Die Tölz er Bautradition und deren Fortentwicklung.
\22. Weinhaus von Jos. Lechner in Tölz. Fassade nach Angaben Gabr. v. Seidls
umgebaut; Bemalung von Karl Wähler, München. (Nachbarhaus S. 75.)
vollen Blumenstöcken bestellt. Selten fehlt an einem
dieser Häuser das Heiligenbild iin Giebel oder
die Heiligennische über der Türe, Haussprüche sin-
nigen Zuhalts oder Bk al er eien tm Stile der
Rokoko-Schnörkeleien des (8. Jahrhunderts. Barock
und Rokoko sind überhaupt iu Altbayern weniger
Zeugnisse einer bestimmten Kunstrichtung als des
Volksgeschmackes. Der Altbayer liebt Farbenglanz
und Formenfülle. So mußte ihm besonders das
Rokoko Zusagen; sein Einfluß mußte ein umso nach-
haltigerer bleiben, als das Landvolk gerade diesen
Stil für einen recht passenden kirchlichen hielt und
noch heute hält. Bei ihm ist alles, was glänzend,
bunt, überladen, verschnörkelt, sinnlichkrästig und
pathetisch ist, ohne weiteres auch schön. Dieser Ge-
schmack liegt einmal im Volkscharakter, den; ein
kunstsrohes Fürstenhaus, der Iesuitismus, die Macht
der katholischen Kirche, wohl auch der Gang der
Geschichte — Liga und Dreißigjähriger Krieg —
eine scharf vorgezeichnete Rich-
tung gab.
Soviel vom Bauern-
haus, das von Hof, Garten
und Wirtschaftsgebäuden um-
geben naturgemäß die offene
Bauweise zeigen muß. Das
ändert sich sofort im Markt,
in der Stadt — und Tölz
erhielt, wie oben erwähnt,
frühzeitig eine mehr städtische
Verfassung —: Der Kern
der Grtschaft wird hier mit
geschlossenen Häuserreihen
straßenmäßig angelegt; denn
möglichst viele wollen an der
Hauptstraße wohnen. Alle
Hauszwischenräume und Ne-
benbauten verschwinden und
machen eingeschachtelten wei-
teren Häusern Platz, wobei
jedes Schmalseite und Giebel
der Straße zukehrt. Der
Egoismus geht oft so weit,
daß man sogar vergißt, den
langen Darm der Hauptstraße
mit ^uerzügen zu durch-
schneiden. Die geschlossene An-
lage bedingt nun ganz ein-
schneidende Änderungen
im Bau des Gebirgshauses
selbst. Da das Haus, Fassade
neben Fassade stehend, nicht
mehr die Anbringung der
um lausen den, raumverbindenden Galerien
erlaubt, und jetzt, bei verlorengegangenen Längen-
ansichten nur mehr eine Schauseite besitzt, so ver-
schwindet — weil überflüssig — auch an ihr die
Galerie oder schrumpft zu einem kleinen Balkon
zusammen. Wegen der erhöhten Feuersgefahr setzt
man ferner an Stelle des Holz- oder Halbbaus den
reinen Steinbau und läßt auch sonst möglichst das
Holzwerk weg, selbst die üblichen malerischen Holz-
ornamente müssen an eine fast radikale Besei-
tigung glauben. An ihre Stelle, an die Stelle
plastischen Schmucks tritt in erhöhtem Maße die
Farbe, und zwar hier die Freskomalerei auf
blendender Tünche. Diese Wandlung von der Plastik
zur Farbe kann man bekanntlich in der Baugeschichte
aller Zeiten und Völker beobachten. Die Fresko-
malereien künden wiederum den kirchlichvolkstüm-
lichen Sinn der Bewohner. Vorbild ist aber sonder-
barerweise die Z n n e n architektur der Kirchen.
\22. Weinhaus von Jos. Lechner in Tölz. Fassade nach Angaben Gabr. v. Seidls
umgebaut; Bemalung von Karl Wähler, München. (Nachbarhaus S. 75.)
vollen Blumenstöcken bestellt. Selten fehlt an einem
dieser Häuser das Heiligenbild iin Giebel oder
die Heiligennische über der Türe, Haussprüche sin-
nigen Zuhalts oder Bk al er eien tm Stile der
Rokoko-Schnörkeleien des (8. Jahrhunderts. Barock
und Rokoko sind überhaupt iu Altbayern weniger
Zeugnisse einer bestimmten Kunstrichtung als des
Volksgeschmackes. Der Altbayer liebt Farbenglanz
und Formenfülle. So mußte ihm besonders das
Rokoko Zusagen; sein Einfluß mußte ein umso nach-
haltigerer bleiben, als das Landvolk gerade diesen
Stil für einen recht passenden kirchlichen hielt und
noch heute hält. Bei ihm ist alles, was glänzend,
bunt, überladen, verschnörkelt, sinnlichkrästig und
pathetisch ist, ohne weiteres auch schön. Dieser Ge-
schmack liegt einmal im Volkscharakter, den; ein
kunstsrohes Fürstenhaus, der Iesuitismus, die Macht
der katholischen Kirche, wohl auch der Gang der
Geschichte — Liga und Dreißigjähriger Krieg —
eine scharf vorgezeichnete Rich-
tung gab.
Soviel vom Bauern-
haus, das von Hof, Garten
und Wirtschaftsgebäuden um-
geben naturgemäß die offene
Bauweise zeigen muß. Das
ändert sich sofort im Markt,
in der Stadt — und Tölz
erhielt, wie oben erwähnt,
frühzeitig eine mehr städtische
Verfassung —: Der Kern
der Grtschaft wird hier mit
geschlossenen Häuserreihen
straßenmäßig angelegt; denn
möglichst viele wollen an der
Hauptstraße wohnen. Alle
Hauszwischenräume und Ne-
benbauten verschwinden und
machen eingeschachtelten wei-
teren Häusern Platz, wobei
jedes Schmalseite und Giebel
der Straße zukehrt. Der
Egoismus geht oft so weit,
daß man sogar vergißt, den
langen Darm der Hauptstraße
mit ^uerzügen zu durch-
schneiden. Die geschlossene An-
lage bedingt nun ganz ein-
schneidende Änderungen
im Bau des Gebirgshauses
selbst. Da das Haus, Fassade
neben Fassade stehend, nicht
mehr die Anbringung der
um lausen den, raumverbindenden Galerien
erlaubt, und jetzt, bei verlorengegangenen Längen-
ansichten nur mehr eine Schauseite besitzt, so ver-
schwindet — weil überflüssig — auch an ihr die
Galerie oder schrumpft zu einem kleinen Balkon
zusammen. Wegen der erhöhten Feuersgefahr setzt
man ferner an Stelle des Holz- oder Halbbaus den
reinen Steinbau und läßt auch sonst möglichst das
Holzwerk weg, selbst die üblichen malerischen Holz-
ornamente müssen an eine fast radikale Besei-
tigung glauben. An ihre Stelle, an die Stelle
plastischen Schmucks tritt in erhöhtem Maße die
Farbe, und zwar hier die Freskomalerei auf
blendender Tünche. Diese Wandlung von der Plastik
zur Farbe kann man bekanntlich in der Baugeschichte
aller Zeiten und Völker beobachten. Die Fresko-
malereien künden wiederum den kirchlichvolkstüm-
lichen Sinn der Bewohner. Vorbild ist aber sonder-
barerweise die Z n n e n architektur der Kirchen.