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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0264
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Nach Erledigung der Formalitäten begab sich nun der reisende Goldschmied oder Handels-
mann auf die Reise; waren die Betreffenden dem Wanderhandel zuzurechnen, so geschah
dies zu Fuß (Abb. I),1416 1417 wie der 1807 verstorbene Goldschmied Simon Geiger, von dem der
Chronist Dominikus Debler berichtete, er fing eine kleine Handlung in der Schweiz an, ging
zu Fuß, tragte seine Waren auf dem Buckel.1411 Zumeist stellte der Wanderhandel den An-
fang einer weiterreichenden Karriere dar, und viele ambulante Händler vergrößerten ihr Un-
ternehmen mit der Zeit, so daß irgendwann Pferdefuhrwerke den Transport übernahmen,
wie zum Beispiel der immer wieder in Skandale verwickelte und mit Textilien und Silber-
waren handelnde Handelsmann Johann Michael Spriegel, von dem gesagt wurde, daß in sei-
nen jüngeren Jahren von denen Franckfurther Meessen Er und sein Weib mit schwehren
packen sich beladen, und zu fus die Reise mit viler Verwunderung gemacht, und beschlep-
pet hatten.1418
Eine andere Form des „Transportes zu Fuß“ war der durch Boten, von dem immer dann Ge-
brauch gemacht wurde, wenn ein Goldschmied bestellte Waren verschickte und der Zielort
nicht allzuweit von Schwäbisch Gmünd entfernt lag. So forderte der El Iwanger Spitalver-
walter Johann Sebastian Baumann 1768 bei einem nicht namentlich genannten Gmünder
Goldschmied ein Viertel Pfund Ablaßpfennige aus Messing an, das waren 30 Stück, die
durch die Ellwanger Botin - eine Gmünderin, die regelmäßig Botengänge nach Ellwangen
machte und dafür entlohnt wurde - von Gmünd nach Ellwangen zu Fuß gebracht wurden.1419 1420
Überhaupt schien der Versand von Waren nicht unüblich gewesen zu sein, wie der anonym
bleibende Autor von 1803 in seinen „Bemerkungen über die Industrie und dem Nahrungszu-
stand der hiesigen Stadt“ Schwäbisch Gmünd meinte, daß - neben dem Vertrieb über Mes-
sen und Märkte - der mehrste Verschleiß derselben (der Waren) (. . .) von ihnen - seit Mitte
des 18. Jahrhunderts vor allem Handels- und Kaufleute, zuvor meist Goldschmiede - auf er-
haltende außwärtige Bestellungen durch Versendung (geschiehet').142Q Handelte es sich da-
bei um größere Mengen, die für weiter entfernte Regionen bestimmt waren und die ein Bote
zu Fuß sowohl mengenmäßig als auch entfernungsmäßig nicht bewältigen konnte, so trat an
dessen Stelle der angemietete Fuhrmann, wobei die Fuhrleute, ähnlich wie die Boten, be-
stimmte Routen versorgten und Waren mehrerer Auftraggeber mit sich führten. So übergab
1708 der Gmünder Goldschmied Jakob Melber dem Ulmer ordinari Fuehrmann, genannt
„Peterle“, ungefähr 46 Lot Silberwaren zur Beförderung,1421 oder 1745 verklagte der Fuhr-
mann „Jerg“ den Handelsmann Johann Benedikt Schlecht, daß dieser ihm die aus Fuhren
nach Augsburg angefallenen Frachtkosten von 15 fl 40 x nicht bezahlt habe1422. Kam es un-
terwegs zu Verlusten oder Beschädigungen der Ware, so trug der Fuhrmann die Verantwor-
tung dafür.1423 Außerdem war es üblich, daß Handelsleute oder Goldschmiede, die Messen
besuchen wollten und kein eigenes Fuhrwerk besaßen, ihre Waren einem Lohnfuhrmann
überließen und selbst mit der Postkutsche reisten, wie die beiden Handelsleute Ignaz Mayer

1416 (Sta Gd) RP 1745 bis 47, 3. Juni 1745, S. 20 bis 21. Der reisende Goldschmied Jakob Kölle zieht mit seinen
Erzeugnissen zu Fuß über Land.
1417 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica Bd. 6/2, S. 507. Eintrag vom 6. August 1807.
1418 (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre. Attestat des Rates von Marbach am Neckar vom 9. Dezember 1749.
1419 (Sta Gd) Kopie eines Briefes unbekannter Provenienz vom 22. Mai 1768.
1420 (Sta LB) D 24 Bü 2 (= D 23 Bü 93). „Bemerkungen über die Industrie und den Nahrungszustand der hiesigen
Stadt . . .“ von 1803.
1421 (Sta Gd) RP 1707 bis 11, 31. Mai 1708, S. 63. 46 Lot entspricht einem Gewicht von ca. 717 Gramm
1422 (Sta Gd) RP 1745 bis 47, 23. Dezember 1745, S. 36 bis 37.
1423 (Sta Gd) RP 1766 bis 68, 18. September 1766, S. 117. Der „Silbergräzhändler“ Franz Grienenwald verklagt
den Fuhrmann für den Verlust von einem „Silbergräz-Säcklein“.

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