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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Gmelin, L.: Peruanische Altertümer, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0295

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Peruanische Altertümer.

angewiesen. Am deutlichsten ist der Poncho als
die ärmellose Jacke der Männer zu erkennen. Er
genoß dekorativ wohl einen Vorzug, denn es ist
ihm meist eine besonders sorgfältige künstlerische Be-
handlung zuteil geworden. Von den beiden abge-
bildeten besteht der eine (Abb. 5s6 und 5s7) aus einem
hellbraunen glatten Gewebe mit breiten, buntge-
stickten Borten: Fabeltier mit schwarzen Umrissen
auf rotem Grund, sonstige Farben: blau, hellgrün,
hellgelb, dunkelgelb; der andere (Abb. 5 s8) zeigt ab-
wechselnd weiße und bunte Streifen. Andere bestehen
aus bunten Streifen, oder sie sind zwar mit Bor-
düren versehen, aber im übrigen nur mit ausge-
nähten, gesondert gewebten Bildern geschmückt
(Abb. 58st, 85). Von sonstigen Stücken sind nur
noch die zahlreichen Aopfbinden sauf jeder der
Seiten 258, 62, 63, 67 sind zwei oder mehrere der-
selben dargestellt) und die schürzenähnlichen Vor-
hängetücher (Abb. 5s3) ihrer Bestimmung nach
einigermaßen bekannt. Vielleicht stammen die zwei-
farbigen Muster mit den abgetreppten Dreiecken
sAbb. 57-s u. 76) auch von solchen Schürzen her;
andere in bunter Wirktechnik hergestellte*) mögen als
Besatz von Ponchos gedient haben.

Von sonstigen Textiltechniken sind die Spitzen
in dem Sinne vertreten, als manche Gewebe durch
ihre Lockerheit spitzenartig wirken, wobei gleichzeitig
durch Gruppenbildungen in den Fadenlagen oder
durch Anwendung dunkler und Heller Fäden einfache
Muster erzeugt werden (Abb. 5^2—^). Dieser

Gruppe dürfen auch noch die Netzwerke an Täsch-
chen, Mützen und Ähnliches, die eine filetartige
Technik zeigen, angeschlossen werden. Zhr Roh-
material reicht im Aaliber vom dünnsten Faden bis
zur Zuckerhutschnur* 2); an Vielseitigkeit der Muste-
rung stehen sie den bekannten koptischen kaum nach,
polzstäbchen von verschiedener Dicke waren die
Werkzeuge, mit denen diese Dinge gefertigt wurden.
Auch das Stricken soll in Alt-Peru heimisch ge-
wesen feins); Belegs dafür scheint die Münchner
Sammlung keine zu besitzen.

päufiger sind Erzeugnisse der Stickerei, sowohl
auf lockeren Geweben, wie auf dichtgewebten Stoffen
mit Taftbindung. Es handelt sich dabei nur selten
um zusammenhängende größere Flächen, sondern
meist um einzelne aus einem kleinen Grnament oder
einer tierähnlichen Bildung bestehenden Marken.

1) Abb. 503, OS, \2, 88.

2) Nicht ohne Interesse ist die Beobachtung, daß die
Sohlen der Sandalen vielfach aus Schnüren geflochten sind
und dadurch eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den Kletter-
schuhen unserer Alpinisten besitzen.

st Ratzel a. a. G. I. so?.

Areuzstich fehlt vollständig; doch nimmt der Pa-
rallel-Plattstich bisweilen das Aussehen von
Areuzstich an (Abb. 5 s7). Zn der Regel bleiben die
eingestickten Fäden parallel mit einer und derselben
Fadenrichtung des Stickgrundes; es kommen aber
auch Fälle vor, bei denen die Stiche reihenweise

schräg nebeneinander stehen —

also eine

Art Flechtstich bilden. Dieser Art ist die Stickerei
an dem eben genannten Poncho, wo die senkrechten
Streifeil in dem kreuzstichähnlichen Plattstich, die
wagrechten Unterränder aber im Flechtstich behandelt
sind.

Zn: Gegensatz zu dem bei uns üblichen Platt-
stich, bei dem ununterbrochene Stichlagen die Regel
bilden, ist dies bei den peruanischen Stickereien eine
ziemlich seltene Erscheinung (ein Beispiel hiefür siehe
Abb. 57 s). Die Stiche werden meist ganz gleich lang,
oft paarweise (Abb. 572), über % 5, ja über sO und
st5 Fäden hinweggeführt — aber mit großer Gleich-
mäßigkeit unter genauer Abzählung der zu über-
springenden Faden — und zwar entweder verschränkt^)
so daß der Grund immer dazwischen hervorschaut,
oder es wird bei relativ großen Flächen, wo die Stiche
doch zu lang werden müßten, innerhalb der Stick-
fläche ein geometrisches Linienmuster ausgespart?) Es
zeigt sich darin ein besonders feines Stilgefühl; denn
indem überall wieder der Grund durchblickt, erscheint
die Stickerei stets als etwas aus dem Grund peraus-
gewachsenes, nicht wie ein darauf geflogener Fremd-
körper wie bei dem völlig ununterbrochenen japanischen
Plattstich.

Applikationsarbeit kommt nur insofern in
Betracht, als mitunter extra gewebte Bilder auf einen
Stoff aufgenäht wurden (Abb. 58^ u. 85). Das
Nähen scheint nicht die starke Seite der Peruanerinnen
gewesen zu sein; wenigstens sind vorkommende Nähte
meist sehr nachlässig behandelt, in scharfen: Gegen-
satz zu den sorgsam gewebten Stoffen.

posamentierarbeiten spielen nur eine sehr
untergeordnete Rolle; doch verdient die Art, wie
bisweilen (von Fransen abgesehen)^) — die Faden-
endigungen behandelt werden, volle Beachtung (siehe
Abb. 5s7 unten und 5^5.)

Endlich sind noch die gemalten bzw. nach
dem Weben gefärbten Stoffe zu nennen
(Abb. 58st—9^). 5ie sind nur teilweise mittels eines
pinselähnlichen Werkzeugs bemustert und dann sehr
indianerhast kindlich, ungeschlacht, in breiten pinsel-
strichen— grau, gelb, orange, grünschwarz; einzelne

') Abb. 572, 77, 80, 8P
st Abb. 573a, 75, 7S.
st Abb. 50-p 26, 28, 30, IC.

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