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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Gmelin, L.: Peruanische Altertümer, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0313

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607. Kopfleiste; von A. Lchönmann, München.

Peruanische Akieriümer.

Schluß. Keramiken.)

nter allen natürlichen Rohstoffen
ist kaum einer, der zu seiner Ver-
arbeitung in so geringem Maß
eines Werkzeugs bedarf wie der
Ton; das ist. der Hauptgrund,
weshalb Artefakte aus Ton zu
den frühesten Kulturzeugen Perus gehören. Wie
mühselig war dagegen die Behandlung des Atems
mit seinesgleichen oder mittels der unvollkommenen,
von grifflosen pämmern geschlagenen Kupfer- oder
Bronzemeisel! Das Werkzeug war in Alt-Peru so
unentwickelt, daß man sich in manchen Fällen (5. B.
bei den Handgriffen der Wickelstäbe, Kinderspielzeug,
Musikinstrumenten) lieber des Tones als des polzes
bediente, dessen Bearbeitung noch auf sehr tiefer
Stufe stand. Das Messer war ja wohl bekannt,
aber die Säge nicht, welche die Voraussetzung der
ebenflächigen Holzböden und Möbel ist; daß es daran
gefehlt hat, geht allein schon aus dem Umstand
hervor, daß die Gefäße fast ausnahmslos eines
ebenen Bodens entbehren, demnach eine unebene,
gekrümmte Unterlage voraussetzen; der ebene Gefäß-

boden war erst von dem Augenblick an zweckmäßig,
in dem man eine ebene, wagerechte Fläche zum Auf-
stellen besaß, wie er auch erst zur Notwendig-
keit wurde, als die Töpferscheibe erfunden war.
Diese war im vorkolumbischen Amerika unbekannt,
und man hat darum alle Ursache, über die trotzdem
ziemlich vollkoinmene Rundung der Gefäße erstaunt
zu sein.

Dein bei den Peruanern wie bei zahlreichen
andern Frühkulturen beobachteten Hang zur plasti-
schen Nachbildung des Menschen, sowie der Seichtig-
keit, mit der sich der Ton jedem Willen gefügig er-
weist, verdanken wir einerseits zahlreiche Zeugen
für das unzweifelhaft plastische Geschick der peru-
anischen Töpferkünstler anderseits untrügliche Urkun-
den über das Aussehen der Peruaner selbst. Wir er-
fahren daraus, daß deren Physiognomie mit der
ausgeprägten Adlernase und dem breiten Mund eine
entschiedene Ähnlichkeit mit dem Zndianertypus hat.
Daß aber bei aller typischen Darstellungsweise doch
auch individuelle Züge, ja selische Stimmungen zu
ihrem Recht kommen, stempelt diese Erzeugnisse zu
Ausweisen wirklich künstlerischen Empfindens. Frei-
lich steht dabei — wie dies auch bei den Geweben
zu beobachten ist — der Kopf im argen Mißver-
hältnis zum übrigen Körper; dieser erscheint nur als

eine rundliche Masse, in
der sich neben einem wohl-
genährten Bauch kaum
uutergeschlagene Beine und
verkrüppelte Arme unter-
scheiden lassen. Unter den
in die Münchener Samm-
lung gekommenen figür-
lichen Sachen ist manches
Stück, hinter dem man mit
guten Grund ein Porträt
vermuten kann, z. B. das
Kopfgefäß (Abb.6f3), auch
der halb knieende, halb
hockende Mann mit der

a. b. c.

608. Phantasiegefäße (Lhimbote) aus schwarzgrauem Ton. (V4 d. wirkt. Größe.)

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