Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

DOI Artikel:
Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0241

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Chronik des Sctyer. Kunstgewerbevereins.

Beispiel: jene Tafel aus Pompeji mit dem auf einer Blüte
stehenden Eros. Attische Grabstelen ziehen an unserem Blick
vorüber. Man verbindet jetzt Tiere, Greifen mit Ranken. Die
menschlichen Figuren lausen in den unteren Extremitäten in
Ranken aus (Augusteische Zeit). Vögel bevölkern das Ranken-
zeug. Die berühmte Akanthus-Säule mit den tanzenden kjoren
in Delphi wird als Beispiel gezeigt. Immer mehr geht es mit
dieser Bewegung bergab, bis fast barock anmutende Ranken-
gebilde den Niedergang der antikrömischen Kunst einläuten und
besiegeln.

Zwölfter Abend — den t l- Februar — Vortrag von
Schriftsteller Joseph Kirchner über „Die Frau im Kunsthand-
werk". Die Betrachtung zerfiel in zwei deutlich getrennte Teile,
indem der Vortragende erst die aktive, dann die passive Be-
teiligung der Frau am Kunsthandwerk schilderte. Im ersten
Teil erinnerte er an die Uranfänge künstlerischen Schaffens, bei
welchem — man denke an Weberei, Schmuck und andere schon
in der Frühzeit der Kultur geübten Künste — die Frau einen
großen tatkräftigen Anteil am Kunsthandwerk hatte und bei
junger oder zurückgebliebener Kultur (wilde Völker, Balkanländer)
noch hat. In bezug auf die Teilnahme der Frau am Kunsthand-
werk der Gegenwart bedauerte der Redner es, daß unter den
Frauen von heute so viele unzulängliche Kräfte sich der hohen
Kunst zuwenden, während sie in der Kleinkunst Treffliches leisten
könnten. In dem zweiten Teil seines Vortrags schilderte der
Redner, z. T. an kjand zahlreich ansgestellter Bilder, die Art/
wie die Frau — ganz oder teilweise, bekleidet oder nackt —
als Schmuckmotiv bei Möbeln und Geräten, an Bauwerken und
Wanddekorationen re. zu allen Zeiten eine ganz bedeutende Rolle
gespielt hat und auch fernerhin unnnterbrochen zu spielen be-
rufen ist.

Dreizehnter Abend — den \8. Februar — Vortrag von
Prof. Dr. Freiherr von Bissing über „Die Innenausstattung
altägyptischer päuser". Mit richtigem Verständnis für die Be-
dürfnisse des Vereins verweilt der Vortragende nicht lange bei
gelehrten Auseinandersetzungen; er begann vielmehr nach einer
kurzen Einleitung bald mit der Lichtbildervorführung nach
altägyptischem Mobiliar. Bilder von den so aufschlußreichen
Davisschen Gräberfunden vom Jahr ^905 (eine Bettstatt, ver-
schiedene Stühle und Schränke) zogen an dem Zuschauer vor-
über; das Wandgemälde aus Kahun gab weiteren Aufschluß
über die Innenausstattung des ägyptischen pauses. Aus dein
Grabe Ramses' III. wurden eigenartige Stühle (mit Löwen-,
Ochsen- und Gazellenfüßen), Klappstühle (mit den charak-
teristischen Entenköxfen) und verschiedene Thronsessel (mit dem
seltsam stilisierten Wappen der Vereinigung) vorgeführt. Es
folgen: Decken aus dem Palast Amenophis' III., Matten und
farbig bemaltes Flechtwerk aus den Gräbern von Assiuth, dann
das schönste Denkmal altägyptischer Malerei, die berühmte Decke
mit den prächtig stilisierten Tauben aus dem schon erwähnten
Amenophis-Palast und endlich der bemalte, mit Vögeln reich
belebte Fußboden mit der Teichlandschaft aus Tell-el-Amarna.
Überdies hatte der Redner aus seinen eigenen Sammlungen
eine Reihe kleinerer Möbelstücke ausgestellt, die es ermöglichten,
die in altersgrauer Vorzeit gebräuchlichen polzkonstruktionen
handgreiflich zu studieren.

