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Auftraggeber für Bücher. Deswegen waren Kleri-
ker und Mönchen nicht nur durch die monastische
Bildungstradition auch im Hochmittelalter besser
als andere in der Lage, Bücher zu kopieren. Sie ver-
standen ohnehin mehr von der Sache und hatten
leichteren Zugang zu den abzuschreibenden Tex-
ten, die sich im Regelfall in den Bibliotheken geist-
licher Institutionen befanden. Obendrein traten
nun die verschiedenen städtischen Orden wie die
Franziskaner und Dominikaner auf, die, trotz gele-
gentlicher Verbote, die alte Kopistentätigkeit als
Einnahmequelle entdeckten. Allerdings muss man
hier unterscheiden: Manche Buchmaler und Kopis-
ten, wie der in Köln wirkende Minorit Johannes
von Valkenburg, der 1299 durch die Abschrift und
Illumination zweier voluminöser Gradualien eine
wahrhaft herkulische Arbeit vollbrachte, arbeiteten
überwiegend für den eigenen Orden und damit
ohne Bezahlung.
Von einem Buchmarkt mit festen Händlern und
damit auch kommerzieller Buchherstellung erfah-
ren wir erst wieder ab dem 12.Jahrhundert etwas,
als die Städte und die Bevölkerung insgesamt an-
wuchsen und sich in Paris und Bologna die Vor-
stufen der Universität bildeten. Auf die radikalste
Konsequenz des neuen Büchermarktes, das System
der Pecien, mit dem juristische Schriften in großen
Mengen vervielfältigt wurden, soll weiter unten
eingegangen werden: Für die Buchmalerei spielt es
kaum eine direkte Rolle. Erkennbar arbeiten in den
städtischen Milieus nun viele handwerkliche Buch-
maler und Buchmalerinnen, die sich für größere
Aufträge unter einem „Generalauftragnehmer" oder
in Zweckgemeinschaften zusammentaten.
Um 1300 kommt es zu einer (Wieder-)Entde-
ckung der Künstlerpersönlichkeit. Der Maler Jean
Pucelle fertigte gegen 1325-1328 in Paris ein win-
ziges Stundenbuch für Jeanne d'Evreux, die dritte
Frau König Philipps des Schönen (New York, The
Metropolitan Museum of Art, The Cloisters, Inv.-
Nr. 54.1.2). Noch über 70 Jahre später ist Pucelle in
Hofkreisen als der Künstler dieser unsignierten
Handschrift bekannt. Für seinen Ruhm zu Leb-
zeiten spricht, dass er zwischen 1319 und 1324 von
der angesehenen Pariser Jakobsbruderschaft um
den Entwurf für ihr Siegel gebeten wurde. Es wäre
eine romantische Vorstellung anzunehmen, solcher
Kult um einen Künstler habe nichts mit merkanti-
len Strukturen zu tun. Hier geht es um die Etablie-
rung einer Marke, die tatsächlich von Pucelles
Nachfolgern bis zur Jahrhundertmitte so perfekt
fortgesetzt worden ist, dass die moderne Forschung

viele Werke Pucelle zugeschrieben hat, die nach sei-
nem lange Zeit unbekannten Todesjahr 1334 ent-
standen.
Weiterhin sind aber die Namen der meisten
Buchmaler von der Nachwelt nicht weitergetragen
worden. Bei manchen religiösen Gruppierungen
wie der Windesheimer Kongregration und den Brü-
dern vom gemeinen Leben war das ein bewusster
Akt der Demut, doch die meisten Maler und Male-
rinnen galten viel zu sehr als Handwerker, als dass
man sich um ihren Nachruhm gekümmert hätte.
Das gilt zum Teil selbst noch in der Renaissance, in
der zwar Kaiser Maximilian sein Gebetbuch von
Größen wie Albrecht Dürer illustrieren lässt, die
meisten Künstler, die die Initialen in den gedruck-
ten Büchern anfertigten, für uns aber anonym blei-
ben.
Buchmalerei war eine teure Kunst. Sie war es
schon deswegen, weil der, der Buchmalereien an-
schaffen wollte, erst einmal den teuren, aus Tier-
häuten gefertigten und mit der Hand beschriebenen
Codex bezahlen musste. Selbstverständlicli gab es
aucla Institutionen, die diese Bücher ohnehin an-
schafften und sie sogar selbst herstellten; nament-
lich waren dies vom frühen bis ins hohe Mittelalter
Klöster und teilweise auch Stifte. Für sie bestand
zwar die preisgünstige Möglichkeit, dass ein mehr
oder weniger begabter Mitbruder einen entstehen-
den Codex mit Zeichnungen in einer oder verschie-
denen Tinten versah, doch ist aucli von den Zeitge-
nossen darin keine Kunst gesehen worden. Bei dem
schon erwähnten Schema mit Tierkreiszeichen (vgl.
Abb. 7) wurden noch die Umrisslinien mit einfa-
chen Farben ausgefüllt, was schon ein bisschen mehr
Aufwand bedeutet. Aber sowie man richtige Deck-
farbenbilder haben wollte, benötigte man jemanden
mit Sachverstand und es entstanden spürbare Kos-
ten durcli die hohen Preise für Materialien wie La-
pislazuli und Gold.
Die Frage der Kosten sollte davor abschrecken,
Buchmalerei in liturgischen oder theologischen Bü-
chern als eine den frommen Mönchen selbstver-
ständliche Kunstausübung zu sehen, die keiner
besonderen Initiative und keiner Finanzierung be-
durfte. Rührige Äbte oder erst recht Stifter stecken
hinter den meisten für Institutionen geschaffenen
Buchmalereien. Dabei ist aber die Gruppe von Auf-
traggebern für Buchmalerei nicht automatisch auf
die höchsten geistlichen Ämter wie Bischöfe und
Äbte beschränkt. Entscheidend war vielmehr das
Familienvermögen, das man für solche Bestellun-
gen einsetzen konnte. Sehr ausführlich wird uns der

1Buch und

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• Bild im
Mittelalter
 
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