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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0049
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denselben sothanen Handwerck mit beyzuwohnen erbetten.193 Über jede Einberufung von
Handwerksversammlungen mußte zuvor ein Zweier informiert werden, und bei den Zusam-
menkünften und bei Wahlen hatte einer der Zweier anwesend zu sein.
Nach 1552 hatten die Handwerke weitgehend ihre Autonomie eingebüßt; zudem war der
Obrigkeit daran gelegen, die Strukturen der Handwerksverbände von oben bis zum einzel-
nen Meister durchzuorganisieren, beziehungsweise die Strukturen für die Obrigkeit einsich-
tig4 - einsichtnehmend - zu gestalten. Die einstigen politischen und gesellschaftlichen Funk-
tionen und Rollen, aus denen heraus die Zünfte sich unter anderem ursprünglich definiert
hatten, verloren ihre Gültigkeit. Das Handwerk und sein Mittel übten lediglich noch interne
Funktionen innerhalb ihrer Berufsgruppe aus: organisatorische Funktionen, zum Beispiel die
Ausbildung und die Zulassung zur Meisterschaft betreffend, Verwaltung der Finanzen,
Überwachung der Ordnungen.
Im Gegensatz zum Mittelalter, als die Zünfte und die Handwerke ihre Ordnungen selbst er-
ließen, über ihre Einhaltung wachten und über Verstöße richteten und sie straften, also legis-
lative, exekutive und judikative Gewalt innehatten, verblieb den Zünften und speziell den
Mitteln nur noch ein Rest der beiden letztgenannten. Die Handwerksordnungen wurden
zwar nach 1552 vom Mittel zusammen mit der Meisterschaft ausgearbeitet, aber sie mußten
das Regelwerk vom Rat absegnen lassen, und es kam häufig vor, daß die Vorstellungen von
Rat und Handwerk auseinanderklafften und der Rat Veränderungen vornahm (vgl. Kapitel
B.2.1.3. Goldschmiedeordnungen und B.2.1.7. Das „Mittel44 und das „Schauamt“ als Kon-
trollorgane?).
Was dem Handwerk blieb, waren die geselligen und religiösen Funktionen: gemeinsame Es-
sen und Trinkgelage, Stiftungen von Seelenmessen für die verstorbenen Mitglieder,194 Ver-
ehrung eines Schutzpatrons und Unterhaltung seines Altars in der Kirche. Mittelpunkt der
Zusammenkünfte der einzelnen Handwerke innerhalb einer heterogenen Zunft war das
Zunfthaus. Es war der Ort, an dem alle berufsinternen Handlungen, wie zum Beispiel Ein-
schreiben der neuen Lehrjungen, Ledigsprechung am Ende der Ausbildung, Prüfung des
Meisterstücks und Aufnahme eines neuen Meisters, stattfanden und an dem die Zunftlade
aufbewahrt wurde.
Das Zunfthaus der Schmiede (Abb. 7) in Gmünd fand erstmals 1436 Erwähnung.195 Um
1468 ließ die Schmiedezunft einen Neubau gegenüber dem Wirtshaus „Walfisch“ in der
Klinkhartsgasse (heute „Freudental“) errichten. 1745 wurde das Gebäude umgebaut196, und
aus dieser Zeit stammte auch das Gemälde über dem Eingangsportal, auf dem der doppel-
köpfige Reichsadler zu sehen war, umgeben von den Emblemen der zwölf Berufe, die in der
Schmiedezunft im 18. Jahrhundert zusammengefaßt waren: Gold- und Silberschmiede, Uhr-
macher, Büchsenmacher, Zinngießer, Schwertfeger, Maurer, Nagel-, Huf-, Kupfer-, Beil-
schmied, Schlosser und Flaschner 197. Während der napoleonischen Kriege wurde 1800 im

194 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 17. Oktober 1776, Punkt 1. Punkt wurde erneuert in der Goldschmiede-
ordnung vom 27. Februar 1798, Punkt 4.
195 Albert DEIBELE: Inschriften an Gmünder Häusern - Das alte Zunfthaus der Goldschmiede (Freudental 12).
In: Gmünder Heimatblätter 1955, S. 11 bis 13. Deibele bezeichnet des Zunfthaus der Schmiede ganz selbst-
verständlich als Goldschmiedezunfthaus, obwohl in dem Haus auch die anderen Mitglieder der Schmiedezunft
untergebracht waren.
196 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 5/1, S. 319 bis 320.
197 Auflistung stimmt mit den Nennungen von Eustachius Jeger 1707 überein, mit Ausnahme der Segessen-
schmiede, Steinhauer und Steinmetze, die 1745 fehlen. Abweichende Bezeichnung für dieselben Berufe: 1707
Messerschmied - 1745 Beilschmied, Waffenschmied - Schwertfeger, Kantengießer - Zinngießer, Spengler -
Flaschner.

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