vierzehnter Abend — den 25. Februar — Vortrag von
Prof. vr. Schmid, Karlsruhe, über „Die neuesten Ergebnisse
auf deul Gebiet der Farbenphotographie". Der Redner brachte

in nahezu dreistündigem vortrage eine ausführliche Darstellung
der Entwicklungsgeschichte der Photographie, von Daguerres
ersten versuchen (t82p an bis zur Gegenwart, — von der
nur ein Bild ermöglichenden Aufnahme der Daguerrotypie,
bei der minutenlange Expositionszeiten nötig waren, — über
die Erfindung des Kollodiumverfahrens ((850), bei welchem
jede Aufnahme eine unbegrenzte Zahl von Kopien ermög-
lichte; während man bei diesem „nassen Verfahren" keine
Plattenvorräie halten konnte, gestattete die ;880 erfundene
(Bromsilber)-Trockenplatte beliebige Vorräte, — doch blieb das
Kollodiumverfahren in den Ätzanstalten bei Strichätzungen im
Gebrauch. Für das Bestreben, farbige Bilder zu erzeugen,
stellte Prof. Vogel in Berlin das Prinzip der Farbenfilter auf,
und schon J882 wurde die erste sarbenempfindliche Platte her-
gestellt, in Deutschland (88$, wobei auch I. B. Bbernetter,
München, tatkräftigen Anteil hatte (Vogel-Gbcrnettersche Silber-
Losinplatte. Einen gewaltigen Fortschritt bedeutete auch die
Ersetzung des Glases durch Celluloid-Films (1890), was
ü. a. den „Kilometerphotographien" und de:, Kinematographen
den weg bahnte. Nebenher lief die immer häufigere An-
wendung künstlichen Lichtes und die Verbesserung der Linsen
(Axlanat Steinheil 6c Co., München, ;86S). In neues Stadium
gelangte die Farbenphotographie durch Lippmanns Interferenz-
Methode (ganz transparente Bromsilberschicht) und durch das
Lumierefche Ausbleichverfahren, — letzteres nach einer Idee,
die schon Maxwell, ;8St, ausgesprochen. Das letztere Prinzip
— nur eine Aufnahme auf einer Platte — ist schon auf
Seite 39 und 35 (8eft ; dieses Jahrgangs) näher geschildert;
wir verweisen daher auf jene Darlegungen. Der Redner schloß
seine Darlegungen mit der Projektion einer größeren Reihe
nach dem Lumiere-Verfahren gemachter eigenen Aufnahmen,
wobei namentlich auch die sogar bei kurzer Expositionszeit er-
reichte relative Schärfe Staunen erregte.

Lünszehnter Abend — den jo. März — Vortrag von Major
I. Baumann über „Die Felsenstadt Petra der Nabatäer."
Der Redner schilderte in gewohnter fesselnder weise den Ver-
lauf seiner von Jerusalem aus unternommenen, ;5 Tage
währenden Reise über Bethlehem an den s Bergfesten des
perodes und dem Toten Neer vorüber, weder die Gegend
zwischen Jerusalem und dem Salzsee noch auch dieser selbst
ist nach dem Berichte des Reisenden so reizlos, als man sie sich
gewöhnlich vorzustellen pflegt. Die üppigen Nohnfeldcr 'am
Wege regten Bruno Piglhein zu seinem bekannten Bilde: „Die
Blinde" an. Inmitten einer wunderbaren Landschaft, die von
Nachtigallen bevölkert war, eröffnete sich den Reisenden der
Blick aus den schönen, blauen, klaren Spiegel des Meeres, das
freilich, von Fischen und Wasservögeln gänzlich verlassen, seinen
Namen „Totes Neer" wohl verdient. Petra, einst die peimat
der Edomiter, der Nachkommen Esaus, wurde später von den,
Nomadenvolke der Nabatäer in Besitz genommen, die hier ein
Königreich „peträisches Arabien" gründeten (9. Iahrh. v. Chr.).
Dieses Reich, das sich nach Norden bis gegen Damaskus aus-
dehnte, wurde inr Jahre tos n. Chr. unter Trajan dem Römer-
reich einverleibt. Die Stadt Petra verfiel vom 5. Jahrhundert
an so sehr, daß heute davon so gut wie nichts mehr erhalten
ist. Um so mehr Interesse und Bewunderung erweckt die
Nekropole, welche Grabmäler von klassischer Stilreinheit und
Eleganz enthält. Die Besteigung des Berges Schebel kjarun,
des poreb, auf dessen pöhe Aaron starb, wurde Major Ban-
mann, wohl als letztem Europäer, von fanatischen Moslems
verboten. Der Vortrag war durch zahlreiche interessante Licht-
bilder unterstützt und fand dankbare Aufnahme.

Verantw. Red.: j?rof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Kunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Mldenbourg, München.
 
Annotationen