stadt unter hellenistischem Einfluss
und mit den Römern verbündet, dann eine römische
Kolonie, auf dem sog. Forum trianguläre die Ruine eines kleinen
Penpteros enthält, der nach den sehr spärlichen davon noch
vorhandenen Resten in den unmittelbar vor der Blütezeit
üblichen Formen des dorischen Stiles gebaut war. Man muss
daraus entweder folgern, dass sich ehemals auch hier Griechen
angesiedelt hatten wofür es freilich kein anderes monumen-
tales oder litterarisches Zeugnis giebt — oder dass die von
alters her ansässigen Italiker in ihrer Bauweise gänzlich helle-
nisiert worden waren. Wie es sich auch damit verhalten mag,
so wird man es jedenfalls als das wahrscheinlichste, wenn auch
nicht als das allein mögliche betrachten müssen, dass die alt-
griechischen Bauformen auf der Stätte von Pompeji aus der
alten und für die Cultur Italiens so bedeutenden Colonie der
Chalkidier in Kyme, sei es direct oder durch Vermittlung
ihrer Tochterstädte Dikaiarchia, Neapolis und des aller Wahr-
scheinlichkeit nach auch dazu zu rechnenden Herakleion herzu-
leiten seien. Da uns der Hoden dieser Städte keine Bauten
aus der älteren griechischen Zeit bewahrt hat, so ist der
griechische Tempel von Pompeji als ein Beispiel oder doch als
der Abglanz des hei den Chalkidiern, an der äufsersten Peri-
pherie des Griechentums im Westen, üblichen Dorismus und
/war des archaischen Borismus in seiner letzten Phase un-
mittelbar vor der Blütezeit ganz besonders wichtig.

Leider ist der Tempel in traurigstem Zustande auf uns
gekommen. Was man heute an Ort und Stelle sieht, ist im
wesentlichen nur eine etwa im Niveau des Stylobates liegende
und wenigstens seiner ursprünglichen Breite entsprechende
Terrasse, die in moderner Zeit ringsum eingefasst und da, wo
die antiken Tempel- und Treppenstufen nicht mehr erhalten
waren, modern ausgebessert worden ist (vier Stufen unter dem
Stylobat im 0., N. und S.; im W., wo das Terrain ansteigt,
zwei); inmitten überragt die Terrasse um wenige Decimeter ein
cellenartiger, aber, wie einige glauben, spätpompejanischer und nur
mit geringen altgriechischen Resten verbundener Bau, der auch
nur in kümmerlichstem Zustande erhalten und mehr als irgend
etwas anderes in Pompeji zerstört ist, Man hat also an der
Ruine über drei verschiedene Bestandteile, über die ursprüng-
liche, archaische Anlage, über die spätpompejanische Ein-
richtung und über die modernen Flickereien zu urteilen.

Mir das letztere, wie viel des Ursprünglichen beim Aus-
nicken verdeckt worden sei, und über den eigentlichen Zustand.
>n dem die Ruine gefunden wurde, liegen keine genauen und
ausführlichen Berichte aus den Zeiten der ersten Ausgrabung

(17G7 1779, vcrgl. v. Duhn 23, 3) vor. Man ist auf eigenes
Prüfen angewiesen und die sorgfältige Darstellung aller Einzel-
heiten auf dem Plane Taf. 5 wird wenigstens die modernen
das Alte ersetzenden Teile deutlich erkennen lassen.

Unsere Kenntnis der altgriechischen Teile hat neuerdings
infolge der 1889 von F. v. Duhn im Verein mit dem Archi-
tekten L. Jacobi und mit einer Anzahl badischer Gymnasial-
lehrer begonnenen und von A. Sogliano fortgesetzten Aus-
grabungen, die auf die Fundamente abzielten, einen bedeuten-
den Fortschritt gemacht, aber zu einer vollständigen Klarheit
über die Beschaffenheit aller Reste des so wichtigen altgriechi-
schen Baues sind wir dadurch doch noch nicht gelangt. Denn
was frei gegraben worden war, ist alsbald wieder sorgsam zuge-
schüttet und einer unmittelbaren Nachprüfung entzogen worden
und die Publicationen (F. von Duhn und L. Jacobi, Der griech.
Tempel in Pompeji. Heidelberg 1890. A. Sogliano in den
Monumenti anlichi pnbbl. per cum della R. Acc. dei Lincei 1 1889,
189—200, vgl. deren sehr förderliche Besprechung von A. Mau
in den Rom. Mittheil. VI 1891, 258) stellen die Resultate der
Ausgrabungen auch nicht annähernd in einer Weise dar, dass
man sich von den damals aufgedeckten Fundamenten ein zuver-
lässiges Bild machen könnte. Es fehlt ein Quaderplan, der die
wirklich gesehenen Quadern im Grundriss verzeichnete, was für
eine gründliche Untersuchung unentbehrlich ist, und es fehlt
die genaue Beschreibung der zum Zwecke der Untersuchung
gezogenen Gräben.

Man wünscht gerade bei diesem Tempel über alle Einzel-
heiten genau unterrichtet zu sein, weil sein Grundriss, so
wie er jetzt in der ausgedehnten aber kleinlichen mo-
dernen Restauration dasteht, nicht der gewöhnliche eines
griechischen Tempels ist, Er ist auffallend viel kürzer als
irgend einer von allen sonst erhaltenen griechischen Peripteren;
selbst das doch viel jüngere Metroon in Olympia oder das
Asklepieion von Epidauros hat im Stylobat noch ein Verhältnis
von 1 : 2, während sich hier die Breite zur Länge wie 2:3 ver-
halten soll, was sich in ganz bedenklicher Weise dem unmög-
lichen quadratischen nähert. Und in der That die Berichte
über die neueren Ausgrabungen haben uns keine Gewissheit
darüber verschafft, dass diese auffallende Kürze im Stylobat
wirklich ursprünglich und altgriechisch gewesen sei. Dass man
ein Recht hat, daran zu zweifeln, lehrt die Betrachtung der
NW.-Ecke, so weit sie jetzt sichtbar ist. Hier liegt in der
3. Stufe unter dem Stylobat am Ende eine sehr kleine nach W.
zu abgehackte Quader, daran nach S. zu anstofsend nur noch
eine weitere ebenfalls im W. ganz roh abgebrochene Quader
mit kräftiger Anathyrose (auch die letzte Quader der Unter -

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