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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

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Gmelin, Ludwig: Das Regina-Palast-Hotel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0281

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Das Regina-Palast-Hotel.

reichen größeren und kleineren Balkone mit ihrem
Blumenschmuck, die dunkeln Loggienbogen an der
Hauptsassade, die maßvolle plastische Ausstattung, die
an dem Mittelgiebel der Südseite sich zu figürlichem
Schmuck steigert, — das alles vereinigt sich zu vor-
nehmer Wirkung, die sich in den grauen, nur wenig
abgetönten Massen von ärmlicher Bescheidenheit wie
von aufdringlichen: protzentum gleich fern hält.

Die Innenausstattung lehnt sich, wie schon an-
gedeutet, größtenteils an die Stile Louis XVI. und
Empire an, wobei die Decken und die oberen Wand-
teile bzw. die Einfassung der Wandfelder samt den
Ornamenten durchaus in Weiß gehalten sind; neben
den oft recht kräftigen Farben des polzwerkes, der
Möbel, Kantine, Säulen kommen die in durchgehends
reinem Weiß gehaltenen zierlichen Stuckgesimse tmd
-Ornamente schwer zur Wirkung.

Wir betreten das Vestibül (Abb. ^76) durch eine
Drehtüre, die wie alles polzwerk des Vorplatzes in
dunkelrotem Mahagoni gehalten ist, mit dem der
zu Säulen, Kaminen, Pilastern und Wandsockel ver-
wendete rote Stuckmarmor*) trefflich stimmt; der Helle
saubere Steinboden ist mit dunkeln, bunt gemusterten,
aber in der Hauptsache roten Teppichen belegt. In
den Stilzwang bringen die in der rechtsseitigen Ve-
stibülhälfte stehenden, für Wartende bestimmten durch-
aus modernen Polster- und Rohrmöbel eine wohl-
tuende Abwechselung, die niemand unangenehm emp-
finden wird, da weder Farbe noch Form dieser Möbel
eine Störung verursachen und sich jeder mit ihnen
wegen ihrer Zweckmäßigkeit alsbald befreundet.

Im Palmen-Foyer (Abb. ^.77), in welchem
große orientalische Teppiche das unvermeidliche
Vielerlei der Sitzgelegenheiten einigermaßen einheit-
lich zusammenfassen, bilden die prächtigen Palmen
den am lautesten sprechenden Schmuck, neben welchem
die bunten landschaftlichen Medaillonbilder von Prof,
pans v. petersen und selbst das Prinzregentenporträt
von Langhorst einen schweren Stand haben. Die
Wände sind sonst —- mit Ausnahme des hellgrauen
polzfockels und der Hellen Pilasterfüllungen aus
Talacattamarmor — ganz in Weiß gehalten, ebenso
die Decke, deren großes Oberlicht eine gelbe Muste-
rung zeigt. Während die linke Schmalseite in der
Mitte einem kleinen Alusikbalkon eingeräumt ist,
öffnet sich die rechte in drei großen Glastüren gegen
den Fest- und Speisesaal (Abb. *$78). Auch in diesem
herrscht Weiß vor, unterbrochen durch hellgrüne
Stuckmarmorsäulen und dunkelgelbe Vorhänge. Die
beiden an den Festsaal angeschlossenen Ecksalons sind
einerseits auf Weiß-grün-rosa, anderseits auf Weiß-

*) 3n dem Stuckmarmor der Säulen verbergen sich die
eisernen, die Decke tragenden Stützen.

gelb gestimtnt. In ganz ähnlicher Art sind auch
die Salons der Gastzimmer ausgebildet (Abb. *$80.)

In Tafe-Restaurant und Bar sind den modernen
Bestrebungen in der Innendekoration mehr Zugeständ-
nisse gemacht worden, indem Teilung und Gliederung
der Decken wie der weiß gebliebenen Wandteile nur
mittels glatter Gesimsstreifen erfolgte und auf Or-
nament fast ganz verzichtet wurde. In dem langen
Raum, welcher durch eine halbstockhohe Scheidewand
in Taselokal und Restaurant zerlegt ist, gibt das
dunkelrote Mahagoni — Vertäfelung, Möbel — den
Ton an (Abb. 47si); die quadratischen Pfeiler bestehen
aus maisgelbem Sieneser Stuckmarmor mit weiß-
gelben Basen. Die mit Schiebevorrichtungen ver-
sehenen Fenster nach der glasgedeckten Terrasse der
Eschenanlage ermöglichen bei gutem Wetter einen
beständigen Luftaustausch; diese Terrasse wird am
einen Ende durch einen Pavillon, am andern durch
die überbaute Treppe zur Bar begrenzt, die das
Untergeschoß des Westflügels einnimmt. Die Bar
selbst zerfällt in vier Teile: ein kleineres Gemach
(zugleich Schreibzimmer, Abb. *$8$) am Maximilians-
platz, daneben der Büfettraum und, von diesem
nur durch die Wand- und Deckengliederung ge-
schieden, der ksauptraum mit halbhohen, vertäferten
Nischen (Abb. *$83) und — jenseits einer Glas-
wand, und etwas tiefer gelegen — ein Billardsaal,
dessen Wände in der unteren pälfte mit einem
Linkustrabelag versehen sind und der durch die an
der Längsseite hingeführte erhöhte Estrade einen
besonderen Reiz erhält. Wem das Verfolgen der
Billardbälle Vergnügen macht, der kann sich keine
bequemere Gelegenheit wünschen, als einen Platz
auf dieser tribünenartigen Erhöhung.

An: meisten Aufmerksamkeit wurde dem Haupt-
raum der Bar geschenkt, der besonders am Abend,
wenn das durch rote und gelbe Seidenvorhänge und
Glasperlen gebrochene Lampenlicht den Raum durch-
flutet, seinen vollen Stimmungsreiz entfaltet; auf den
weichen, hochlehnigen Polstern sitzt es sich dann be-
haglich in den mit naturfarbenem, intarsierten Eichen-
holz getäferten, oben durch Bleiverglasungen und
Glasmosaiken geschmückten Nischen, wo mait bei
einem guten Tropfen träumend in Weltvergessenheit
schwelgen kann, — und wer einige Phantasie mit-
bringt, kann sich schon jetzt das ausgelassene Treiben
ausmalen, das sich hier zur Karnevalszeit in frühester
Morgenstunde entwickelt. Dieser Flügel des großen
Baues wird dann den Münchenern und ihren Kar-
nevalsgästen gehören, der jenseitige den „goldenen
Internationalen". G.

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