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Welt gelangte, ist im 10Jahrhundert schon im isla-
mischen Spanien belegt und verbreitete sich von hier
aus ab dem 12Jahrhundert zunächst über Italien ins
gesamte Abendland. Ende des 13.Jahrhunderts ist in
Italien eine erste Papiermühle bekannt, und ab
1389/90 betrieb Ulrich Stromeir in Nürnberg die
erste deutsche Papiermühle. Während Pflanzenfa-
sern mit einer zugefügten Hadernmasse Hauptbe-
standteil der ersten chinesischen Papiere waren, ver-
wendete man im Abendland leinene Lumpen als
Rohstoff für die Papierherstellung. Die Herkunft
und Datierung einzelner Papiere ist oftmals anhand
der zuerst in Italien eingeführten Wasserzeichen
möglich. Diese sind üblicherweise als Qualitätssiegel
einer Papiermühle geschaffen worden, indem auf das
Sieb, in das die Papiermasse geschöpft wurde, ein aus
Draht gebogenes Motiv gelegt wurde, das einen Ab-
druck hinterlassen hat: verbreitet sind etwa Lilien
und andere Blumen, Waagen, Ochsenkopf, Wappen
und Anlter. Allerdings wurden Papiere international
gehandelt, sodass die Lokalisierung eines Papiers nur
bedingt auf den Herstellungsort der Handschrift
verweist. Papier war im Vergleich zu Pergament
schneller herzustellen und wesentlich kostengünsti-
ger. Jedoch wurde gerade für Prachthandschriften
oft noch Pergament bevorzugt. In manchen Werk-
stätten wurden sogar Pergament- mit Papierbögen
kombiniert, wie beispielsweise in der Darmstädter
Handschrift 133, einer um 1470 entstandenen Chro-
nique de Pise en Italie, bei der für die äußeren Blätter
einer Lage Pergament, für die inneren hingegen Pa-
pier genommen wurde (vgl. Abb.86, 87).
Bis eine Handschrift gebunden werden konnte,
waren zahlreiche Arbeitsschritte notwendig. Zu-
nächst einmal wurde der Beschreibstoff auf das ge-
wünschte Format gebracht und anschließend in
verschiedenen Lagen eingerichtet. Die verfügbaren
Formate ergeben sich durch das Teilungsschema
der rechteckig zugeschnittenen und gefalteten Per-
gamentbögen. Ein Doppelblatt aus einem einmal
gefalteten Pergamentbogen, man spricht in diesem
Zusammenhang von Falzen, ergibt das Folioformat,
das im Signaturensystem mancher Bibliotheken mit
der Abkürzung 2° vermerkt wird. Der zweimal ge-
falzte Bogen ergibt das Format Quart 4°, dreimal
gefalzt Oktav 8°. Je nachdem, wie viele Doppel-
blätter für eine Lage ineinandergeschoben werden,
bezeichnet man diese als Unio (I für ein Doppel-
blatt) und weiter als Binio (II), Ternio (III), Qua-
ternio (IV), Quinio oder Quinternio (V) usw.
Es mag verwundern, dass Handschriftenfor-
scher zum Teil viel Zeit darauf verwenden, die La-

genordnung einer Handschrift zu ermitteln, denn
nicht selten ist der Lagenverbund nach der Bindung
nur noch sehr schwer zu erkennen. Führt man sich
jedoch vor Augen, dass sich oftmals nur damit die
ursprüngliche Zusammensetzung einer Handschrift
und unter Umständen sogar Blattverluste rekons-
truieren lassen, wird der Nutzen solcher Unter-
suchungen deutlich. Auch stellt sich manchmal die
Frage, ob Seiten mit Buchschmuck unabhängig
vom Text hergestellt wurden. In Kloster Corvey
etwa wurden in ottonischer Zeit die Zierseiten mit
den Initialen oft auf Einzelblätter gemalt und dann
den regelmäßigen Lagen mit den vier Evangelien
vorgebunden. Außerdem konnten die Bücher in
Bögen oder ganzen Lagen an verschiedene Illumina-
toren ausgeteilt werden; das kam nicht selten in Pa-
riser Werkstätten des 13. und 14.Jahrhundert vor.
Hilfreich bei der Einschätzung des ursprüngli-
chen Zustands einer Handschrift können eventuell
auch erhaltene Kustoden in Form von Zahlen oder
Buchstaben sein, die meistens am unteren Rand des
letzten Lagenblattes die Lagennummer angeben
und beim Binden dazu dienten, die Lagen in die
richtige Reihenfolge zu bringen. Als weitere Mög-
lichkeit, die korrekte Abfolge der Lagen zu sichern,
setzte man Reklamanten ein und vermerkte statt
einer Zahl das erste Wort der nachfolgenden Lage.
Die Nummerierungen, die bei mittelalterlichen Bü-
chern auf der oberen äußeren Ecke der Vordersei-
ten stehen, sind gewöhnlich Blattzählungen, die
erst nach dem Binden der Bücher, meist sogar Jahr-
hunderte später eingetragen wurden und nach dem
lateinischen „folium" (Blatt) als Foliierung bezeich-
net werden. Möchte man festhalten, an welcher
Stelle einer Handschrift sich etwa ein bestimmter
Text oder eine Miniatur befindet, nennt man das
Folio und den Hinweis auf die Vorder- oder Rück-
seite (r für recto oder v für verso). Wegen der umge-
kehrten Schreibrichtung werden bei hebräischen
Handschriften nicht nur die Blätter von der ande-
ren Seite des Buches aus gezählt, sondern sind hier
auch verso und recto vertauscht (vgl. Abb. 6). Gele-
gentlich kann man in Handschriften Fehler bei der
Foliierung entdecken, die auf Verluste oder auf Ver-
änderungen beim Umbinden eines Buches hinwei-
sen können.
Schon alleine, weil sich Pergament durch raum-
klimatische Schwankungen verändert, es schrumpft
etwa bei Hitze oder wellt sich bei Feuchtigkeit, war
schon im Mittelalter eine sorgsame Aufbewahrung
notwendig. Dazu wurde der Buchblock am besten
zwischen zwei stabile Deckel gebunden. In der Re-

nAus Skrip-

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• torium und
Werkstatt
 
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