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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

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Schaefer, K.: Das Moderne Kunstgewerbe im Dienste des Norddeutschen Lloyd
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https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0053

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Das moderne Kunstgewerbe im Dienste des Norddeutschen Lloyd.

6t- Aus dein Dampfer „Kronprinzessin Leeilie": Zchlafziinmer der Kaiserzimmcr;
Entwurf von Richard Riemerschmid, München. Ausführung: Deutsche
Werkstätten für kfandwerskunst, Dresden.

günstigen Zeitumständen sich das dekorative . Genie j
gefunden hätte, das der Mode von danrals zum
Trotz, die gesunden Wege der Zukunft vorausahnend, '
aus der Ingenieuraufgabe des Schiffbaues den In-
genieurstil für die Schiffsinnenräume entwickelt hätte.
Und so lange das nicht kam, half alle Ärmst nicht.
Man kann nicht einen Florentiner Säulenhof der
Renaissance in die Eisen- und Glaswände des Schiffs-
körpers hineinfügen; das sind zwei auf ewig unver-
einbare Dinge. Und die schönsten Motive der fran-
zösischen Aönigsschlösser werden zur Iahrmarkts-
dekoration, wenn man sie aus dem Sandstein in
Bronze, aus monumentalem Maststab in kleine Zier-
lichkeit und aus dem freien Raum, in dem sie mächtig
wirken, in die Enge eines Schiffsrumpfes überträgt.
Wenit natürlich auch im Laufe der letzten Jahre an
Stelle des einst in den Tagen der „Lahn" geübten
Überschwangs an Schnitzwerk, Gold- und Aufdring-
lichkeit die schlichtere Weise, die Hellen freundlichen
Farben, einige Ruhe eingezogen sind, so war doch
von der Vereinigung des so ausgesprochenen Barock-
meisters Poppe mit den Möbelfirmen Bembe und
pfaff eine grundsätzliche Änderung nicht inehr zu
erwarten. Und nirgends ist die Sachlichkeit, die
knappe Einfachheit in der Bildung von Wand und
Decke, das material- und ingenieurmästige klare
Grundgerüst des Raums notwendiger als in der

Ausstattung solcher Aabinen und
Schiffssalons, in denen jeder Aua-
dratzentimeter kostbar ist und genutzt
werden must.

Seitdem die Dresdener Aus-
stellung vor dem ganzen Reiche
bewiesen hat, daß das moderne
Aunsthandwerk nicht mehr in regen
Phantasien, in Experinrenten und
Gewaltsamkeiten besteht, seitdem es
sich allen Aufgaben, und gerade
denen, für die Schloß und Rathaus
keine Vorbilder geben, gewachsen
zeigte, durfte man annehmen, daß
der Bann gebrochen, und daß dem
jungen gereiften Rönnen nun auch
der Weg zu großen öffentlichen
Aufgaben geebnet sei. Freuen wir
uns, daß es gerade der Norddeutsche
Lloyd gewesen ist —, ich glaube,
nicht zu irren wenn ich es als das
persönliche Verdienst des als Aunst-
freund wohlbekannten Herrn Gene-
raldirektor Or. Wiegand ansehe —,
der die heutige Situation im deut-
schen Aunstgewerbe richtig verstand,
und mit denr Vertrauen eigener Überzeugung die
Meister der Innenkunst zu seinen Aufgaben berief.
Der erste Schritt des Erfolges liegt nun in den Luxus-
kabinen der „AronPrinzessin Tecilie" vor. Der Versuch
ist glänzend gelungen. Weitere ganze Erfolge werden
folgen, wenn erst die kaufmännische Verbindung des
Lloyd mit den „Vereinigten Werkstätten" und deren
Aünstlern zur produktiven Tatsache geworden ist.
Denn auf die Dauer kann es für eine verständige
Schiffsausstattung keine rückwärtsschauende Stilkunst
mehr geben. Der amerikanische Scbaukelstuhl als
Inbegriff praktischer Bequemlichkeit war einst auf
dein Aontinent der Bahnbrecher für die modernen
Gedanken. Ainerikanischer Möbelwitz, wie er in einer
handlichen, gut ausgeklügelten Bureaueinrichtung
liegt, paßt nicht zu pausbäckigen gefchnitzten Engels-
köpfchen oder zu Zierlichkeiten ä la Marie Antoinette.
Mit den architekturlosen, aus guten polierten Hölzern
gearbeiteten modernen Formen verträgt es sich da-
gegen sehr wohl, daß ein Wandkasten zum Toilette-
tisch, eine Sitzbank zum Bett ausgebildet wird; der
nötige bequeme Mechanismus, die Alappvorrich-
tungen, die hygienische Sauberkeit der Geräte ver-
binden sich ausgezeichnet mit der schmucklosen Glätte des
gediegenen Materials unserer modernen Möbelkunst.

was an der „Aronprinzessin Tecilie" auffällt,
sind nicht die Masse der Aabinen erster und zweiter

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