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DER GRIECHISCHE TEMPEL IN POMPE.II

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uei der Querwand zwischen der Cella und dem Pronaos der
rall. Für die Nordseite gab aber der Rest von der ersten
Quaderschicht der alten Cellawand die Stelle an; hier liegt
m der neugebauten Wand einmal ein greiserer Block, der
jedoch schmäler ist als die alten Quadern.

Ferner ist die Bedeutung der unfuudamentierten Stein-
reihen im einzelnen fast nirgends klar. Da, wo die Ostwand
des Wiederherstellungsbaues sein soll, liegen ein Paar Lava-
steine, anscheinend mit gutem Fugenschluss, aber schmäler als
die unsorgfältige Südmauer; eine Entscheidung, ob diese Steine
von einer Wand oder etwa von einer Sehwelle herrühren, ist
kaum möglich, da sie stark verwittert und aufserdem von Erde
halb verdeckt sind. Die südliche Hälfte der Mittelwand besteht
aus einem Kalkstein und etwas mehr als zwei Lavaquadern,
weiter nördlich aus Bruchsteinen wie die Südwand; die beiden
Vertiefungen wird man kaum zu erklären wagen dürfen — für
Riegellöcher sind sie viel zu grofs und wären sie für Thür-
pfosten bestimmt, so würde die Thür nicht in der Mitte gelegen
haben. Bei Betrachtung der Südseite ist zu berücksichtigen,
dass die Steine, wie man uns mitgeteilt hat, bei der Grabung
entfernt und nachträglich wieder hingelegt worden sind, und
ll('i gieht auch Mau zu, dass die meisten Steine modernen
Ursprungs seien, hingepackt, um die Richtung der antiken nur
noch an der SW.-Ecke kenntlichen Wand zu bezeichnen. Die
Westwand (Mithält in ihrem südlichen Teil drei wenn auch
stark verwitterte, so doch in ihren Fugen sehr gut zusammen-
schliefsende Blöcke, deren nördlicher einen Rücksprung an der
Westseite bildet; nördlich davon Hegen aufserhalb der Mauer-
flucht in, Westen etwas tiefer zwei Quadern, so dass man.
wenn die Xordhälfte in der Gestalt der südlichen Quadern er-
gänzt wird, vollkommen den Eindruck einer niedrig gelegenen
Schwelle vor einer Thür erhält, deren Antepagmentvertiefung
an der südlichen Quader eingearbeitet wäre. Darnach würde
also die Cella in ihrer jüngsten Form den Eingang im Westen
gehabt haben; v. Duhn denkt aber an eine Nische für das
Cultbild. Der gute alte Stuck, der in der SW.-Ecke an der
Mauer sitzt und unter den Estrich reicht, rührt von der
früheren Verwendung der Steine her und hat sonst mit dem
vermeintlichen Wiederherstellungsbau nichts zu thun (Mau
'263 und 265).

So bleibt in der That fast alles zweifelhaft, nirgends ist
die Klarheit einer antiken Anlage und man weifs nicht, ob die
Mauerzüge von einem bedecktem Räume (dazu winde ihre
Dicke wohl genügen) oder von einer offenen Einfriedigung
stammen könnten. Und schliefslich ist auch über die runde,
formlose, seitlich von der Längsaxe stehende „Basis" keine
Klarheit zu gewinnen. Sie ist allem Anschein nach aus einer
alten Süulentronimcl zurecht gehauen und der Estrich reicht an
sie hinan. Die Ausgrabung hat gelehrt, dass sie eine solide,
'lein alten Tempel zugeschriebene Unterlagsplatte hat (aus

Lava nach v. Duhn, aus Tuff nach Sogliano, h. 0.47, br. 1.35 :1.45);
Sogliano will dazu eine zweite Platte für eine symmetrisch
links von der Längsaxe stehende Basis, Mau drei andere er-
gänzen, die ehemals als Fundament eines grofsen Cultbildes
gedient hätten.

Um eine weiten1 Handhabe für das Urteil zu gewinnen,
vergegenwärtige man sich den ja erst nach v. Duhns Ausgrabung
ungefähr zu übersehenden Zustand, in dem der griechische
Bau bei der angeblichen Wiederherstellung dc^ Heiligtums ge-
wesen ist. Es war nicht etwa nur der Oberbau eingestürzt
und abgeräumt, sondern der gröfste Teil der Stufen, ebenso
der gröfste Teil der Fundamente für die Peristase vollständig
verschwunden, auch die Cellafundamente angegriffen und ihre
Lage unkenntlich geworden. Bei- Tempel nmss also einmal
bis in die Fundamente hinein abgetragen worden sein; wenn
das planmäfsig geschehen wäre, müsste die Arbeit, wie beson-
ders der Stylobatrest im N. zeigt, eine Unterbrechung erfahren
haben, und das könnte zu Dissens Annahme, der Tempel sei
durch das Erdbeben von 03 n. Chr. umgeworfen und bis 71)
nicht wieder in Ordnung gebracht, vortrefflich stimmen. Dass
es aber schon früher ein Steinbruch und Schuttplatz gewesen
sei. ist ganz unglaublich. Denn man würde weder die Schola
noch die Umfriedigung vor der Ostfront noch die Altäre und
gar das Brunnenhaus in die Nähe eines Steinplatzes und
Kehrichthaufens gesetzt haben, geschweige denn, dass man eine
solche Stätte mit Hallen und Propyläen versehen hätte.

Für die Wiederherstellung des Heiligtums nmss man wegen
der Estrichfetzen annehmen, dass aufser der Cella auch die
ganze Area des alten Tempels in der Gröfse des Stylobats
repariert worden sei (vgl. v. Huhn 19). Aber man scheint, sich
nicht klar gemacht zu haben, dass dazu eine Aufschüttung und
Planierung des durchwühlten Bauplatzes und ferner eine Ein-
fassung der Terrasse nötig gewesen wäre und dass man. wenn
nicht die jetzige Einfassung für antik gelten soll, wieder eine
Erklärung für das vollständige Verschwinden dieser Einfassung
des Neubaues suchen müsste. Fs ist daher nach allem doch
wohl Nissens und Soglianos Ansicht am plausibelsten, dass an
der Ruine mir das antik ist, was dem altgriechischen Tempel
zugewiesen werden kann. Eine neue Untersuchung wird sich
dann auf die im Verlaufe unserer Erörterungen zur Sprache
gekommenen wichtigen und interessanten Probleme des alten
Baues beschränken dürfen.

Ueber die in dem griechischen Tempel auch von den
Oskern und Römern verehrte Gottheit haben die Gelehrten
viel verhandelt (s. Mau 263); neuerdings ist er auf Grund einer
oskischen Strafsen in schritt der Minerva zugeschrieben worden
(von H. Degering in den Rom. Mittheil. XITT 1898, 140 f., vergl.
Mau. Führer durch Pompeji'' 36). Vielleicht ist bei diesen Er-
wägungen doch zu berücksichtigen, dass sich der Tempel und
das dabei gelegene Theater kaum von einander trennen lassen.

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