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len, dass ein Maler nur dem optischen Eindruck folgt;
Ekkehart IV. von Sankt Gallen hat sogar behauptet,
Hadwig von Schwaben habe ihr Gesicht immer ver-
zogen, als der von ihrem Bräutigam aus Byzanz ent-
sandte Maler sie gemalt habe, weswegen der byzan-
tinische Prinz dann, wie von ihr gewünscht, von der
Hochzeit Abstand genommen habe. Manche Bilder
von Zeitgenossen wirken zudem alles andere als ide-
alisiert oder schematisiert, so etwa das eines fast
hässlichen Priesters, vielleicht dasjenige des in der
Handschrift genannten Gundold, in einem Kölner
Evangeliar in Stuttgart (Württembergische LB, Bibl.
Qu.2a-b). Aber für den Herrscher gilt zunächst
einmal die Regel, dass tradierte Gesichtstypen und
eine ideale Physiognomie sein Wesen besser aus-
drückten als ein bloßes Abbild des Geschauten. Kein
Maler dürfte um 980 besser in der Lage gewesen
sein, einen Herrscher idealer als der Meister des Re-
gistrum Gregorii darzustellen, und gleichzeitig
strahlt der Kaiser in seiner Miniatur eine Lebendig-
keit aus, die zunächst alle Gedanken an ein bloß
„geistiges" Porträt verfehlt erscheinen lassen.
Es ist Konsens, dass der Registrum-Meister zu
solchen Leistungen fähig war, weil er wie kein an-
derer frühmittelalterlicher Maler die Ideale der
klassischen antiken Malerei verinnerlicht hatte.
Doch paradoxerweise war er dabei ein durch und
durch mittelalterlicher Maler, der weniger als man-
cher andere auf antike Motive oder Bildgesetze
achtete. So besitzen seine Figuren keineswegs einen
Platz in einem sinnlich erfassbaren Raum. Ganz im
Gegenteil: Der Thron des Kaisers schwebt vor den
Säulen des Baldachins (unter dem alles gedacht
werden muss) und vor dem Thron schweben der
Schemel und der Kaiser selbst. Viele karolingische
und ottonische Miniaturen kennen die analytische
Zerlegung der Bildelemente, die dann in Schichten
aufeinandergelegt werden (vgl. Abb.3); aber der
Registrum-Meister geht mit unerreichter Klarheit
und rationaler Schärfe an diese Anordnung heran.
Auch die Figuren sind nicht aus einem antiken Bild
genommen oder der Natur nachgeformt, sie sind
entweder überlang, wobei sie dennoch kugelige
Bäuche besitzen, oder aber überbreit und mächtig.
Allerdings gelingt es dem Registrum-Meister, eine
Art fiktive Welt zu schaffen, in der diese Proportio-
nen völlig natürlich erscheinen. Schon die Ruhe der
sanften Bewegungen fasziniert. Dabei wirken die
Figuren extrem leicht - entgegen der Schwerkraft
zieht es sie geradezu nach oben; erst in den späteren
Werken des Meisters erhalten sie eine gewisse
Schwere, aber auch ein kräftigeres Volumen. Diese

Leichtigkeit wird auch durch die hellen Farben und
die sanfte Farbbehandlung ermöglicht, die Abstu-
fungen kennt, aber keine grellen Auflichter, und
Schattenlinien, aber keine harten Binnenkonturen.
Egbert hat den Registrum-Meister zudem in
ein Evangeliar, das als die prachtvollste Handschrift
der Epoche gelten kann (Paris, BnF, lat. 8851), Bil-
der der ottonischen Dynastie malen lassen. Hier
sind es allerdings fingierte Goldmünzen mit den
Köpfen Ottos I., Ottos II. und - höchstwahrschein-
lich - König Heinrichs I., die die Seite mit dem Be-
ginn des Matthäusevangeliums begleiten. Dieses
Evangeliar hat vermutlich später in Echternach ge-
legen, wurde dort jedenfalls im zweiten Viertel des
11.Jahrhunderts zum Vorbild prachtvoller Hand-
schriften. Ein anderes Evangeliar könnte, wie die
überzeugendste stilkundliche Reihenfolge der
Buchmalereien ergibt, schon kurz vor oder sogar
nach Egberts Tod entstanden sein (Manchester,
John Rylands University Library, Ms. lat. 98). In
ihm sind vier Kopf-„Porträts" enthalten, die sämt-
lich den Namen Otto tragen und als Kaiser, nicht
nur als Könige bezeichnet werden. Die verbreitete
Annahme, diese Handschrift könne erst nach der
996 erfolgten Kaiserkrönung Ottos III. entstanden
sein (oder vor dem Tod Ottos II.), setzt zu Unrecht
voraus, dass hier auch der lebende Herrscher dar-
gestellt wurde und nicht nur eines oder mehrerer
verstorbener Herrscher gedacht wurde.
Kunst aus vielen Orten
Wie schon die Aufträge Erzbischof Egberts vermu-
ten lassen, nahm das Skriptorium der Reichenau
einen besonderen Platz unter den ottonischen Stät-
ten der Buchmalerei ein. Unter Otto III. (983-1002)
und anfangs auch unter Heinrich II. (1002 -1024)
erfüllte die Reichenau in gewisser Weise die Rolle
einer Hofschule, da sie die prachtvollsten Hand-
schriften für den Herrscher und die von ihm be-
günstigten Kirchen herstellte. Die frühottonischen
Werke der Reichenauer Buchmalerei, bis etwa 990,
sind aber wie es scheint alle noch nicht für den
Herrscher bestimmt gewesen. Stattdessen treffen
wir hier Bischöfe, Äbte und sogar rangniedrigere
Kleriker als Besteller an. Wir haben in Kapitel I
schon gesehen, dass Gero sein Evangelistar (Darm-
stadt, ULB, Hs 1948) bereits vor seinem Aufstieg
zum Erzbischof von Köln 969 dem dortigen Dom
geschenkt hat (vgl. Abb.3). Es ist bemerkenswert,
wie gezielt Gero seine Schenkung geplant hat. Auch
wenn es in Köln selbst vor Erzbischof Everger
(985-999) noch keine Buchmalereiwerkstatt gege-

69 2. Ottonische Buchkunst —
Prachthandschriften
für Herrscher und
Kirchen
 
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